Sieben Jahre nach dem schweren Erdbeben: Armut in Haiti wächst

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Seit dem Erdbeben habe sich das Nachbarland der Dominikanischen Republik nicht wirklich im guten Sinn entwickelt (Fotos: Logan Abassi UN/MINUSTAH)
Datum: 12. Januar 2017
Uhrzeit: 17:41 Uhr
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Autor: Redaktion
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„Die Menschen haben Hunger und Durst.“ So lautet das Resümee von Pater Baudelaire Martial, dem Beauftragten der Haitianischen Ordenskonferenz für den Wiederaufbau, mit Blick auf den siebten Jahrestag des verheerenden Erdbebens in Haiti. Schätzungsweise 220.000 Menschen kamen damals im Großraum der Hauptstadt Port-au-Prince ums Leben, unzählige wurden verschüttet oder schwer verletzt geborgen. Mehr als 1,5 Millionen Menschen verloren ihr Heim. Vor drei Monaten fegte zudem Hurrikan Matthew über den Südwesten des Karibikstaats hinweg und hinterließ Tod und Verwüstung. Die Bauern seien laut Martial die größten Verlierer des katastrophalen Wirbelsturms, der ökonomisch gesehen, schlimmer als das Erdbeben vom 12. Januar 2010 gewesen sei.

Ein tiefer Graben spalte die haitianische Gesellschaft: „Einige verfügen bereits über die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien, während andere weiterhin die Kerosinlampe anzünden müssen, um ihre Arbeiten zuhause erledigen zu können“, sagt Martial. Die wenigen Reichen würden noch reicher – die Armen noch ärmer. Viele junge Menschen müssten auf der Suche nach einem besseren Leben nach Brasilien, Chile oder Argentinien auswandern.

„Aus der Perle der Antillen ist praktisch das Gespött der Welt geworden“, sagt Martial. So könne es in Haiti nicht weitergehen: „Das Land muss sich mit der Kraft der eigenen Flügel erheben.“ Dass der neue Präsident, der Unternehmer Jovenel Moïse, dafür den nötigen Aufwind geben kann, bezweifelt der Pater: „Haiti hat so viele Probleme, dass es unmöglich für einen einzelnen Menschen ist, diese in einem Zeitraum von fünf Jahren zu lösen.“

Dass sich der Präsident stark macht für eine politische und institutionelle Stabilität im Land, hofft auch der Beauftragte der Haitianischen Bischofskonferenz für den Wiederaufbau, Pfarrer Brillère Aupont. „Aber da man ihn kaum kennt, da er nicht mit einer überzeugenden Mehrheit gewählt wurde, glaube ich, dass ihm die Legitimation fehlt, die Stärke, um starke Maßnahmen zu ergreifen.“

Seit dem Erdbeben habe sich das Nachbarland der Dominikanischen Republik nicht wirklich im guten Sinn entwickelt – was an der Schneise der Verwüstung, die Wirbelsturm Matthew hinterlassen hat, leicht abzulesen sei. Aupont stellt fest, dass der soziale Standard immer weiter sinkt, dass die Bevölkerung von Tag zu Tag ärmer wird und dass es immer noch keine wirklichen Entwicklungsprogramme seitens der Politiker gibt. „Es fehlt unseren Staatsmännern stets an der Fähigkeit, vorausschauend und vorbeugend zu handeln“, sagt Aupont. Und wie Martial betont auch er, dass, abseits der internationalen Hilfe, die für die enormen Bedürfnisse nach dem Hurrikan völlig unzureichend gewesen sei, „die Bevölkerung auf sich gestellt ist, um aus der Misere herauszukommen“. Dankbar sei er jedoch für die kontinuierliche Hilfe durch Adveniat.

Das Lateinamerikahilfswerk unterstützt die Haitianer und leistet Hilfe zur Selbsthilfe: „Seit dem verheerenden Erdbeben haben wir 708 Projekte mit Spendengeldern in Höhe von 14,3 Millionen Euro gefördert“, sagt Margit Wichelmann, Haiti-Referentin bei Adveniat. Unmittelbar nach der Katastrophe habe der Schwerpunkt laut Wichelmann auf der Nothilfe sowie der Ausbildung von Ordensschwestern in der Traumaseelsorge gelegen. Gleichzeitig habe Adveniat die Unterstützung für langjährige Projekte in nicht vom Erdbeben betroffenen Diözesen in Haiti aufrechterhalten. Diese bewegen sich vor allem in den Bereichen Bildung, pastorale Seelsorge und Infrastruktur.

Das Hauptaugenmerk des Hilfswerks liege aber auf der langfristigen, vorbeugenden Hilfe: „Bereits seit dem Erdbeben 2010 haben wir mit den Menschen vor Ort daran gearbeitet, dass Wirbelstürme, Erdrutsche und Erdbeben künftig nicht mehr diese katastrophalen Folgen haben“, sagt Wichelmann. Die Haitianische Bischofskonferenz hat mit Unterstützung von Adveniat und den Bischofskonferenzen Frankreichs und der USA ein Wiederaufbaubüro eingerichtet, das sicherstellt, dass sämtliche kirchlichen Bauwerke, in denen Menschen bei Erdbeben Schutz suchen, erdbeben- und hurrikansicher gebaut werden. „Das ist überlebensnotwendig, weil sich die Menschen bei jedem Erdbeben und jedem Wirbelsturm in Kirchen und kirchliche Einrichtungen flüchten“, erklärt Wichelmann. „Möglichst keine Opfer mehr in kirchlichen Gebäuden – lautet unsere gemeinsame Maßgabe.“

Pressemitteilung

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