Petrobras-Skandal: Brasiliens Energieriese und Regierung unter Druck

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Präsidentin Dilma Rousseff war von 2003 bis 2010 Verwaltungsratsvorsitzende von Petrobras (Foto: GoV)
Datum: 22. November 2014
Uhrzeit: 15:01 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
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Brasiliens staatlicher Ölkonzern Petrobras galt seit jeher als ein Unternehmen der Superlative. In den letzten Jahren hat er sich nicht nur zum größten, sondern auch zu einer der am meisten international anerkannten Firmen in Lateinamerika entwickelt. Dem einstigen Vorzeigekonzern geht es inzwischen allerdings wie den meisten Staatsunternehmen Lateinamerikas, er wird wie in den Nachbarstaaten Venezuela und Argentinien zu Regierungszwecken missbraucht, manipuliert, ausgeplündert und heruntergewirtschaftet.

Aktuelle Untersuchungen durch die Bundespolizei und Staatsanwaltschaft machen die alten „lateinamerikanischen Krankheiten“ erneut sichtbar: die Korruption, die Missachtung parlamentarischer Regeln und die Instrumentalisierung der Justiz in der politischen Auseinandersetzung. Die aktuellen Korruptionsermittlungen rund um den Konzern könnten sich zu einem der größten Korruptionsskandale in der Geschichte Brasiliens entwickeln. Präsidentin Dilma Rousseff war von 2003 bis 2010 Verwaltungsratsvorsitzende von Petrobras und will von den illegalen Machenschaften nichts gewusst haben.

Die Welle ins Rollen brachte Paulo Roberto Costa. Der wegen Geldwäsche verurteilte Ex-Direktor von Petrobras hat schwere Korruptionsvorwürfe gegen das Unternehmen und über 60 Politiker erhoben. Costa war bereits im Juni dieses Jahres in Rio de Janeiro festgenommen worden, wegen Korruptions- und Geldwäschereivorwürfen saß er bereits im März vorübergehend im Gefängnis. Nun hat er offenbar einen Deal mit der Staatsanwaltschaft geschlossen und erhofft sich für sein angebliches Geständnis eine Minderung seiner zu erwartenden 30-jährigen Haftstrafe.

Am vergangenen Freitag durchsuchte die brasilianische Bundespolizei in sechs Bundesstaaten mehrere Firmensitze und verhaftete rund 23 Verdächtige. Unter ihnen sind mehrere Direktoren und Topmanager großer Baukonzerne und Ingenierbüros. Diese Firmen (Camargo Correa, OAS, UTC, Odebrecht, Mendes Junior, Engevix, Queiroz Galvao, Iesa und Galvao Engenharia), die auch den Wahlkampf von Präsidentin Rousseff unterstützten, sollen illegale Kartelle gebildet und Millionen-Schmiergelder für Petrobras-Aufträge (Gesamthöhe rund 22 Milliarden US-Dollar) gezahlt haben.

Schmiergeld soll zum Teil auch an Parteien, darunter die Arbeiterpartei von Präsidentin Dilma Rousseff, geflossen sein. Die Behörden ließen rund 270 Millionen US-Dollar Vermögenswerte verschiedener Verdächtigter sperren. Laut Costa haben Politiker bis zu 3% Provision auf die abgeschlossenen Aufträge erhalten. Marktanalysten und Investmentbanken gehen davon aus, dass die Auswirkungen der Korruptionsaffäre auf den brasilianische Ölriesen enorm sein könnte. Morgan Stanley zum Beispiel schätzt den Verlust der Vermögenswerte des Unternehmens auf 8,1 Milliarden Dollar, die Schweizer Großbank UBS schätzt die Schäden auf „etwas zwischen 10 und 15 Milliarden Dollar“.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Geldschiebereien bereits seit 15 Jahren durchgeführt werden. Verständlich deshalb die Aufregung und Nervosität in Brasilia. Angesichts der aktuellen Situation kann den Worten von Rousseff eine besondere Bedeutung beigemessen werden. „Dieser Skandal könnte das Land für immer verändern“, so Präsidentin Dilma Rousseff während des jüngsten G20-Gipfels in Australien.

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  1. 1
    Martin Bauer

    Warum nur überrascht mich das nicht…? – Ich kenne es aus Deutschland nicht sehr viel anders. Zentraleinkäufer grosser Firmen würden auch ohne Gehalt ihren Job machen. Die paar Kopeken brauchen die nicht.

    In den Siebziger und Achtziger Jahren hatte ich Einblick, da beruflich dort engagiert, in die Vergabe-Praktiken von öffentlichen Bauaufträgen. Nicht ein einziger davon lief ohne Koffer unter dem Tisch und ohne Preisabsprache der Anbieter Firmen. Wer da nicht mitmachen wollte, hatte keinen Zutritt.

    In den Neunzehnhundertneunziger bis frühe Zweitausender Jahre hatte ich Einblick, da beruflich dort engagiert, in die Vergabe-Praktiken von grossen Software Paketen. Ich will hier keine Namen nennen. Aber weltweit als „Industrie Standard“ definierte Produkte und Systeme haben diesen Status vor allem den „Koffern unter dem Tisch“ zu verdanken, und mal ein Eigenheim für diesen EDV-Leiter, eine kleine Yacht für jenen Manager. Ich war selber Zeuge, wie die Geschäftsleitung eines renommierten Finanzdienstleisters die Verteilung von Millionen an Schmiergeldern diskutierte, die sie erhielt um einem bestimmten, technisch sehr schlechten Software-Paket den Vorzug zu geben. Die Herren sind längst im Ruhestand, ihr einstiger Arbeitgeber lebt mit der Fehlinvestition weiter…

    Wenn in Deutschland Recht und Gerechtigkeit die Geltung hätten, die man von einer Demokratie erwarten sollte, müssten seine Gefängnisse voll sein, von Bestechern und Bestochenen.

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