Paulo und Eliana: Brasiliens stille Helden

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Datum: 05. August 2013
Uhrzeit: 15:19 Uhr
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Autor: Redaktion
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► Ein Leben im Krankenhaus

Vor über 42 Jahren hat sich Paulo Henrique Machado als zweijähriger mit dem Polovirus infiziert. Seither liegt der Brasilianer gelähmt die meiste Zeit im Krankenhaus „Hospital das Clinicas São Paulo“ und muss rund um die Uhr beatmet werden. Seine autodidaktisch erworbenen grafischen Kenntnisse nutzte Paulo dazu, eine Zeichentrick-TV-Serie über sein Leben zu erstellen.

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Das Poliovirus ist ein Virus aus der Familie der Picornaviridae, das beim Menschen die Kinderlähmung oder Poliomyelitis auslöst. Ursprünglich war das Virus weltweit verbreitet; in den Tropen traten Epidemien ganzjährig auf, in gemäßigten Breiten vor allem im Sommer. In Endemiegebieten ist das Virus unter anderem auch in Abwässern nachweisbar; in der Umwelt soll es mehrere Wochen vermehrungsfähig bleiben. Der einzige natürliche Wirt und damit das einzige bekannte Reservoir ist der Mensch. Nur in seltenen Fällen, bei zirka 1 % der Infektionen, befallen die Viren auch Nervenzellen, und zwar vorzugsweise die für die Muskulatur wichtigen Vorderhornzellen im Rückenmark. Dies führt dann zum Krankheitsbild der Kinderlähmung.

Machados Mutter starb, als er zwei Tage alt war. Im Alter von zwei Jahren erkrankte er an Kinderlähmung – das Ergebnis einer der letzten großen Ausbrüche der Krankheit in Brasilien. In den 1970er Jahren waren Kinder mit Polio in einem „Torpedo“ eingeschlossen – eine Art eiserne Lunge – und die Ärzte im Krankenhaus gingen von einer Lebenserwartung ihrer Patienten von maximal 10 Jahren aus.

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Paulo war zusammen mit Eliana, Pedrinho, Anderson, Claudia, Luciana und Tania mehr als 10 Jahre in der Klinik von Sao Paulo. Einer nach dem anderen starb – nur er und Eliana sind noch am Leben. Machado bezeichnet den Verlust seiner Freunde wie eine „Zerstückelung“, eine „körperliche Verstümmelung“. Die Ärzte verstehen nicht ganz, warum das Paar seine Altersgenossen so lange überlebt hat. Machado hat seine eigene Erklärung. „Unser Verhältnis ist entscheidend. Einige Leute denken, wir sind wie Mann und Frau – aber wir sind mehr wie Bruder und Schwester“.

Beide teilen sich ein Zimmer im Krankenhaus. Eliana hat ihren Teil mit Büchern und Puppen gefüllt, auf Machados Seite schmücken Filmposter und Star-Trek Figuren Tisch und Wände. Die Gefahr einer Infektion bedeutet, dass sie im Krankenhaus leben müssen. Reisen nach außerhalb sind selten, aber einprägsam. Laut Machado hat er die medizinische Einrichtung in den letzten Jahren mindestens 50 Mal verlassen. Fortschritte in der medizinischen Technologie bedeuten, dass „Ausgehen“ beinhaltet weniger schwere Ausrüstung und weniger ärztliche Aufsicht. Paulo und Eliana sind älter geworden und damit bereit, mehr Risiken einzugehen.

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„Es gibt einige [Ausflüge], die prägend waren und in Erinnerung bleiben. Ich erinnere mich besonders gerne daran, als ich mit 32 Jahren das erste Mal im Leben den Strand sah. Ich öffnete die Autotür und sah auf das Meer und dachte Wow! Was ist das“!, so Paulo in einem Interview mit BBC. „Ich habe den Strand nur aus Fotos, Filmen, Postkarten und durch Geschichten von anderen Menschen gekannt – so hatte ich ein Bild in meinem Kopf, wie das ganze wohl aussehen könnte. Es war wunderschön. Sie haben mich und Paulo aus dem Rollstuhl gehoben und uns auf eine Liege am Strand gelegt“, freut sich Eliana. Sie erinnert sich an das Gefühl, als Meerwasser über ihre Hände floss. „Wir konnten diesen kleinen Moment genießen, den viele Menschen für selbstverständlich halten und hörten nicht auf zu staunen“.

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Projekte für die Zukunft verfolgen beide. Im Mai war es ihnen gelungen, mit einer Online-Kampagne 65.000 Dollar zu sammeln. Damit dreht das Paar einen animierten 3D-Film mit dem Titel: „Die Abenteuer von Leca und ihren Freunden“. Der Film in Stop-Motion-Technik (ähnlich der Aardman Animation in Filmen wie Wallace und Gromit) basiert auf einem Buch, das Eliana Zagui mit einem Stift im Mund gemalt geschrieben hat. Machado wollte sein Leben mit Eliana darstellen. Sie ist Leca – der Film ist die Geschichte der Freunde von der Polio-Station. Regie führt Paulo, der in seinem Zimmer zwei leistungsstake Computer hat und damit auch die Animationen entworfen hat.

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„Ich glaube, dass meine Charaktere realistisch sind. Sie wurden von jemandem entworfen der genau weiß, mit welche Schwierigkeiten ein Behinderter konfrontiert wird. Ich weiß genau, wie diese Probleme aussehen“, so Machado.

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