Bereits schon in Kürze könnten in Brasilien Richter in einen unbefristeten Streik treten. Dies kündigte der Präsident der Vereinigung der Bundesrichter Brasiliens (AJUFE), Gabriel Wedy, an. Er reagierte damit auf eine Ankündigung des Abgeordneten Cândido Vaccarezza in Hinblick auf schon länger geforderter Gehaltsanpassungen. Der Vorsitzende der Regierungskoalition im brasilianischen Abgeordnetenhaus hatte zuvor erklärt, dass der Inflationsausgleich bezüglich der Richtergehälter nicht mehr in diesem Jahr entschieden werden könne.
Die brasilianischen Richter hatten bereits am 27. April diesen Jahres einen „Tag des Stillstandes“ veranstaltet, zu dem sich in Brasília neben dem Direktorium der Bundesrichtervereinigung auch die Präsidenten der Richtervereinigungen aus Italien, Portugal und Spanien eingefunden hatten. Damals beteiligten sich mehr als 90 Prozent der organisierten Richter an der Arbeitsniederlegung.
Nach Angaben der AJUFE haben die Richter in den letzten sechseinhalb Jahren mehr als 30 Prozent ihres Realeinkommens durch Inflation verloren, obwohl die brasilianische Verfassung einen jährlichen Inflationsausgleich vorschreibt. Die jetzige Anpassung der Gehälter soll 14,79 Prozent beantragen, sie muss allerdings vom Kongress genehmigt werden. Sollte das Anpassungsgesetz nicht kurzfristig auf den Weg gebracht werden, so will die AJUFE laut Wedy auf ihrer kommenden Vollversammlung am 17. August entweder über eine Arbeitsniederlegung von einer Woche oder einen unbefristeten Streik diskutieren. Im Falle einer Arbeitskampfmaßnahme rechne man dabei mit einer noch höheren Beteiligung als im vergangenen April.
Die brasilianischen Bundesrichter erhalten derzeit monatlich ein Gehalt von 26.700 Reais, umgerechnet etwa 11.600 Euro. Sie sind für alle Straf- und Zivilsachen einschließlich sämtlicher Fianz- und Verwaltungsprozesse zuständig, die entweder den Bund tangieren oder die Bundesstaaten übergreifende Auswirkungen haben.
Der agência latina press Rechtsexperte Dieter Ewenz, selbst Mitglied der brasilianischen Anwaltskammer, steht den Streikdrohungen kritisch gegenüber. „Wieso kann ein Beamter, der vom Staat bezahlt wird, sich gegen selbigen stellen?“ hinterfragt Ewenz die Rechtmäßigkeit der angedrohten Aktion. Er habe zwar Verständnis, dass nach einem sechsjährigem Ausbleib des verfassungsmäßig vorgeschriebenen Inflationsausgleichs große Unzufriedenheit bei den Betroffen bestehe. Berücksichtige man allerdings das derzeitigen Einkommen der Richter auch in Bezug auf den brasilianischen Mindestlohn von knapp 240 Euro, sollte die AJUFE darüber nachdenken, ob es nicht andere Möglichkeiten gebe, als ihren Forderungen durch einen Streik Nachdruck zu verleihen. „Die Leidtragenden sind nämlich die, die mit wesentlich weniger Geld auskommen müssen als die Richter“ so Ewenz abschliessend.
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