Wie sich Straßenkinder in Haiti unterhalten

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Straßenkinder in Haiti (Foto: Otto Hegnauer/latinapress)
Datum: 14. Oktober 2013
Uhrzeit: 10:02 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Otto Hegnauer
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Nun ein Wort zu den heutigen Unterhaltungssujets der Kinder in Haïti. Ich sehe da Positives und Negatives. Letzteres zweifellos die Päng-pong-Kultur, die jeden Abend rundum zu hören und zu spüren ist. Ich meine mitnichten die richtigen Pistolenhelden, die mit ihren Schiessereien Nacht für Nacht Angst und Schrecken verbreiten. Und Ungewissheit, denn es könnte mal ja wirklich ein Opfer geben, auch wenn das seit langem nicht mehr der Fall war. Ich glaube es sind nur die postpubertären Pistolenhelden, die ihre Hülsen auf Kosten ihrer Schutzpflichtigen los werden wollen. Aber eben, „ich glaube“. Du kannst ja drin bleiben innerhalb der stählernen Türen, bist selber Schuld, wenn Du Dich in vermeintliche Gefahr begibst. Und glauben, was du willst.

Ich meine auch nicht die Ping-Pong-Diplomatie, wie man die politische Annäherung der Volksrepublik China und der USA in den 70er Jahren mit Hilfe des Tischtennissports bezeichnet. Nein, ich meine das onomatopoetische (lautmalerische) Geplärr, das zehnjährige Knirpse schreihalsig von sich geben, zu Hunderten im ganzen Dorf. Denn das ist jenseits von Gut und Böse. Päng-pong, Pong–pong, Peng-ping tönt es tausendfach in der Schlucht von allen Seiten und Winkeln, aus allen Ecken und Verstecken hervor. Und die Erwachsenen hocken vollzählig hinter immer aufgespürten Fernsehschirmen, die weltweit ein einziges Thema kennen: Goal, Geschrei und Schüsse. Wenigstens EIN englisches Wort.

Was sich vor dem „Schulhaus“ tut, in dem wir erst noch mit 40 Strassenkindern ESMONO begannen, muss fast als traurig bezeichnet werden. Ein einziger Knirps rennt einem einsamen Fussball nach und versucht, den in der Runde zu behalten. Bei dem unebenen Boden ein Kunststück.

Erfreulicher die Sprayerei auf der Aussenmauer, da waren Grössere am Werk: „to bloke zanmy pou la vii“ (behaltet eure Freunde das ganze Leben lang, Rest nicht mehr lesbar). Vielleicht hatten die MICH im Sinn, ich bin wohl der einzige Alte, der in Haïti geblieben ist und nicht zurückkehrte in seine Ur-Heimat.

Auf dem holperigen, schmalen Kretenweg über der Schulhaus-Schlucht zieht ein Knirps sein selbst gebasteltes Spielzeug an einer langen Schnur hinter sich her. Es ist ein Camion aus Plastik-Abfällen, beladen mit ausgedienten Batterien und weiteren Abfällen, mit bunt bemalten Holzrädern und scheinbar sogar flexiblen Achsen, so richtig dem Gelände angepasst. Da ist Fantasie-Bildung mehr am Werk als mit dem ferngesteuerten Modell-Lastwagen aus dem Schlaraffenland, und ein besseres Recycling ist nicht mehr denkbar.

Einige Meter höher bietet sich ein Schnappschuss spielender Kinder, aufgenommen auf dem gleichen, schmalen Kretenweg über der Schulhaus-Schlucht, diesmal aus meinem Schlafzimmer-Fenster. Der enge Platz ist für die Kinder kein Hindernis. Sie machen stundenlang Geschicklichkeits-Hüpfspiele zwischen ausgelegten Steinen oder Ritzzeichnungen auf dem Boden.

Ein Kleiner rennt einer zerbeulten Fahrradfelge nach und versucht sie mittels eines Zweiges zu lenken und am Laufen zu halten. Einmal aufwärts, kurz darauf wieder abwärts. Dass dies alleweil gelingt, grenzt an ein haïtisches Wunder, besonders wenn du noch die steinig-höckerige Beschaffenheit des „Trassees“ in Betracht ziehst. Auch Werfen von Gegenständen nach Zielen und deren Treffen erinnert stark an Bowling und ähnliche Spiele in „entwickelten Landen“. Die Kids sind unermüdlich im Erfinden immer neuer Herausforderungen. Nein, Langeweile kennen die nicht!

Beim Einnachten „wetterleuchtet“ es im „eigenen“ Haus besonders erfreulich . Gestern abend, es waren wohl ihrer Zehn oder mehr im Nachbarzimmer, war der Nachbar Charlie, etwa 17, bei den Kindern und unterhielt sie so fabelhaft, dass sie selbst das Einschalten des Fernsehers vergassen. Es jubelte und brodelte, klatschte und applaudierte unisono, fast hätte ich Lust verspürt hinüber zu gehen, mit zu jubeln und mit zu plauschen.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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