Lateinamerika und Karibik: „PetroCaribe“ wird zunehmend zum russischen Roulette

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Einige der ärmsten Karibiknationen verschulden sich auf Jahrzehnte (Foto: Archiv)
Datum: 05. August 2014
Uhrzeit: 10:31 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Redaktion
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Das im Jahr 2005 gegründete Abkommen „PetroCaribe“ ermöglicht es den karibischen und lateinamerikanischen Mitgliedsstaaten, von Venezuela Erdöl zu vorteilhaften Bedingungen zu kaufen. Mit über 30 Cent pro Kilowattstunde zahlen die Verbraucher in den karibischen Staaten etwa vier Mal mehr als der Stromverbraucher in den Vereinigten Staaten. Diese hohen Energiekosten sind dem Ölsubventionsprogramm geschuldet, die günstigen Kondidionen sind nicht nachhaltig. Einige der ärmsten Karibiknationen verschulden sich auf Jahrzehnte und werden von ihrer Schuldenlast erdrückt. Internationale Energieexperten forderten die karibischen Regierungen bereits mehrfach dazu auf, dringendst zuverlässigere Kraftstoffalternativen zu erkunden.

Die venezolanische Wirtschaft befindet sich auf einer anhaltenden Talfahrt. Aufgrund der notorischen Devisenknappheit können die Bewohner des erdölreichsten Landes der Welt keine ausreichenden Mengen an Grundnahrungsmitteln kaufen, Windeln oder sogar Toilettenpapier sind Mangelware. Bei einem Energie-Experten-Treffen in Washington wurde die Frage diskutiert: „Was passiert mit den 17 Mitgliedsländern des Bündnisses, wenn Caracas seine großzügigen Kreditsubventionen zurückzieht/kürzt“?

„Sicherlich gibt sich Caracas alle Mühe, diesen Schritt zu vermeiden. Die sich rapide verschlechternde wirtschaftliche Situation Venezuelas hat allerdings schon zu einer Verlangsamung der Ölproduktion geführt und könnte in einer nicht mehr allzu fernen Zukunft dazu führen, dass es zu einer Energiekrise an unseren Küsten kommt“, erklärte Jason Marczak, stellvertretender Leiter des amerikanischen Think-Thank “Atlantic Council”. Am 16. Juli hatte die „Denkfabrik“ eine 24-seitige Studie “Uncertain Energy: The Caribbean’s Gamble With Venezuela“ veröffentlicht. Anlässlich einer Podiumsdiskussion nahmen mehrere Experten dazu Stellung.

„Die Mitgliedsstaaten verwenden die Ersparnisse durch das verbilligte Öl auch zur Finanzierung ihrer Regierungen. PetroCaribe hat sich in seinem Kern immer mehr zu einem Kreditfinanzierungsprogramm entwickelt und ist für Venezuela zu einem enormen politischen Erfolg geworden“, analysierte David Goldwyn, Autor der Studie und ehemaliger State Department Koordinator für internationale Energiepolitik. „“Der Kauf von Rohöl und Produkte auf der Basis billiger Kredite hat diesen Ländern eine enorme Schuldenlast von 10 bis 20 Prozent ihres BIP beschert“, fügte er hinzu.

Goldwyn bezeichnet es als bedrohlich, dass die Öllieferungen zu Sonderkonditionen das Abrücken von Heizöl und Diesel zur Stromerzeugung verzögert haben. Die Verwendung von teurem Heizöl hat dazu geführt, dass die Stromkosten sehr hoch sind. Eine Kilowattstunde kostet in den Ländern der Karibik durchschnittlich 33 Cent, während der US-Durchschnitt bei einem Cent liegt. Die ist ein Grund dafür, dass die Volkswirtschaften der Karibik nicht konkurrenzfähig sind.

„Es ist außerordentlich schwierig für diese Länder, von der Sucht loszukommen. Ob sie wollen oder nicht, sie haben keine Wahl und sind auf die Lieferungen aus Venezuela angewiesen. Aufgrund einer sinkenden Ölproduktion fehlt es Caracas immer mehr an Devisen und das Land ist nicht in der Lage, Windeln, Toilettenpapier und verschiedene Grundnahrungsmittel in ausreichender Menge zu importieren. Angesichts dieser Tatsache und den offensichtlichen Missständen im Land wird es für die Regierung immer schwerer, den buchstäblichen Verkauf von Öl gegen Bohnen zu rechtfertigen. Die Gefahr einer kompletten Abschaltung des Programms ist eigentlich recht niedrig, aber die Auswirkungen auf die im Moment noch profitierenden Volkswirtschaften könnten katastrophal sein“, warnt Goldwyn.

Laut Jorge Piñón, Energie-Experte kubanischer Herkunft, ist die die Herausforderung für die Petróleos de Venezuela (größte Erdölgesellschaft Lateinamerikas und Venezuelas größter Exporteur) der Cashflow. „Die einst florierende PDVSA hat sich in eine politisierte Institution des Staates umgewandelt und das ist es, was die ganze Situation sehr kritisch macht. Die PDVSA veröffentlicht keine aktuellen Finanzberichte. Die Achillesferse von Venezuela ist heute der Cashflow. Der Rohöl Warenkorb liegt bei unter 100 Dollar pro Barrel. Derzeit exportiert Venezuela 45.000 Barrel Rohöl pro Tag an PetroCaribe Länder und zusätzliche 76.000 Barrel pro Tag an raffinierten Produkten wie Benzin. Venezuela exportiert auch 85.000 Barell Rohöl und 6.000 Barrel raffinierte Produkte pro Tag nach Kuba. PetroCaribe ist ein äußerst großzügiges Programm und bietet eine Finanzierung zu besseren Konditionen als der IWF oder die Welt Bank“.

„Die Lieferungen aus Venezuela sind inzwischen zu einem politischen Problem für die Regierungen geworden und dienen zu deren Machterhalt. Sollte es zu einer Änderung der politischen Machtverhältnisse in Caracas kommen, gehen in einigen Ländern buchstäblich die Lichter aus. Wir glauben, dass die Länder der Karibik den Trend von Mexiko folgen und ihren Stromsektor reformieren sollen (von Heizöl auf Erdgas umwandeln). Wenn die karibischen Volkswirtschaften diese Umwandlung machen, können sie ihre Kosten für Strom senken und ihre Wirtschaft wettbewerbsfähiger machen“, schloss Goldwyn.

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  1. 1
    Inge Alba

    Man sollte den ganzen Kontinent in Vereinigte sozilistische Gesamtbrühe umbenennen, einen Präsidenten für diesen Kontinent wählen , bueno, bestimmen, der da heisst, Castro Nicolás der Ex- Kolumbianer, Minister sind alle schon vorhanden, aus jedem Land 2 von den besten linken Strategen, die Massen werden sie freudig inthronisieren. Dann wäre endlich der sozilistische Traum erfüllt, Erdöl von Allen für Alle, alles was es auf diesem Kontinent gibt ist für Alle da, Geschäfte / Tauschhandel kann man ja weiterhin mit den Russen und Chinesen machen, wenn die dann noch wollen.

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