Ananas und Bananen aus Ecuador – Costa Rica: Etikettenschwindel in deutschen Supermärkten

plantage

Bananenplantage in Queveda, Ecuador (Fotos: Mirjam Hägele/A. Weltz-RombachOxfam Deutschland)
Datum: 31. Mai 2016
Uhrzeit: 12:55 Uhr
Leserecho: 3 Kommentare
Autor: Redaktion
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Aldi, Edeka, Lidl und Rewe beziehen Bananen und Ananas von Plantagen, auf denen massiv gegen Menschenrechte verstoßen wird. Arbeiter/innen sind hochgiftigen Pestiziden schutzlos ausgeliefert, Gewerkschafter werden unterdrückt und bedroht, Mindestlöhne unterschritten. Das belegt der Oxfam-Bericht „Süße Früchte, bittere Wahrheit“. Auch auf von der Rainforest Alliance zertifizierten Plantagen, dem mit Abstand wichtigsten Nachhaltigkeitssiegel bei Bananen und Ananas, sind die Zustände katastrophal. Der Bericht „Süße Früchte, bittere Wahrheit“ dokumentiert anhand der Bananenindustrie in Ecuador sowie der Ananasindustrie in Costa Rica die dramatischen sozialen und ökologischen Kosten des Anbaus tropischer Früchte für den deutschen Einzelhandel. Hierfür hat Oxfam Plantagen in Ecuador und Costa Rica besucht, mehr als 200 Arbeiter/innen befragen lassen und mit zahlreichen Experten gesprochen.

ananas

Dem Bericht zufolge sind Plantagenarbeiter/innen und ihre Familien giftigen Pestiziden häufig schutzlos ausgeliefert. In Costa Rica setzen Lieferanten deutscher Supermärkte mehrere hochgiftige Pestizide ein, darunter das von der Weltgesundheitsorganisation als akut toxisch eingestufte Oxamyl. In Ecuador berichten 53 Prozent der Arbeiter/innen auf Rainforest-zertifizierten Plantagen, dass Flugzeuge Pestizide sprühen, während sie im Feld arbeiten. Bei Befragungen klagten die Arbeiter/innen in beiden Ländern über eine hohe Rate an Behinderungen, Fehlgeburten und Krebsleiden im Umfeld der Plantagen. Zudem leiden sie häufig unter Schwindel, Übelkeit und Hautallergien. „Die Supermärkte kontrollieren das Aussehen der importierten Früchte penibel und geben ganze Lieferungen bei kleinsten Makeln zurück. Aber sie lassen es zu, dass die Menschen, die sie ernten, dabei vergiftet werden“, sagt Franziska Humbert, Studienautorin und Referentin für Arbeitsrechte bei Oxfam Deutschland.

Unterdrückung von Gewerkschaften

Der Bericht belegt, dass die Unterdrückung von Gewerkschaften auf Bananen- und Ananasplantagen Standard ist. Eine Folge davon: Mindestlöhne werden unterschritten, Überstunden nicht bezahlt, Arbeitsrechte missachtet. In keiner der 20 untersuchten Bananenplantagen gibt es eine unabhängige Arbeitnehmervertretung. Arbeiter/innen berichten von „schwarzen Listen“ mit den Namen von Gewerkschaftern. Bei einem Rainforest-zertifizierten Lidl-Lieferanten in Ecuador gaben 93 Prozent der Befragten an, dass sie aus Angst vor Repressalien keiner Gewerkschaft beitreten wollen. In Costa Rica werden Arbeiter/innen, die sich gewerkschaftlich engagieren, regelmäßig entlassen. „Die deutschen Supermärkte dürfen ihre Profite nicht weiter auf Kosten von Mensch und Natur machen. Sie müssen endlich menschenwürdige Arbeitsbedingungen durchsetzen und faire Preise zahlen“, sagt Franziska Humbert. „Auch die Politik ist gefordert. Die Bundesregierung muss Unternehmen dazu verpflichten, dass ihre Lieferanten Menschen- und Arbeitsrechte achten.“

Hintergrund zu Rainforest Alliance

Deutsche Supermärkte bewerben ihre tropischen Früchte zunehmend mit Nachhaltigkeitssiegeln. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Umweltorganisation Rainforest Alliance. Lidl wirbt momentan offensiv damit, nur noch „nachhaltige“ Bananen und Ananas zu verkaufen, der Anteil von Rainforest-zertifizierten Früchten liegt hier bei 92 (Bananen) beziehungsweise 100 Prozent (Ananas). Bei Edeka tragen 90 Prozent der Eigenmarken-Ananas und 85 Prozent der Eigenmarken-Bananen das Etikett mit dem grünen Frosch; bei Rewe sind es fast 100 Prozent der angebotenen Ananas und 75 Prozent der Bananen. Aldi Nord und Süd planen bei beiden Früchten demnächst komplett auf Rainforest umzustellen. Die Rainforest-zertifizierten Plantagen schnitten bei den Oxfam-Stichproben nicht besser ab als konventionelle Betriebe. Bei manchen Aspekten wie der Angst vor Repressionen wegen Gewerkschaftsangehörigkeit sind die Werte sogar schlechter.

Kampagne Fit Für Fair?!

Heute startet Oxfam mit einem internationalen Netzwerk aus 19 Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Kampagne Fit für Fair?!. Diese fordert von Lidl, dass sie sich für den Gesundheitsschutz der Arbeiter/innen, faire Löhne und die Stärkung von Gewerkschaftsrechten einsetzt. Die Schwarz-Unternehmensgruppe mit Lidl und Kaufland ist der größte Supermarktkonzern Europas.

Milliardengeschäft mit Früchten

Der Handel mit Bananen und Ananas ist ein Milliardengeschäft. Allein im Jahr 2015 importierte Deutschland 1,35 Millionen Tonnen Bananen im Wert von 844,6 Millionen Euro sowie 129.664 Tonnen Ananas im Wert von 115,1 Millionen Euro. Trotz steigender Produktionskosten ist der Verkaufspreis von Bananen und Ananas in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gefallen. Ein Kilo Bananen, für das man 2003 in Deutschland noch durchschnittlich 1,47 Euro ausgeben musste, kostete 2014 inflationsbereinigt nur noch 1,24 Euro. Der Kilopreis für Ananas ist im gleichen Zeitraum von 1,94 Euro auf 1,33 Euro gefallen.

Oxfam ist eine internationale Entwicklungsorganisation, die weltweit Menschen mobilisiert, um Armut aus eigener Kraft zu überwinden. Dafür arbeiten im Oxfam-Verbund 18 Oxfam-Organisationen Seite an Seite mit rund 3.200 lokalen Partnern in mehr als 90 Ländern.

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Kommentarbereich

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  1. 1
    paulo

    die ganze schuld an dieser misere sind vor allem die europäischen grossverteiler, welche die preise aller von ihnen verkauften artikel so in den boden drücken, dass den produzenten nichts anderes bleibt, als zu unerlaubten mitteln zu greifen.
    wie kann es sein, dass in deutschland die preise für solche südfrüchte jahr für jahr fallen ?
    mit diesem kaufverhalten sollten sich die konsumenten auch mal an der nase nehmen.
    es zeigt sich einmal mehr, dass die kontrollen und die sanktionen für verstösse schneller und heftiger ausfallen müssen. zudem muss endlich mal ein bisschen ethik bei den grossverteilern im einkauf festgelegt werden.
    auf solche mit toxinen besudelte waren verzichte ich gerne, und wenn ich noch daran denken muss, wieviel verkrüppelte kinder auf die welt kommen, frage ich mich zu recht, warum die schuldigen „plantagenverwalter und besitzer“ nicht schon längst vor gericht sind?
    plantagen ohne gewerkschaften sollten schlicht und einfach von der lieferantenliste gestrichen werden….. NUR DAS IST NACHHALTIGER ANBAU WO ALLE WAS DAVON HABEN !

    • 1.1
      Martin Bauer

      Hinter LIDL steht Scientology! Die sind ja in Sachen Ethik schon immer ganz gross gewesen!

  2. 2
    Martin Bauer

    Jahrzehntelang galt die United Fruit Company (Bananenmarke Chiquita) als der Innbegriff der menschenverachtenden Ausbeutung lateinamerikanischer Völker. Die revolutionäre Linke hat sie lange genug gebrandmarkt. Aus dieser Zeit stammt der Begriff „Bananenrepublik“. Längst jedoch hat diese Firma die Zeichen der Zeit erkannt, zahlt faire Preise, setzt auf Natur erhaltende, heute „nachhaltig“ genannte Landwirtschaft und mischt sich nicht mehr massiv in die Innenpolitik der Anbauländer ein. Preis und Qualität ihrer Produkte spiegeln dies wieder, die Zufriedenheit ihrer Lieferanten auch. Als Innbegriff des U.S. Kapitalismus tun sie das bestimmt nicht aus humanitären Gründen, sondern weil es sich langfristig auszahlt. Nur so kann man im Umgang mit Lieferanten und Kunden auf Dauer bestehen.

    Die Rolle des skrupellosen Satans haben längst die vier im Artikel genannten deutschen Unternehmen übernommen. Allen voran ALDI. Kein anderer Europäer oder U.S. Amerikaner kann da mithalten. In den Bananen exportierenden Ländern spricht man seit Jahren mit Angst und Schrecken vom auf erpresserische Weise diktierten „ALDI-Preis“ zum Ankauf von Bananen, der die Produktionsländer in die genannten Probleme stürzt, in einer Brutalität und Konsequenz, wie sie historisch nur deutsche Perfektion hervorbringt. Im Umgang mit der Menschlichkeit hat diese deutsche Tugend ja schon Einzigartiges geleistet. Auschwitz gilt als traurigstes Mahnmal dafür. Bedarf es noch weiterer?

    Es ist die fragwürdige, genau genommen antiquierte Position des typischen Zentraleinkäufers des Grosshandels, der all zu oft in miesen kleinen Versagern die Gelüste eines Diktators entfacht, der dann, gerade in Deutschland, in Sachen skrupelloser Machenschaften, wie Erpressung finanzieller und sexueller Natur, Betrug, Selbstbereicherung und Korruption in Millionen Höhe den übelsten der kriminellen Latinos in nichts nachsteht. Ich kenne persönlich genug Beispiele, ihre Ferraris, Maseratis, Villen, Jachten und Edelhuren, alles vom Gehalt eines Chefbuchhalters, über die ich mich lieber ausschweige, solange mir von denen keiner blöd kommt.

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