Sensor überwacht Früchtetransport: Ein Apfel in Camouflage

apfel

Der künstliche Fruchtsensor der Empa – hier die Variante Braeburn (Foto: empa)
Datum: 22. März 2017
Uhrzeit: 13:29 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
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Auf der langen Reise von der Obstplantage ins Ladenregal können Früchte schnell einmal verderben. Vor allem die Kühlung in den Cargo-Containern ist nicht immer gewährleistet, und bisherige Methoden messen dies nur unzureichend. Ein an der Empa (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) entwickelter Sensor verspricht Abhilfe. Er sieht aus wie eine Frucht, verhält sich wie eine Frucht – ist in Wahrheit aber ein Spion. Bis Mangos, Bananen oder Orangen in den Läden ausliegen, haben sie meist einen weiten Weg hinter sich. Sie werden gepflückt, eingepackt, gekühlt, in Kühl-Container gepackt, verschifft, gelagert und schließlich ausgelegt. Nicht jede Warenladung aus der Karibik oder Lateinamerika schafft es allerdings heil bis an den Zielort. Obwohl die Früchte regelmäßig überprüft werden, werden einige davon beschädigt oder verderben gar. Denn das Monitoring ist noch deutlich verbesserungsfähig. So messen Sensoren zwar die Lufttemperatur im Frachtcontainer, ausschlaggebend für die Qualität des Obstes ist allerdings die Kerntemperatur der einzelnen Frucht. Die lässt sich bislang aber nur «invasiv» messen, also indem man mit einem Messfühler durch die Schale in den Kern sticht. Und selbst dieses Verfahren birgt Tücken. Für die Messung nimmt der Fachmann meist eine Frucht aus einem Karton der vorderen Palettenreihe im Container– das wiederum verfälscht den Eindruck. Früchte, die näher an den Außenwänden des Transportcontainers lagern, sind nämlich besser gekühlt als Früchte im Innern.

So kann es vorkommen, dass ganze Containerladungen vernichtet werden müssen, weil die Temperaturen im Inneren des Containers nicht den vorgeschriebenen Richtlinien entsprachen. Vor allem die USA und China sind äußerst strikt bei der Einfuhr von Obst und Gemüse. Wenn die Ladung nicht drei Wochen bei einer bestimmten Mindesttemperatur gelagert worden sind, werden sie für den Verkauf im Land nicht zugelassen. Die Kühlung dient dabei nicht nur der Erhaltung der Frische und der Qualität, sondern tötet auch allfällige Larven von beispielsweise Motten ab, die sich in den Früchten einnisten können. Es ist also dringend nötig nachzuweisen, dass die Kühlung über den erforderlichen Zeitraum auch tatsächlich bis zu allen Früchten in der gesamten Ladung durchgedrungen ist.

Der Sensor geht mit auf die Reise

Um genau das zu gewährleisten und zu überwachen, haben Forschende der Empa nun einen Fruchtsensor entwickelt. Er besitzt Form und Grösse der jeweiligen Frucht und deren simulierte Zusammensetzung und kann zusammen mit den echten Früchten verpackt und auf die Reise geschickt werden. Nach der Ankunft am Zielort können die Daten des Sensors dann relativ einfach und schnell analysiert werden. Daraus erhoffen sich die Forschenden Aufschlüsse über den Temperaturverlauf während des Transports. Eine wichtige Information, vor allem auch aus versicherungstechnischen Gründen: Sollte eine Lieferung nicht den Qualitätsansprüchen genügen, lässt sich mit Hilfe des Sensors beispielsweise eruieren, an welcher Stelle in der Lagerungs- und Transportkette etwas schief gelaufen ist. Erste Resultate sind auf jeden Fall viel versprechend: «Wir haben die Sensoren in der Empa Kältekammer auf Herz und Nieren analysiert, und alle Test waren erfolgreich», erklärt Projektleiter Thijs Defraeye aus der Abteilung «Multiscale Studies in Building Physics». Zurzeit laufen Feldtests bei Agroscope in Wädenswil.

Jeweils ein künstlicher Fruchtsensor für Braeburn und Jonagold

Ein und derselbe Sensor funktioniert allerdings nicht für alle Früchte, wie Defraeye erklärt. «Wir entwickeln für jede Frucht einen eigenen Sensor, sogar für Unterarten.» So gibt es zurzeit separate Sensoren für die Apfelsorte Braeburn und Jonagold, die Kent-Mango, für Orangen sowie für die klassische Cavendish-Banane. Um die Eigenschaften der einzelnen Fruchtsorten nachbilden zu können, wird das Obst geröntgt, und ein Computeralgorithmus erstellt daraus die durchschnittliche Form und Beschaffenheit der Frucht. Aus der Literatur oder aus eigenen Messungen bestimmen die Forschenden dann die genaue Zusammensetzung des Fruchtfleisches (meist eine Kombination aus Wasser, Luft und Zucker) und bilden diese im Labor im exakten Verhältnis nach – allerdings nicht mit den Originalzutaten, sondern aus einem Mix aus Wasser, Kohlenhydraten und Polystyrol.

Mit diesem Gemisch wird die fruchtförmige Schalung des Sensors befüllt. Die Schalungen entstehen dabei im 3D-Drucker. Im Inneren dieser künstlichen Frucht platzieren die Forschenden den eigentlichen Sensor, der die Daten – unter anderem die Kerntemperatur der Frucht – aufzeichnet. Zum Vergleich: Bisherige Messgeräte an den Containerwänden liefern nur die Lufttemperatur, was allerdings nicht ausreicht, denn die Frucht kann im Innern trotzdem zu warm sein. Zwar gibt es solche Fruchtkernsimulatoren bereits im Forschungsumfeld, doch sie seien noch nicht akkurat genug, erklärt Defraeye. Beispielsweise kämen bereits mit Wasser gefüllte Kugeln mit Sensor im Innern zum Einsatz. «Wir haben Vergleichstests gemacht», so der Forscher. «Und unsere Füllung lieferte deutlich exaktere Daten und simulierte das Verhalten einer echten Frucht bei unterschiedlichen Temperaturen weitaus zuverlässiger.»

(Noch) ohne Wireless

Erste Feldversuche mit den Sensoren sind am Laufen, und die Forschenden sind nun auf der Suche nach möglichen Industriepartnern, um die Frucht-Spione herzustellen. Lohnen dürfte sich die Investition auf jeden Fall: Schätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für einen solchen Sensor auf unter 50 Franken. Die Daten müssten nur dann ausgewertet werden, wenn mit der angelieferten Ware etwas nicht stimmt. Damit liesse sich dann effizient bestimmen, wo im Prozess der Fehler unterlaufen ist.

Wünschenswert wäre es natürlich, die Daten aus dem Cargo-Container künftig live und in Echtzeit abrufen zu können, um bei alarmierenden Daten allenfalls noch Gegensteuer geben zu können – und so die Fruchtfracht eventuell noch zu retten. Dazu wäre aber eine Wireless- oder Bluetooth-Verbindung nötig. «Das kann unser jetziger Fruchtsensor allerdings noch nicht. Und der Preis für das Produkt würde dadurch natürlich steigen», so Defraeye. Aber der Gewinn für die Unternehmen wohl ebenfalls, wenn sie dank Fruchtsensoren mehr einwandfreie Ware liefern können.

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