Spiegel sind vielerlei. Sie erinnern sich zum Beispiel meines Artikels Die EPGFZ und die Kids von Suhr. Ich war in einer Sekundarschule eingeladen und durfte fast zwei Stunden lang mit den Kids – pardon – Lernenden über das Erdbeben in Haiti, welches sich die Karibikinsel Hispaniola mit der Dominikanischen Republik teilt, diskutieren und Fragen beantworten. Das erinnerte mich stark an meine eigene Zeit als Lehrer, zuerst an Primar- und Sekundarschulen, später an Lehrerseminar und Gymnasium. Am Anfang übrigens in einem ( Fast- ) Nachbardorf von Suhr. Meine Auftritte waren für mich ein Spiegelbild meiner Rolle vor 50 Jahren.
Anschließend bedankten sich Schüler und Schülerinnen mit dem Gutschein für einen neuen Fotoapparat, da mir der bisherige beim Pariser Überfall gestohlen worden war, die Schülerinnen zusätzlich mit einem selbst gebackenen, währschaften Kuchen. Ein Fotoapparat ist aber für mich fast lebenswichtig, pflege ich doch meine Geschichten stets mit einem Foto auszuschmücken. Das wird jetzt wieder möglich sein, denn vorübergehend musste ich auf langweilige Archivware ausweichen.
Für dieses sinnreiche Geschenk bin ich natürlich unendlich dankbar, denn damit kann ich jetzt wirklich weiterarbeiten! Die Kids von Suhr vergaßen aber auch meine in Paris gestrandete Mitarbeiterin Melissa keineswegs und sammelten tatsächlich über tausend Franken, die ich gleich nach Paris brachte und ihr überreichte. Einen Teil hat sie zum Überleben sofort an ihre Familie nach Port-au-Prince weitergeschickt, aus dem Rest kaufte sie später, bevor sich auf den 1.April ein Fluchtweg abzeichnete, für die vier Kinder Spielzeuge und Kleider. Die ebenfalls gesandten Briefe trafen gerade noch rechtzeitig, wenn auch mit dreiwöchiger Verspätung ein, Die Post tickt eben nicht überall so genau wie in der Schweiz.
Manchmal schreibe ich eine Geschichte und suche dann eine passende Illustration. Manchmal aber beginne ich auch mit einem Bild, das mir gefällt. Das Bild bringt mich auf Ideen für Texte, es kann ein Sinnbild für etwas sein, oder ein Spiegelbild. Es spiegelt meine Ideen und Phantasien. Wie heute zum Thema „Spiegelbilder“. Da steigen mir zuerst die obligaten Militärgeschichten in den Kopf, ich hab doch auch mal zur Schweizer Garde gehört, wie jeder und fast jede. Die Fremdenlegion ist ja für aufrechte Schweizer verboten.
Item, in rechten Armeen werden die Schießprügel mit Laufspiegeln auf Rostfreiheit und Schiesstüchtigkeit geprüft, Halbarten und Spieße sind heute out, und ein brüllender Waffeninspekteur zieht seine Show ab. Laufspiegel, Kugelzange, Kugelzieher, Ladestock, Putzschnur, Kupferbürsteli, Kaminschlüssel & Co. gehören zum Pflegeset von ausgereiften Waffenfans, unreife wie Kids laufen einander noch mit Plastikwaffen nach, die sind rostfrei und müssen nicht gespiegelt werden. Und mit Halbarten und Spießen zu spielen, da würde man ausgelacht. Klüger wäre allerdings, anderes als Töten zu spielen.
Spiegelchen gehören auch zum Pflegeset einer rechten Dame. Teens und Twens können sich nicht genug damit vergnügen, bewundern sich stundenlang in diesem Requisit, verdrehen und schwenken abwechslungsweise Spiegelchen, Kopf und Hals. Hie und da setzen sie mit dem Schminkstift ein paar Tupfer, schmieren mit dem Lippenstift noch mehr Grell und verstecken so ihre Blassheit, das ist modern. Dabei sind Spiegelspiele gar nicht modern, hieß es doch schon zu Großmutter Jugend „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönst‘ im ganzen Land?“ Man sagt, wer zu viel in den Spiegel schaue, werde eingebildet. Ich weiß, dass auch Zoo-Affen viel in den Spiegel glotzen, in der Natur haben sie keinen.
Menschen hatten früher Hemmungen, in den Spiegel zu schauen, ihre Stimme ab Tonband zu hören. Der Schock vor dem eigenen Abbild und der eigenen Stimme basierte auf der Angst, sich mit seinen Mängeln auseinander zu setzen. Von denen will man lieber nichts wissen. Video-Kameras und Handy-Technologien wirkten dem entgegen. Aber Spiegel bleiben eine der ältesten Kommunikations-Technologien überhaupt. Schon die alten Chinesen haben gezeigt wie das geht. Auch die Segelkapitäne haben Lichtzeichen mit Spiegeln genutzt, lange bevor Morse sein Alphabet erfand.
Ich empfand Spiegelbilder schon seit jeher als gerissen. Spiegel gibts allenthalben, man muss sie nur entdecken und nutzen, an Lampen, Möbeln, an der Armbanduhr, an tausend Dingen. Ein Spiegel ist eine halbe Fernseh-Kamera und billiger als eine Überwachungs-Kamera. Und man kann sie so gut einsetzen, um die Ecke sehen, mit Lichtflecken spielen und andere irritieren, den heimlichen Dieb im Supermarkt oder im Parkhaus entdecken, heimlich beobachten, ob sich die Schäflein wunschgemäß verhalten, oder ob kein unerwünschter Störefried eintritt, um einen kleinen „Verbrecher“ zu überraschen.
Also, zurück zu den Schülern von Suhr, die sich mit dem Gutschein für einen Fotoapparat für die EPGFZ von Haiti bedankten. Nochmals, es war toll bei euch, und ich bedanke mich mit dieser spiegelnden Geschichte, und zeige euch den Fotoapparat, den ich damit gekauft habe. Er wird mir erlauben, für meine Gschichtli wieder neue Schnapps zu schießen, statt immer in mürben Bildarchiven zu wühlen. Was liegt jetzt näher, als das erste Bild zu knipsen und mich dazu im Spiegel selbst abzulichten, samt Fotoapparat?
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