Mikrozephalie und Pestizide: Keine Grundlage für diese Behauptung

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Roberto Bertollini - (Foto: European Union 2016 - EP)

Der Zika-Virus steht im Verdacht, für Schädelfehlbildungen (Mikrozephalie) bei Neugeborenen verantwortlich zu sein. Die Seuche breitet es sich in ganz Lateinamerika und der Karibik aus, besonders Brasilien, Kolumbien und Venezuela sind von der Geußel betroffen. Der Ausschuss für Umweltfragen und öffentliche Gesundheit debattierte am Mittwoch (17.2.) mit Vertretern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) über das Thema. Nach dem Hearing gab der leitende Wissenschaftler und Repräsentante der WHO bei der EU, Roberto Bertollini ein Interview. Er versicherte, Zika sei eine „milde Krankheit“, die unter Kontrolle gebracht werden könne.

Der Zika-Virus ist seit 1947 bekannt. Warum wurde bisher nicht versucht, einen Impfstoff zu entwickeln?

Es handelt sich hierbei um eine von zahlreichen Krankheiten, die uns zwar bekannt sind, für die jedoch kein Impfstoff existiert, da die Krankheit nur in bestimmten Gebieten auftritt und „mild“ verläuft, wie in diesem Fall. Erst vor Kurzem, mit dem Auftreten erster Mikrozephalie-Fälle in Französisch-Polynesien 2013 und 2014 wurde Alarm ausgelöst. Nun ist die Lage ernst und von Seiten der Öffentlichkeit und der Regierungen wird Druck ausgeübt, Impfstoffe zu testen.

Wie lange wird es dauern, einen Impfstoff zu entwickeln? Wie hoch ist die Erfolgswahrscheinlichkeit?

Ich glaube an den Erfolg. Wir haben nun viel Erfahrung mit dem Ebola-Impfstoff gesammelt. Es ist uns gelungen, in kürzester Zeit einen Ebola-Impfstoff zu entwickeln, der einen beinahe kompletten Schutz liefert. Wir sind optimistisch, dass wir in den kommenden 15 bis 18 Monaten einen ersten Impfstoff testen können. Die Ebola-Krise hat dazu geführt, dass sich die Haltungen geändert haben.

Besteht die Gefahr, dass sich die Krankheit in der EU ausbreitet? Sind wir für den Ernstfall vorbereitet?

Im schlimmsten Fall gelangen die Moskitos nach Europa und die Krankheit wird durch Moskitostiche übertragen. Es gibt jedoch auch das Szenario, dass die Krankheit über Moskitos, die in bestimmten Ländern Südeuropas bereits heimisch sind, übertragen wird. Wir haben starke öffentliche Gesundheitssysteme. Im besten und meiner Ansicht nach auch wahrscheinlichsten Fall können wir so das Problem rasch erkennen, falls es auftritt. Wir können das Gebiet isolieren, die Moskitos töten und die Infektion kontrollieren.

Sind wir nun 100-prozentig sicher, dass Mikrozephalie durch Moskitostiche und den Zika-Virus ausgelöst wird? Oder können auch andere Faktoren dafür verantwortlich sein?

Der Virus wurde im Gehirn von Neugeborenen lokalisiert. Das deutet stark auf eine Verbindung hin. Dennoch können wir andere Faktoren – wie genetische Faktoren oder andere Viren nicht ausschließen.

Man hört, Pestizide (Pyriproxyfen), die unserem Trinkwasser beigefügt werden, könnten die Auslöser für Mikrozephalie sein…

Dieses Pestizid wird nun über 20 Jahre lang verwendet. Es gab nie einen Fall einer Fehlbildung. Es wird als so sicher eingestuft, dass es dafür eingesetzt wird, unser Trinkwasser zu desinfizieren. Vorerst bin ich der Ansicht, dass es also keine Grundlage für diese Behauptungen gibt.

Werden die Programme zur Moskitobekämpfung Erfolg bringen? Was halten Sie von Ideen, gentechnisch veränderte Moskitos oder Wolbachia-Bakterien einzusetzen?

Die Überträger sind nun immun gegen eine Vielzahl von Insektiziden. Wir benötigen deshalb neue Mittel und es gibt drei Möglichkeiten. Zum einen die gentechnisch veränderten Moskitos, die die Krankheit nicht übertragen. Zum zweiten eine Methode zur Sterilisierung von männlichen Moskitos durch Bestrahlung. Drittens die Bakterien, die männliche Moskitos unfruchtbar machen. Ich denke, diese Mittel sind effektiver als der Einsatz von Tonnen von Pestiziden. Die Moskitos werden dagegen immer resistenter.

Die Weltgesundheitsorganisation hat bekannt gegeben, sie benötige mehrere Millionen Dollar, um die Forschung zu finanzieren. Erwarten Sie einen Beitrag der EU?

Ja. Rund 53 Millionen Dollar werden benötigt. Davon gehen 25 bis 28 Millionen an die WHO und der Rest an andere Institutionen wie die UNICEF.

Interview: Europäisches Parlament

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