Universitätsklinikum Heidelberg: Allianz gegen das Zika-Virus

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Unter einer Mikrozephalie versteht man eine Entwicklungsbesonderheit beim Menschen, bei der der Kopf eine vergleichsweise geringe Größe aufweist (Foto: GoB)
Datum: 13. Juni 2017
Uhrzeit: 18:41 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
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Mit rund 10 Millionen Euro fördert die Europäische Union bis 2019 den interdisziplinären Forschungsverbund „ZIKAlliance“, in dem sich über 50 Partner aus Europa, Asien und Südamerika zusammengeschlossen haben. Wissenschaftler unterschiedlicher Fachdisziplinen erforschen darin gemeinsam das Zika-Virus, das bereits in 73 Ländern weltweit auftritt. Vom Universitätsklinikum Heidelberg sind Dr. Thomas Jänisch, Klinische Tropenmedizin, und Prof. Dr. Ralf Bartenschlager, Zentrum für Infektiologie, Molekulare Virologie, beteiligt. Das Universitätsklinikum Heidelberg wird damit zu einem der deutschlandweiten Schwerpunkte in der Zika-Virus-Forschung. „Wir freuen uns über diese Entscheidung, denn in Heidelberg wurden im Rahmen der Erforschung verwandter Viren wie beispielsweise dem Dengue-Virus bereits wichtige Vorarbeiten geleistet und internationale Netzwerke geknüpft“, sagt der Tropenmediziner und Epidemiologe Dr. Thomas Jänisch.

Eine weltweite Allianz gegen Zika-Virus-Infektionen und die Folgen

Das auf drei Jahre ausgelegte Programm besteht aus zwölf Arbeitsbereichen, die sich mit unterschiedlichen Fragen rund um eine Infektion mit dem Zika-Virus befassen. Der Heidelberger Dr. Thomas Jänisch leitet gleich zwei davon: Im ersten Arbeitsbereich geht es darum, verlässliche Daten zu Zika-Virus-Infektionen bei schwangeren Frauen zu sammeln. 5.000 bis 10.000 Schwangere sollen in den Gesundheitszentren von über zehn Ländern wie beispielsweise Brasilien, Venezuela und Kolumbien eingeladen werden, auf freiwilliger Basis an der Studie teilzunehmen und sich engmaschig untersuchen zu lassen. Nach der Geburt sollen auch die Kinder noch zwei weitere Jahre begleitet werden.

„Wir untersuchen, welche Patientinnen sich im Verlauf der Schwangerschaft infizieren, welche Folgen das für sie und die Kinder hat, und wie sich der Zeitpunkt der Infektion auf das Risiko einer Fehlbildung beim Kind auswirkt“, so Dr. Thomas Jänisch. „So schaffen wir eine solide Datengrundlage für die Abschätzung des Risikos und die Beratung der schwangeren Frauen. Gleichzeitig werden wertvolle Bioproben gesammelt, auf die dann viele weitere Untersuchungen aufbauen werden.“ Die Frauen profitieren von der Studienteilnahme, weil sie so eine engmaschige medizinische Betreuung während der Schwangerschaft und einen gesicherten Platz in der Geburtsklinik ihrer Wahl bekommen.

Zika-Virus-Infektionen: Warum ist die Ausbreitung so unterschiedlich?

Zurzeit sind noch viele offene Fragen mit der Ausbreitung des Zika-Virus verbunden: Meistens nimmt eine Zika-Virus-Infektion einen eher milden Verlauf und nicht alle Betroffenen entwickeln überhaupt Symptome wie zum Beispiel Fieber, Hautausschlag oder eine Bindehautentzündung (Konjunktivitis). Viele eher milde Infektionen werden eventuell gar nicht erfasst, weil die Betroffenen nicht zum Arzt gehen. Es ist jedoch nicht klar, ob diese milden Infektionen auch weniger häufig zu Komplikationen führen. Hinzu kommt, dass die diagnostischen Werkzeuge manchmal fehlerhafte Ergebnisse liefern. „Die auf den Nachweis von Antikörpern basierenden Tests für das Zika-Virus reagieren auch, wenn verwandte Viren eine Infektion verursachen“, fasst Dr. Thomas Jänisch zusammen. Außerdem breitet sich das Virus in einigen Gegenden stark aus, während andere Regionen aus unbekannten Gründen scheinbar verschont werden. Und schließlich wurde die Häufigkeit von schweren Fehlbildungen bei Kindern als Folge einer Zika-Virus-Infektion aus verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich gemeldet. Zwar ist mittlerweile unter Experten unumstritten, dass eine Zika-Virus-Infektion in der Schwangerschaft bei den Kindern zu Fehlbildungen wie zum Beispiel zu kleinen Gehirnen („Mikrozephalie“) führen kann – aber es könnte sein, dass bisher unbekannte weitere Faktoren das Risiko verstärken. „Nicht jede Zika-Virus-Infektion führt zu schweren Fehlbildungen bei Neugeborenen. Wir vermuten verstärkende Co-Faktoren. Es gibt bereits Kandidaten, die wir untersuchen: Zum Beispiel könnten zurückliegende Infektionen mit dem Dengue-Virus die Immunantwort auf das Zika-Virus verändern“, so Dr. Thomas Jänisch.

Vergleichbare Daten schaffen, Einblicke ins Innere der Zellen gewinnen

Entscheidend für Antworten auf die Vielzahl von Forschungsfragen sind vergleichbare, standardisierte Daten – insbesondere, da die Zahl der Neuinfektionen mit dem Zika-Virus glücklicherweise rückläufig ist. In einem zweiten, ebenfalls von Dr. Thomas Jänisch geleiteten Arbeitsbereich geht es daher darum, alle Daten und Bioproben von insgesamt drei EU-geförderten Zika-Konsortien auf die gleiche Weise zu erheben und zu erfassen, um diese für viele verschiedene Forschungsprojekte nutzbar zu machen.

Prof. Dr. Ralf Bartenschlager, mehrfach für seine Forschung ausgezeichneter Direktor der Abteilung „Molekulare Virologie“, wird mit seinem Team anhand von Zellmodellen genauer untersuchen, wie das Zika-Virus im Vergleich zu verwandten Viren wie zum Beispiel dem Dengue-Virus die Kontrolle über Bestandteile menschlicher Zellen übernimmt und welchen Beitrag diese Zellveränderungen zum Krankheitsbild leisten.

Zika-Virus-Überträgermücken breiten sich auch in Europa aus

Hauptüberträger des Zika-Virus ist die Gelbfiebermücke (Aedes aegypti), die zum jetzigen Zeitpunkt nicht in Kontinental-Europa vorkommt. Auf der portugiesischen Insel Madeira verursachte sie jedoch 2012 einen Ausbruch des Dengue-Fiebers mit über 1.000 Erkrankten. Eine nahe verwandte Art, die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ist bereits als invasive Art in Deutschland angekommen und könnte das Virus ebenfalls übertragen, wenn auch weniger effektiv. „Forschungsgelder der EU sind deshalb nicht nur gut angelegt, um den Menschen in Südamerika zu helfen, sondern auch eine Präventionsmaßnahme vor Ausbrüchen in Europa“, so Dr. Thomas Jänisch.

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