Amtsenthebung in Brasilien und aktuelle Lage in Venezuela: Bundespressekonferenz in Berlin

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Frank-Walter Steinmeier ist Bundesminister des Auswärtigen Amtes (Foto: Screenshot YouTube)
Datum: 20. Mai 2016
Uhrzeit: 15:17 Uhr
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Autor: Redaktion
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Anlässlich der für maximal 180 Tage geltenden Suspendierung von Brasiliens Staatsoberhaupt Dilma Rousseff und der aktuellen Lage in Venezuela haben der Sprecher des Auswärtigen Amtes Dr. Martin Schäfer und Regierungssprecher Steffen Rüdiger Seibert in der Bundespressekonferenz vom 18.05.2016 auf Fragen von Journalisten geantwortet. Zum zweiten Mal in der Geschichte Brasiliens war am Donnerstag (12.) ein amtierendes Staatsoberhaupt für die Dauer von 180 Tagen von seinen Amtsbefugnissen entbunden worden. Nachdem am 29. September 1992 der Kongress mit 441 zu 38 Stimmen für die Absetzung von Präsident Collor de Mello stimmte und laut brasilianischer Verfassung sein Vizepräsident Itamar Franco die Amtsgeschäfte als amtierender Staatschef übernahm, stimmte der Senat mit 55 zu 22 Stimmen für eine Suspendierung von Präsidentin Dilma Rousseff. In Venezuela spitzt sich der Konflikt zwischen dem immer mehr zum Diktator abdriftenden Präsidenten Nicolás Maduro und der Opposition zu. Die Opposition will den bei der Bevölkerung äußerst unpopulären Nachfolger des 2013 gestorbenen Hugo Chávez per Referendum absetzen lassen, der auf Kuba ausgebildete Marxist will das in der Verfassung vorgesehene Abwahlreferum nicht zulassen und inszeniert einen dreisten Verfassungsputsch.

Auf die Frage „Ich möchte gern zu Brasilien kommen. Herr Seibert, ich habe bei Ihrem Bericht aus dem Kabinett vermisst, dass die Kanzlerin dem neuen brasilianischen Regierungschef ‑ ich weiß nicht ‑ zum Putsch oder zur Amtsübernahme gratuliert hätte. Herr Schäfer, wie bewertet das Auswärtige Amt die Situation in Brasilien? War das ein Putsch gegen Frau Rousseff?“. Darauf antwortete Schäfer: „Auf solche Wortspiele und einfachen Formulierungen lassen wir uns nicht ein. Das, was dort geschehen ist, ist jedenfalls nach den Regeln der Verfassung erfolgt. Der ehemalige Vizepräsident hat jetzt die Amtsgeschäfte übernommen. Jetzt muss nach den Regeln der brasilianischen Verfassung alles seinen richtigen Gang gehen. Noch ist das Amtsenthebungsverfahren, das in Gang gesetzt ist, nicht abgeschlossen. Wir werden uns hüten, uns von Berlin aus auf diese Art und Weise kommentierend auf die Verhältnisse in Brasilien und in Brasília einzulassen. Was man sagen kann, ist, dass es bedauerlich ist, zu sehen, dass ein so großes und starkes Land, dem im Sommer mit den Olympischen Spielen in Rio obendrein noch ein wichtiges Ereignis bevorsteht, derzeit durch wirklich schwere wirtschaftliche und politische Zeiten geht. Es ist in unserem Interesse, und es ist auch unser Wunsch, dass es Brasilien gelingt, so schnell wie möglich über diese Krise hinwegzukommen. Wir sind sehr zuversichtlich, dass ein starkes Land, eine Demokratie wie Brasilien es schafft, diese Krise zu überwinden“.

Zusatzfrage: „Die Frage an Herrn Seibert ist noch offen. – Herr Schäfer, heißt das, die Bundesregierung wird mit dieser Interimsregierung weiterhin ganz normal zusammenarbeiten? Ist es auch kein Problem, dass Herr Temer V-Mann der CIA war bzw. nachweislich mit der CIA zusammengearbeitet hat? Seibert: „Ich kann nur sagen ‑ Sie sagen es ja selber ‑: Herr Temer ist Interimspräsident für maximal 180 Tage oder für die Dauer des Impeachment-Verfahrens. Das beantwortet auch die Frage nach dem, was Sie im Kabinett vermisst haben. Schäfer: „Wir unterhalten diplomatische Beziehungen zu Brasilien und werden selbstverständlich auch mit dieser Regierung zusammenarbeiten“. Seibert: „Es ist sogar ein wichtiger strategischer Partner Deutschlands. Es ist das Land Lateinamerikas. Wir haben sehr enge und sehr vertrauensvolle Beziehungen mit Brasilien, wirtschaftlich sowieso sehr eng, aber auch politisch“.

Auf die Frage zur aktuellen Lage in Venezuela: „Heute hat sich Transparency International besorgt gezeigt. Man befürchtet, dass Nicolás Maduro die Sondervollmachten missbraucht, um den kritischen Teil der Bevölkerung zu (akustisch unverständlich). Herr Seibert, Herr Dr. Schäfer, nimmt das die deutsche Bundesregierung als einen legitimen demokratischen Prozess zur Kenntnis oder eher mit Sorge, dass die Situation eskalieren könnte?, lautete die Antwort von Seibert: „Ich will nur ganz kurz sagen: Ich glaube, beim Thema Venezuela muss man vor allem auch an die Bevölkerung denken. Es gibt dort eine Notlage weiter Teile der Bevölkerung ‑ eine Versorgungsnotlage, eine Unsicherheitslage ‑, die uns Sorge machen muss. Ich glaube, für das Politische gebe ich lieber an den Sprecher des Auswärtigen Amtes“.

„Die politische, die soziale und die wirtschaftliche Lage in Venezuela ist schon seit einigen Jahren Anlass zur Besorgnis, auch hier in Europa. Man muss bei der Beobachtung der jüngsten Ereignisse in der Tat davon ausgehen, dass die Lage sich weiter zuspitzt. Das bedeutet für uns natürlich, dass wir uns darauf konsularisch vorbereiten, ohne dass wir vorhersehen könnten, was wann wie passiert.Herr Seibert hat darauf hingewiesen: Die Versorgungslage in Venezuela ist wirklich katastrophal. Das ist für uns nicht nur mit Blick auf die deutschen Staatsangehörigen natürlich Anlass zur Sorge. Ansonsten gilt, dass wir mit großer Aufmerksamkeit das beobachten, was in diesem wichtigen Land Lateinamerikas vor sich geht, dass wir über unsere Botschaft in Form der diplomatischen Vertretung in der Hauptstadt Venezuelas vertreten sind und deshalb auch über eigene Informationen verfügen und das weiter sehr aufmerksam und mit einiger Sorge verfolgen. Ich denke, Handlungsmaßstab für alle Beteiligten muss es sein, sich an die Regeln der venezolanischen Verfassung zu halten und mit Maß und Mäßigung vorzugehen, damit es nicht zu einer weiteren Eskalation der Situation kommt“, so Schäfer.

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