Explorationsrechte für Mega-Offshore-Ölfeld: Proteste gegen den Ausverkauf Brasiliens – Update

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Sicherheitskräfte schirmen das Hotel Windsor Barra ab (Foto: Tânia Rêgo/Agência Brasil)
Datum: 21. Oktober 2013
Uhrzeit: 15:18 Uhr
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Die brasilianische Regierung will am Montag (21.) um 15:00 Uhr Ortszeit die Explorationsrechte für ein Mega-Offshore-Ölfeld vor der Atlantik-Küste versteigern. In rund 5.000 Metern (16.500 ft) Tiefe werden etwa 8 bis 12 Milliarden Barrel (159 Liter) Öl unter einer dicken Salzschicht („Pré-Sal“) vermutet. Bereits am Montagmorgen kam es vor dem Versteigerungsort der Bohr-Konzessionen (Hotelkomplex) und im angrenzenden Stadtteil Barra da Tijuca in Rio de Janeiro zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten. Mitglieder der Gewerkschaften werfen der Regierung den Ausverkauf Brasiliens vor, die Polizei feuerte Tränengas auf die protestierende Menge.

Seit Donnerstag (17.) streiken Arbeiter der Erdölindustrie auf 40 Förderanlagen. Laut der Gewerkschaft der Erdölarbeiter (Federação Única dos Petroleiros, FUP) fordern die Beschäftigten eine Lohnerhöhung von rund 16,5 Prozent, das zur Hälfte vom Staat kontrollierte Mineralölunternehmen Petrobrás bietet aktuell 7,68 Prozent. Hauptsächlich protestieren die Arbeitnehmer allerdings gegen den Verkauf der Förderrechte an ausländische Erdölkonzerne.

lager

Auf dem „Campo de Libra“ ruhen viele Hoffnungen. Die Tiefsee-Ölreserven werden euphorisch als Filé Mignon bezeichnet und als größte Entdeckung, die Brasilien je (im Öl-Bereich) gemacht habe. Die Entdeckung des „schwarzen Goldes“ könnte die bekannten Ölreserven potenziell verdoppeln. Die Konzessionen schreiben vor, dass der Staat Eigentümer der Reserven und Petrobrás im Rahmen einer Kooperation mit 30 Prozent an Förderung und Produktion beteiligt sein soll. Dennoch befürchten die Arbeiter zukünftig einen Arbeitsverlust und Kritiker argumentieren, dass Brasilien das Monopol der Exploration seiner Ölreserven schützen sollte.

Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas sieht ihre Zukunft trotz der Gefahren einer Erdölförderung aus Lagerstätten in der Tiefsee in seinen scheinbar riesigen Offshore-Erdölreserven. Laut Analysten sind dabei die Regelungen und Kontrollen der brasilianischen Öl-Industrie strenger als die der USA. Eine Erdölförderung aus Lagerstätten, die sich unter Gewässern befinden („Off-shore-Gewinnung“), bereiten besondere Schwierigkeiten. Hier müssen zur Erschließung der Lagerstätte auf dem Gewässergrund stehende oder darüber schwimmende Bohrplattformen eingerichtet werden, von denen aus gebohrt und später gefördert werden kann. Seit Anfang der achtziger Jahre ist die Menge neu entdeckter Ölvorkommen im Gegensatz zum kontinuierlich steigenden Verbrauch rückläufig, was die Ausbeutung der mit unter vergleichsweise hohem Aufwand und technischen Risiken verbundenen Ölreserven aus der Tiefsee für Unternehmen interessant macht.

Vor der Küste des Landes werden insgesamt 60 Milliarden Barrel Öl und Gas vermutet, Schätzungen gehen sogar von bis zu 100 Milliarden aus. Die brasilianische Ölfördergesellschaft Petrobras fördert heute bereits 25 Prozent aus allen weltweit tiefer als 500 Meter unter dem Meeresspiegel liegenden Quellen. Bis 2015 soll die brasilianische Produktion auf 4,2 Millionen Barrel täglich gesteigert werden, überwiegend aus Tiefseequellen gefördert. Brasilien Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bezeichnete das gigantische Vorkommen als “ein Geschenk Gottes”, welches dem Land die “zweite Unabhängigkeit” gewährt und Brasilien unter die Top-10 Öl-Produzenten der Welt katapultiert.

Die riesigen Vorkommen führen allerdings auch zu Verstimmungen. Die brasilianische Regierung verkündete bereits kurz nach Bekanntgabe der Funde grandiose Pläne zur Verbesserung der Lebenssituation ihrer Bürger in ganz Brasilien. Die Kommunalverwaltungen der brasilianischen Bundesstaaten liefern sich bereits im Vorfeld erbitterte Auseinandersetzungen über die Aufteilung der zu erwartenden Geldströme. Mehrere Umweltorganisationen weisen darauf hin, dass Brasilia die Risiken der Offshore-Erdölförderung sorgfältig abwägen muss. Der entscheidende Punkt ist dabei die 200-Meter-Grenze. Bis dahin können Taucher noch gemeinsam mit Robotern arbeiten und im Notfall effektiv handeln. Die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko (Deepwater Horizon) soll die Politiker zum Nachdenken bewegen, ob sie weiter die Erlaubnis zum Fördern von Öl und Gas in der Tiefsee erteilen.

Update:

Nach Angaben der Nationalen Erdölagentur „Agencia Nacional de Petróleo“ wird sich ein Konsortium von fünf Ölmultis die größten Ölvorkommen Brasilien für die nächsten 35 Jahre teilen. Petrobrás erhält nach der Versteigerung der Lizenzen 40% und damit 10% mehr als die gesetzliche Mindestvorgabe, das französisches Mineralölunternehmen Total SA und die anglo-holländische Royal Dutch Shell je 20% und die beiden chinesischen Unternehmen National Petroleum Corp und National Offshore Oil Corporation jeweils 10% der Explorationsrechte.

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