Die Papstvisite in Brasilien birgt eine heikle Konstellation: Auf der einen Seite ein Pontifex zum Anfassen – auf der anderen ein Land mit massivem Sicherheitsproblem und seit Wochen andauernden sozialen Protesten. Am Rande des Papstbesuches kam es in Rio de Janeiro zu gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Polizei und Demonstranten. Dies trübt die Stimmung im Land mit den weltweit meisten Katholiken und wirft Fragen über die Verhältnismäßigkeit bei dem Einsatz von Gewalt durch die Sicherheitskräfte auf.
Rund um den Gouverneurspalast kollidierte die Polizei am Montag (22.) mit mehreren Gruppen von Randalierern, mindestens ein Demonstrant wurde von einem aus nächster Nähe abgefeuerten Gummi-Geschoss verletzt. Diese Auseinandersetzungen waren nur das jüngste Beispiel in einer Reihe von gewaltsamen Auseinandersetzungen, die zu wachsender Kritik von Menschenrechtsgruppen führt. Diese werfen der Polizei exzessive Gewalt und willkürliche Verhaftungen vor.
Atila Roque, Präsident von „Amnesty International“ in Brasilien, spricht von einer „Übernutzung“ von Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschossen“. Diese würden in einer „völlig willkürlichen Art und Weise auch ohne direkte Bedrohung eingesetzt“ und dienen nur dem Ziel, „einfach Menschen zerstreuen“ .
„Wir sahen Polizei, die auf den Straßen, in einer Bar und auch in einem Krankenhaus, Jagd auf Menschen macht“, so Roque. Dem widerspricht Jose Mariano Beltrame vom „Sicherheitsdienst Rio de Janeiro“. Nach seinen Worten suchen die Sicherheitskräfte einen Weg, um mit der jüngsten Welle von Massenprotesten umzugehen. „Wir suchen einen Kompromiss, einen Weg, der keinen Missbrauch von Macht darstellt“.
Julita Lemgruber, Direktorin des Zentrums für Studien über die öffentliche Sicherheit, glaubt, dass die Konfrontationen durch die Militärpolizei von Rio einer tief verwurzelten Kultur entstammen. „Diese Kultur stammt noch aus der Militärdiktatur von 1964 bis 1985. Die Polizei patrouilliert mit der Idee des Krieges im Kopf – deshalb werden die Menschen in den Straßen als Feinde behandelt“.
Mehrere Opfer beklagen sich zudem, keinen Vandalismus begangen zu haben und zu der friedlichen Mehrheit der Demonstranten gehören. „Wir haben nichts mit dem Mob gemeinsam. Plötzlich werden wir von der Polizei verfolgt ohne zu wissen, was wir getan haben“, beklagt sich die 26-jährige Renata Ataide. Nach einem lauten Knall und einem Lichtblitz war ihr Gesicht mit Blut bedeckt und sie hatte ihr linkes Auge verloren. Sie verklagt nach eigenen Worten den Staat in einem Versuch, ihre Krankheitskosten wieder hereinzuholen. Ärzte haben ihr keine Hoffnung auf die Rückgewinnung ihr Augenlichts gemacht. Allerdings muss sie sich noch mehrere Operationen unterziehen, die Zehntausende von Dollar kosten werden.
Die Polizei beteuert, dass sie ihr Bestes in dieser schwierigen Situation macht. Bei den Massendemonstrationen werden sie permanent mit einem plündernden Mob konfrontiert, der nur zerstören und rauben will. Unter dem Hinweis der Anonymität äußerten sich bereits mehrere Beamte, dass sie nach ihrer Meinung nicht richtig ausgebildet/geschult wurden und nicht wissen, wie sie auf diese Art von Gewalt reagieren sollen.
Laut Juliana Barroso, verantwortlich für die Ausbildung der Polizei in Rio, wurden die Beamten in Workshops mit der Polizei aus Spanien, den USA und Deutschland entsprechend geschult. Niedrigeren Dienstgraden würde diese Ausbildung allerdings fehlen. Diese klagen vermehrt über Erschöpfung nach langen Schichten und fühlen sich anlässlich der Kritik zunehmend missverstanden.
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