Lateinamerika: Die Dämmerung der „Neo-Linken“ in Argentinien und Venezuela

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Maduro und Kirchner im Gedenken an Hugo Hugo Chávez (Foto: Casa Rosada)
Datum: 27. Oktober 2013
Uhrzeit: 13:41 Uhr
Leserecho: 3 Kommentare
Autor: Redaktion
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Seit dem Beginn der weltweiten Wirtschaftskrise haben linksgerichtete lateinamerikanische Politiker und Experten das Ende des wirtschaftlichen „Neoliberalismus“ in ihrem Teil der Welt prophezeit. Fünf Jahre nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers wird die Welt stattdessen Zeugen der Dämmerung der wirtschaftlichen „Neo-Linken“ in Lateinamerika.

Venezuela und Argentinien sind die beiden Nationen, die inbrünstig staatliche Eingriffe in die Wirtschaft vorgenommen haben und trotz umfangreicher Preiskontrollen die höchste Inflation und andere schwerwiegende Probleme in der Region haben. Noch vor Ende des Jahres haben die Wähler in beiden Ländern die Chance, ihre Frustrationen an der Wahlurne auszudrücken – wenn auch noch nicht die Möglichkeit, ihre aktuellen Regierungen abzuwählen.

Argentinien führt am Sonntag (27.) Kongresswahlen durch, während in Venezuela am 8. Dezember die Kommunalwahlen anstehen.

Nach fast 15 Jahren der „Bolivarischen Revolution“ durch den am 5. März 2013 verstorbenen Hugo Chávez liegt das Schicksal des südamerikanischen Landes nun in den Händen seines Nachfolgers, Nicolas Maduro. Das erdölreichste Land der Welt steht vor einem chronischen Mangel an grundlegenden Gütern, intermittierend und gemildert nur durch Notfall-Einfuhren aus produktiver wirtschaftenden Nationen.

Vor wenigen Tagen hat Finanzminister Nelson Merentes internationales Gelächter und den Spott der Oppositionspolitiker auf sich gezogen. Venezuela dürfte in diesem Jahr erneut eine der höchsten Inflationsraten der Welt vorweisen, will aber laut Merentes 2014 die Teuerungsrate auf 26 bis 28 Prozent drücken. Allein in den ersten neun Monaten des laufenden Jahres registrierte das südamerikanische Land eine Inflation von offiziell rund 39 Prozent. Das Ziel lag zwischen 14 bis 16 Prozent.

Die 26 bis 28 Prozent sind etwa vergleichbar mit der „wahren“ Höhe der Inflation in Argentinien, obwohl die Regierung selbst diskreditiert Zahlen von nur 10,6% bestätigt. Allerdings hat Präsidentin Cristina Fernández ihr Bestes getan, um das Leben für diejenigen schwer zu machen, die der offiziellen Darstellung widersprechen. Chef Vollstrecker und Handelssekretär Guillermo Moreno hat versucht, rechtliche Schritte gegen jeden einzuleiten, der von falschen und bewusst manipulierten Daten spricht.

Herr Moreno ist auch dafür zuständig, dass argentinische Supermärkte Waren zu künstlich eingefroren Preisen verkaufen müssen. Seit Anfang Juni gelten für 500 Produkte Preiskontrollen. Im Juli mussten vier Supermärkte vorübergehend schließen, da sie sich nicht an die staatlich verordneten Maßnahmen gehalten hatten. Kurz danach forderte Moreno die Argentinier auf, wegen saisonalen Mangels 60 Tage keine Tomaten mehr zu essen. In der Tat haben die Preiskontrollen aber wie in Venezuela zu einer tendenziellen Verknappung der Produkte geführt – darunter Brot und andere grundlegende Güter.

Da die Justiz in Argentinien im Gegensatz zu Venezuela noch nicht in den Händen der Regierungspartei ist, holte Moreno die Realität rasch ein. Richter Claudio Bonadio hat wegen Amtmissbrauch Anklage erhoben. Moreno wird beschuldigt, seine Befugnisse überschritten zu haben, als das ihm unterstehende Sekretariat im Jahr 2011 Strafzahlungen gegen eine Reihe von privaten Meinungsforschungsinstituten ausgesprochen hatte, die eigene Inflations-Schätzungen publiziert hatten. Moreno drohen nun bei einem Schuldspruch bis zu zwei Jahre Haft und Entfernung aus allen öffentlichen Ämtern, weiterhin wurde ein Embargo gegen 50.000 Pesos des Vermögens Morenos ausgesprochen.

Eines haben Venezuela und Argentinien allerdings gemeinsam. In beiden Ländern kämpfen die Staatsoberhäupter mit allen Mitteln darum, das Erbe eines ideologischen Seelenverwandten zu wahren. Während Maduro sich mit dem verstorbenen Chávez unterhält, kleidet sich Fernández auch drei Jahre nach dem Tod ihres verstorbenen Mannes und Ex-Präsidenten Néstor Kirchner immer noch in Mitleid erweckenden Trauerflor.

Die argentinische Präsidentin wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach von der politischen Bühne verabschieden. Verfassungsrechtlich ist eine dritte Amtszeit ausgeschlossen, der Stern des Peronismus ist am sinken. Eine erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit im Kongress, die es ihr erlauben würde das Verbot der Verfassung auszuhebeln, liegt nach den letzten Umfragen in weiter Ferne.

Offiziell muss Venezuelas Präsident Maduro erst 2018 den Wählern wieder ins Gesicht blicken. Mehrere nicht staatliche Meinungsumfragen belegen allerdings, dass er zum aktuellen Zeitpunkt keine Chance gegen Oppositionsführer Henrique Capriles Radonski hätte. In der Tat gab es sieben Abwertungen des Bolivar seit der Umarmung durch den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ und Analysten prognostizieren, dass es bald eine achte geben wird – allerdings erst, nach dem die Kommunalwahlen stattgefunden haben.

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  1. 1
    Martin Bauer

    Das klingt fast so, als seien die Linken durch den Crash von Lehman Brothers aufgestanden, um in ihrer Einflusssphäre die armen Menschen vor den üblen Auswüchsen des Kapitalismus zu schützen. Tatsächlich jedoch geht es hier einem Konglomerat von Taugenichtsen und Verbrechern um die Wahrung der vermeintlichen Chance, ihre persönlichen Interessen voranzutreiben, auf Kosten ihrer Völker. Sie nutzen dem Gemeinwohl weitaus weniger, als auch die schlimmste vorstellbare kapitalistische Katastrophe, nach der ja bald wieder viel mehr als vorher verdient wird. Auch im besten Sozialismus lebt es sich unfreier, ärmer, hoffnungsloser und aussichtsloser als in den Klauen des bösen Grosskapitals, von dessen reich gedeckten Tischen stets jede Menge dicke Brocken für das Volk abfallen, nicht nur Krümel.

    • 1.1
      Marco Calde

      da muss ich Herrn Bauer auch mal recht geben. Die Krisen in Vzla und Arg haben nichts mit Neo-Linken, was auch immer das sein mag, zu tun, sondern mit der Wirtschaftspolitik. Brasilien hat auch eine sozialdemokratische Regierung, deren Wirtschaftspolitik sich sehr stark unterscheidet. Chile hatte jahrelang sozialdemokratische Regierungen mit einer soliden Wirtschaftspolitik. Auch Herr Kirchner hat seinen Teil dazu beigetragen Arg wieder aus der Krise zu führen. In Peru kenne ich mich nicht so gut aus, aber das Land hat auch einen „Neo-Linken“ Präsidenten und scheint doch einen sehr gemäßigten linken und eher wirtschaftsfreundlichen Kurs zu fahren.

      Und wenn wir schon bei Krisen sind. Wenn der neoliberale Kurs denn so toll sein soll, wie kamen dann die Krisen in Vzla und Arg in den 90er und 00er Jahren zustande?

      • 1.1.1
        Herbert Merkelbach

        Ganz einfach: wenn die Verantwortlichen in einer Regierung mehr ausgeben als dass der Staat einnimmt. Siehe Beispiel Griechenland.
        Sehen Sie sich bitte die Exporte Argentiniens und Venezuelas während dieser Zeiträume an: es wurde mehr importiert als exportiert. Dazu noch eine zu hohe Staatsverschuldung.
        In Bezug auf Venezuela muss noch gesagt werden dass der Ölpreis zu dieser Zeit bei etwas US$ 15-20,- pro Fass lag.
        Die Problematik mit der Ökonomie Venezuelas seit 1998 muss an dieser Stelle wohl nicht mehr erklärt werden.

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