Mit der Harley auf Kuba: Cuban Harleys, mi amor

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Noch etwa 1.00 Harleys aus vorrevolutionärer Zeit sind heute auf Kuba unterwegs (Fotos: Fuge/Chemnitz)
Datum: 21. Februar 2016
Uhrzeit: 22:24 Uhr
Ressorts: Kuba, Welt & Reisen
Leserecho: 2 Kommentare
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Im Handgepäck lässt sich auf Flugreisen nach Kuba manch Nützliches transportieren. Insbesondere für Motorradliebhaber. Ein Zylinderkopf für die MZ beispielsweise. Im sozialistischen Inselparadies absolute Mangelware. Oder ein Kabelbaum für die Moto Guzzi. Jens Fuge hat etwas dabei, was für kubanische Harlisten noch wichtiger ist. Der tätowierte, knapp 1,90 Meter große Mann mit den langen grauen Haaren, gekleidet in die Kutte des Leipziger Chapters der Harley-Davidson-Fahrer trägt Stadtrucksack und Sporttasche als wären sie ein Fliegenschiss, dabei sind sie zusammen 50 Kilo schwer. 44 mehr als offiziell erlaubt. Sanft blickt er das Bodenpersonal mit der Waage an. Das konzentriert sich lieber auf den italienischen Fluggast mit dem Trolley hinter ihm. Exakt 50 Bildbände bringt Fuge so nach Kuba. Um ein Versprechen einzulösen. Als er zusammen mit dem italienischen Starfotografen Max Cucchi und der amerikanischen Reisejournalistin Conner Gorry für sein im Juli im Backroad diaries Verlag erschienenes Buch „Cuban Harleys, mi amor“ recherchiert hat, versprach er jedem darin Porträtierten ein Exemplar. Und für Jens Fuge – Journalist, Verleger, Inhaber einer Presseagentur und Chemie-Leipzig-Fan – gilt: ein Mann, ein Wort.

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Und so ist er im Januar gut 2.500 Kilometer über die kleine, aber lang gestreckte Insel gefahren, um die im Land verstreute, wohl weltweit skurrilste Harlistengemeinschaft zu besuchen. Erst vor gut zehn Jahren wurde sie von der übrigen Welt der Harley-Fahrer wiederentdeckt. Dabei ist Kuba eines der Länder, in dem das 1903 von Arthur Davidson und seinen Brüdern Walter und William S. Harley entwickelte Motorrad sehr rasch erfolgreich verkauft wurde. Selbst Polizei und Armee fuhren hier Harleys, bis zum Sieg der Revolution.Fuge war bei Leonid Ferrer Naranjo in Trinidad, bei Ronmel Calzadilla in Holguin. In Santiago de Cuba richtete Eliecer Des Paigne Rodrigez, Fritura genannt, ein Abendessen aus und berichtete traurig, dass es in der Heldenstadt zurzeit keine einzige fahrbereite Harley gibt. Die eine war irgendwo im Streit versunken und nicht nutzbar, die andere stand in Einzelteile zerlegt in einem Schuppen. Nicht mal Fuge konnte die Freunde mit Harley-Motoren-Klängen aufmuntern. Er war mit dem Mietwagen angereist. Als Mitternacht die Anderthalbliterflasche Rum, direkt aus der alten Bacardi-Fabrik beschafft, leer war, waren alle – typisch kubanisch – guter Hoffnung, dass alles irgendwie gut wird.

Seine Harley Sportster, Baujahr 2010, gönnte sich Jens Fuge erst Ende Januar. Da räumte er sie sorgfältig aus dem inzwischen angelandeten Schiffscontainer und ließ sie kurz darauf die Luft von Havanna schnuppern. Eine Ausfahrt auf dem berühmten Malecon. Obacht, hieß es. Denn das Meer ließ gerade die Wellen meterhoch gegen die Ufermauer anlaufen, wo sie sich brachen und sich überschlagend auf die Straße ergossen. Bereit, jeden zu durchnässen. Auch die Ausfahrt zum traditionellen Treffen der Oldtimer-Harleys im Badeort Varadero führt hier entlang. Am ersten Februarwochenende war es wieder so weit. Und in diesem Jahr war der dreisprachige Bildband aus Alemania eines der Gesprächsthemen. Wenn auch ein nicht ganz so wichtiges, wie das Fachsimpeln über die neuesten Tricks, mit denen sich die vorrevolutionären Maschinen am Laufen halten lassen. Und Fuge wurde von manchem Harlisten insgeheim beiseitegenommen und gefragt, ob er nicht rein zufällig eine Motorradbatterie dabeihätte … Immerhin, zwei Freunden konnte er damit eine riesengroße Freude machen.

Batterien sind fast nicht zu bekommen, Reifen ebenso wenig. Selten hat das seit 1962 geltende US-Embargo eine so durchschlagende Wirkung entfaltet wie bei den amerikanischen Motorrädern. Aus dem einstigen Harley-Land wurde ein Eldorado für MZ, Jawa und russische Maschinen. Einige neue Metzeler-Reifen aus Italien und Harley-Handbücher gelangten erst 2006 auf die Insel, als der dänische MC Travel mit ersten ausländischen Bikern und deren Motorrädern auf Kuba eintraf. Wer heute mit einer Harley-Davidson über die Straßen der Insel braust, dem ist die Aufmerksamkeit aller gewiss. Und als Ausländer ist man auf einer Zeitreise. „Mit all den amerikanischen Straßenkreuzern um dich herum, kommst du dir vor wie in den 50er-Jahren“, schwärmt Fuge.

Noch etwa 1.00 Harleys aus vorrevolutionärer Zeit sind heute auf Kuba unterwegs, die älteste ist Baujahr 1936. Sie alle verbindet amerikanischer Spirit und Erfindungsgeist mit kubanischer Erfindungskultur und Innovation. Generationen von Schraubern sind mit ihnen herangewachsen. Die alten Maschinen zu beherrschen, ist ein Kunststück. Fuge hat es ausprobiert. Allerdings ist er in Havanna nur um ein paar Ecken gekommen, ehe er aufgab: „Die hatte die sogenannte Selbstmörderschaltung, also einen Hebel, der aus dem Getriebekasten kommt und links neben dem Tank endet. Um zu schalten, musst du quasi den Lenker loslassen.“Für Fritura aus Santiago de Cuba ist das gerade der Reiz. Und überhaupt, mit den ostdeutschen oder russischen Maschinen mit ihren 250/350 Kubik sei eine alte Harley überhaupt nicht zu vergleichen: „Du sitzt wie auf einem Büffel oder Elefanten.“ Vibration und Motorsound seien einmalig.

„Die Motorräder sind längst nicht mehr amerikanisch, sie sind jetzt kubanisch. Sie wuchsen hier auf, haben ihre sozialen Wurzeln in Kuba und wurden mit so vielen kubanischen Teilen versehen, dass sie seit Langem schon ein Teil unserer Kultur sind“, zitiert Fuge Harleybesitzer Abel Pez. Und auf Kuba eine alte Harley in Schuss zu halten und zu fahren, bedeutet, auf alles gefasst zu sein. Letzteres bestimmt aktuell Fuges Einstellung zur Internationalen Buchmesse in Havanna, die vom 11. bis 21. Februar stattfindet. Hier wollte er seinen Bildband vorstellen, wollte erfahren, ob sich das kubanische Kulturministerium vielleicht für sein Werk interessiert. Vier Monate hat er mit einem deutschsprachigen kubanischen Anwalt diesbezüglich verhandelt. „Alles gut“, versichert dieser in unzähligen Telefonaten.

Vor Ort stellt sich heraus, dass es überhaupt keine Buchstände gibt, wie der Leipziger Fuge sie von der heimischen Buchmesse kennt. Dafür durfte er am Mittwoch einen Vortrag über seine Reisen mit der Harley quer durch Kuba halten. Vier Dollar kostete die Saalmiete, 75 Personen fanden in dem Raum Platz. Der Saal in der Festung Morro Cabana war übervoll. Viele illustre Gäste waren gekommen. Ernesto Guevara March beispielsweise, der Sohn von Che Guevara. Ernesto ist Rechtsanwalt, im Herzen aber Harleyfan und bietet Touren für Zweiradfans an. Natürlich ist er in Fuges Buch ebenfalls porträtiert. Auch Jesus ist gekommen, der Parkplatzwächter vom Platz gegenüber dem Capitolio. Dem hatte der schräge Sachse gefallen, auch wenn anfangs alles auf einer Verwechslung beruhte.

„Estadus Unidos?“, hatte er Fuge neugierig gefragt, als dieser seine Maschine abstellte, und beim Anblick des Mannes in der seltsamen Kutte sofort an eine dicke Brieftasche und den eigenen hungrigen Magen gedacht. Schnell war die geforderte Parkgebühr verzehnfacht. „Alemania, democratica, ehemals“, antwortete Fuge und halbierte kurzerhand den offiziellen Preis. Schließlich nehme seine Harley ja keinen ganzen Stellplatz ein. Und wehe, die Maschine stände dann nicht mehr da! Fuge klopfte dem Aufpasser auf die Schulter: „Jesus heißt du? Ich bin der Jens.“ Und schon verschwand die schmale braune Hand des untersetzten Habaneros in der weißen Pranke: „Das finde ich ja toll, Jesus passt auf meine Harley auf.“

Autor Peter Chemnitz lebt in Dresden und Santiago de Cuba und hat den Bildband „Cuba mi amor“ sowie die Biografie „Ach los, scheiß der Hund drauf. Das Leben des stern-Kriegsreporters Randy Braumann“ veröffentlicht.

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  1. Schöner Bericht!

  2. 2
    lothar bertram

    Das Problem der Reifen und der Baterien haben wir in Venezuela auch ,das ist der gleiche Sozia listische oder besser gesagt Kommunistische Scheiss wie in Kuba

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