Regionalwahlen Venezuela: „Heute fragt sich niemand mehr, ob das Regime morgen fällt“

regom

Regime hat einen Weg gefunden, Wahlen trotz Minderheit zu gewinnen (Foto: Archiv)
Datum: 21. Oktober 2017
Uhrzeit: 15:00 Uhr
Leserecho: 14 Kommentare
Autor: Redaktion
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

In 18 der 23 Bundesstaaten Venezuelas hat das sozialistische Regierungsbündnis PUSV von Präsident Nicolás Maduro nach offiziellen Ergebnissen die Regionalwahl für sich entscheiden können. Die Opposition gewann nach Angaben der linientreuen Wahlbehörde in fünf Bundesstaaten. Bislang waren 20 der 23 Staaten in der Hand der sozialistischen Regierungspartei. Nach Auffassung der US-Regierung und einem Großteil der Regierungen Lateinamerikas hat es in Venezuela „weder gerechte noch freie Wahlen“ gegeben. Internationale Experten sind sich einig, dass die in letzter Minute vom Regime eingebauten Fallstricke und Hindernisse für den „Erfolg“ der Chavistas ausschlaggebend waren. Es gibt keine Hinweise auf Manipulationen am technologischen System. Vertreter der Opposition hatten nach der Abstimmung allerdings keine Möglichkeit zur Kontrolle.

Die meisten Venezolaner schliefen am 6. Dezember 2015 mit einem Gefühl der Erleichterung und der Hoffnung ein. Nach Jahren des zunehmend hitzigen politischen Konflikts, der das einst reichste Land Lateinamerikas an den Rand des humanitären Zusammenbruchs geführt hatte, eröffnete der überwältigende Triumph der Opposition bei den Parlamentswahlen die Illusion für einen friedlichen und demokratischen Ausgang. Ein Jahr und 10 Monate später gibt es keinerlei Anzeichen von Optimismus.

Das Regime von Nicolás Maduro zerstörte die massiven Proteste mit mehr als 120 Toten und Hunderte von politischen Gefangenen, die das Land zwischen April und Juli dieses Jahres erschütterten. Das von einer großen Mehrheit der Bevölkerung gewählte und von der Opposition kontrollierte Parlament wurde aufgelöst, eine mit handverlesenen Fanatikern illegitime Verfassungsgebende Versammlung integriert. Am vergangenen Sonntag dann der endgültige Turnaround mit einem unerwarteten Sieg bei den Regionalwahlen, die von allen möglichen Unregelmäßigkeiten durchzogen wurden. Die Krise ist jetzt viel tiefer als vorher und niemand kann sich einen institutionalisierten Übergang zu einer neuen Ordnung vorstellen.

Der Chavismus gewinnt 18 von 23 Regionalregierungen, 61,14 Prozent der rund 18 Millionen Wahlberechtigten nahmen an den Regionalwahlen teil. 2015 gewann die Oppositionskoalition 56% der Stimmen und konnte 15 der 23 Bundesstaaten für sich verbuchen (zwei Drittel der nationalen Abgeordneten). Bei den Wahlen vom 15. Oktober jedoch nur 45% der Stimmen und nur fünf Gouverneursposten. Die PSUV und ihre Verbündeten gewannen 54 Prozent der Stimmen auf nationaler Ebene, ein Anstieg zu den 41 Prozent von 2015. Der Zugewinn von acht auf 18 Bundesstaaten ist besonders auffällig, da laut Umfrage von „Venebarómetro“ 75,6% der Bevölkerung das Management von Maduro ablehnt und 90,2% die Situation des Landes als negativ erachten.

Streng genommen wurde die Regierung von 700.000 weniger Menschen von einer Wahl zur nächsten gewählt. Die Ergebnisse der Opposition sind weitaus schlimmer: Sie verlor 2,8 Millionen Wähler. Obwohl regionale Wahlen häufig weniger Interesse wecken als Parlamentswahlen (die Teilnahme sank von 74 auf 61%), muss man zum Verständnis die lange Liste der Fallstricke betrachten, die vom Nationalen Wahlrat (CNE) implementiert wurden.

„Ich hatte nicht den Optimismus anderer Politwissenschaftler“, so Carlos A. Romero, Professor für Politikwissenschaften an der Universidad Central de Venezuela. „Ich stützte mich dabei auf eine Reihe von Unregelmäßigkeiten, die während des gesamten Wahl-Prozesses zu beobachten waren. Änderungen in den Wahllokalen in letzter Minute haben dazu geführt, dass mehr als 500.000 Wahlberechtigte erst gar nicht wählen konnten. 76 Wahllokale wurden im letzten Moment geschlossen und 274 verlegt, dadurch wurden Hunderttausende von Wählern in den Oppositionshochburgen beeinflusst“.

„Die Regierung ist stärker als zuvor. Sie hat einen Weg gefunden, Wahlen trotz Minderheit zu gewinnen. Die Verwirrung in der Opposition erzeugte Zeit und Handlungsspielraum. Der Chavismo ist allerdings weit davon entfernt, das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewonnen zu haben und die Mehrheit verachtet das Regime weiterhin. Die soziale und wirtschaftliche Krise bleibt von fundamentaler Bedeutung. Aber man kann nicht ignorieren, dass der Schritt vom Rande des Abgrunds bis hin zur Kontrolle der politischen Dynamik ging. Heute fragt sich niemand mehr, ob das Regime morgen fällt“, analysiert Félix Seijas Rodríguez, Professor für Statistik an der Universidad Central de Venezuela und Direktor des Beratungsunternehmens „Delphos“.

P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie jetzt Fan von agência latinapress! Oder abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und lassen sich täglich aktuell per Email informieren!

© 2009 - 2024 agência latinapress News & Media. Alle Rechte vorbehalten. Sämtliche Inhalte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung von IAP gestattet. Namentlich gekennzeichnete Artikel und Leser- berichte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für Einsendungen und Rückmeldungen bitte das Kontaktformular verwenden.

Dies könnte Sie auch interessieren

Kommentarbereich

Hinweis: Dieser Kommentarbereich ist moderiert. Leser haben hier die Möglichkeit, Ihre Meinung zum entsprechenden Artikel abzugeben. Dieser Bereich ist nicht dafür gedacht, andere Personen zu beschimpfen oder zu beleidigen, seiner Wut Ausdruck zu verleihen oder ausschliesslich Links zu Videos, Sozialen Netzwerken und anderen Nachrichtenquellen zu posten. In solchen Fällen behalten wir uns das Recht vor, den Kommentar zu moderieren, zu löschen oder ggf. erst gar nicht zu veröffentlichen.
  1. „Es gibt keine Hinweise auf Manipulationen am technologischen System.“
    Allein die Tatsache, daß die Daten von den Wahllokalen über das staatliche und völlig von Kubanern kontrollierte CANTV Netz zur CNE geschickt wurden, und das mit Umweg über Havanna durch das kubanisch-venezolanische Unterseekabel, zeigt, daß das Wahlsystem speziell für den planmässigen Wahlbetrug entworfen wurde. Kein Kontrolleur, selbst wenn er die Wahlmaschinen zerlegt, kann feststellen, ob betrogen wurde oder nicht. Aber jeder computertechnisch versierte Laie weiß, auch ohne eine der Wahlmaschinen von innen gesehen zu haben, daß es technisch spielend leicht möglich ist. „Experten“, die in der Vergangenheit etwas anderes behaupteten, sind dreiste Lügner.

  2. 2
    thor

    ja…, und was sagt uns das jetzt?

    Ganz einfach, ohne einen Bürgerkrieg ist dieses Land nicht mehr zu retten! Venezuela ist nur noch ein Spielball internationaler Interessen. Die Venezolaner haben das leider immer noch nicht verstanden und verstecken sich hinter ihrer Feigheit. Das die Daten nach Kuba geschickt werden, daran zweifelt keiner mehr, der sich im IT-Bereich nur etwas auskennt. Rechenzentren die diese Datenmengen verarbeiten könnten, existieren nicht mehr. Was Kuba allerdings damit noch retten will, ist mir völlig schleierhaft.

  3. „Was Kuba allerdings damit noch retten will, ist mir völlig schleierhaft.“
    Was wollte denn die kubanischen Regierung jemals retten. ausser ihrem eigenen Ar…? Die wollen die das System in Venezuela stabilisieren, aus bekannten Gründen. Freie Wahlen innerhalb ihrer Einflußsphere wäre ihr sicherer Untergang.

    Ein Bürgerkrieg wäre auch aussichtslos, es sei denn mit voller logistischer und beratender Unterstützung von aussen. So wäre das gar kein schlechter Weg, denn das venezolanische Militär ist vor allem durch unendliche Inkompetenz, Desolation und Trägheit gekennzeichnet. Man muß halt nur erst die Kubaner ausschalten. Dabei kann man gar nicht hart genug vorgehen, denn die sind Experten im Geschäft des Krieges und der Unterdrückung von Völkern.

  4. 4
    matthias

    die story mit kuba glaube ich nicht. ich arbeite jedoch seit bald 30 jahre in der it v.a. im bereich datensicherheit. Angenomnen es gibt administrativen zugriff auf die wahlmaschine ist das eine sache von minuten diese zu manipulieren. gibt es dbo rechte zbsp unter ms sql auf eine resultat tabelle sekunden. JEDER hier kann das. zum beispiel: update dbo.table ‚psuv‘ with 1 where dbo.table ‚mud‘ == 1. mit diesem einzeiler gehen alle stimmen einer mud zur psuv. das geht ohne kubaner tibisay und der tsj reicht. maduro selbst gut der müsste in einen pc kurs um den schalter zu finden.

    • 4.1
      thor

      ja, Du schaffst das mit nem Einzeiler… die Venezolaner nicht…! Außerdem, ohne kubanisches Abnicken geht in Venezuela gar nichts mehr! Bin mir sicher, das du im größten Rechenzentrum Kubas absolut alle Dokumente die jemals in einer venezolanischen Behörde auf HD gespeichert waren, findest! Da werfe ich meine Hand ins Feuer… und glaub mich, ich werd sie mir nicht verbrennen!

      • 4.1.1
        Matthias Gysin

        ich denke diese Hand verbrennst Du Dir. Kein Regime der Welt wird so naiv sein diese Daten extraterritorial zu spiegeln. Schon nur wegen der Gefahr eines externen Zugriffs (zbsp. durch die USA)

      • 4.1.2
        Martin Bauer

        Das läuft natürlich nicht über das allgemein zugängliche Netz, sondern über das eigens für solche Zwecke zwischen Caracas und Havanna verlegte Unterseekabel. Da müssten die Amis schon Tauchroboter mit Abhöreinrichtung zum Kabel runter schicken, was nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Der gesamte CNTV Verkehr läuft diesen Weg, selbst die harmlosen Kommentare aus Venezuela für Latina-Press!

        Ansonsten sind die Daten in Kuba wesentlich „sicherer“ aufgehoben, als in Venezuela.

    • „die story mit kuba glaube ich nicht.“ – Es gibt Zeugen dafür. Wir haben einige recht gute Kontakte nach Havanna.

      • 4.2.1
        colibri

        Es gibt Zeugen, dass es anders war.

    • 4.3
      Matthias Gysin

      ich bin mir nicht sicher ob venezuela so wirklich alle geheimnisse mit kuba teilen WILL. Aus Optik diverser Verwandter (welche sich dem Chavismus zuwandten) ist Kuba eine „verlorene“ Nation. Kuba hat schon länger erkannt dass die Erdöllieferungen aus Venezuela endlich sind und deshalb solala begonnen den Dialog mit den USA wieder zu suchen. Die Kommentare mit den Informatiker kann ich sonst nicht wirklich ernst nehmen das ist eher Bashing – es gibt sehr gute IT Ausbildungen in Caracas. Lange war zum Beispiel das Kanaima Linux populär als Eigenproduktion nicht schlecht. Ich will damit sagen jedes Land hat genügend kriminelle Subjekte dass wenn eine Möglichkeit besteht, selbstverständlich auch Manipulationen möglich sind. (Schauen wir doch mal bei uns in der Schweiz. Alleine im letzten Jahr mussten in drei Kommunen wegen Wahlfälschungen die Urnen nohmals hervorgeholt werden).

      • 4.3.1
        Martin Bauer

        Ich war nie der Meinung, daß die Venezolaner ihre IT Aufgaben nicht selbst erledigen könnten. Auch ist offenbar, daß „Venezuela“, also daß was Venezuela ausmacht, Kuba komplett zur Hölle wünscht, was die Mehrheit der Kubaner keineswegs verdient hat. Die venezolanische Regierung aber befindet sich weitgehend unter kubanischer Kontrolle. Dafür hat bereits Chávez in seiner Naivität gesorgt. Kubaner sitzen in Venezuela in unzähligen Schlüsselpositionen. Das ist Fakt, keine interpretierbare Meinung, und mich wundert doch ein wenig, daß dies hier von ernst zu nehmenden Kommentatoren in Frage gestellt wird.

      • 4.3.2
        noesfacil57

        Zu 4.3.1: Stimmt alles. Und die Mehrheit der Cubaner hat ebensowenig wie die Venezolaner die Hölle verdient. Ich bin auch nicht der Überzeugung das Chávez naiv war. Ich bin vielmehr sicher, dass der ganz genau wusste was er tat, als er, als Gegenleistung für die Öllieferungen, welche Cuba seit mind. 2006 am Leben halten Cubanische „Dienstleistungen“ aller Art eingekauft und erhalten hat. Er wusste genau, dass seine Venezolanischen flojos und korrupten Landsleute, den „Job“ niemals so hinkriegen würden. Und die Cubaner wissen, dass sie ohne Venezuela längst platt und erneut wieder eine weitere US. Kolonie wären.
        In anderen Fällen und Zusammenhängen heißen diese Ausländer in Schlüsselpositionen eben Militär- und Wirtschafts – und Sicherheitsberater. Rein zufällig kommen die dann mehrheitlich aus Russland oder USA. Ist doch komisch, wie sich die verdammten Bilder immer wieder gleichen. Das sind Fakten, keine interpretierbare Meinung, Herr Bauer, Sie liegen da schon im Prinzip völlig richtig.

  5. In einem jedweden Land, indem sich weder die Regierungspartei noch die Opposition überhaupt nur theoretisch vorstellen kann, dass der jeweils andere gegen sie tatsächlich ohne Wahlfälschung gewinnen kann, sind freie Wahlen irgendwie sinnlos, weil der jeweilige Wahlverlierer das Ergebnis sowieso nicht anerkennt. Wahlen in solchen Ländern kann man also betrübt vergessen. Was hier theoretisch hilft, ist eine „gute Militär-Regierung“. Aber wie findet man wo eine gute Militärregierung? Nebulös fällt mir die Türkei ein, die mal eine gehabt haben könnte. Aber auch nicht für lange. Kennt jemand eine andere Militärregierung, die noch existiert oder mal existierte und als Referenz genommen werden könnte, sozusagen als Anschauungsprodukt? Vorher aber bitte die jeweilige „Vereinsbrille“ abnehmen.

    • So ganz kann ich Ihnen nicht folgen. Die „Regierungspartei“ kann sich nicht nur sehr gut vorstellen, daß jede andere politische Kraft in Venezuela mehr Stimmen erzielen würde als die PSUV, sie tut das auch, weil sie genau weiß, daß dies bei freien Wahlen mit ungefälschten Ergebnissen augenblicklich der Fall wäre und sie an Ende. Genau deshalb betrügt sie ja systematisch seit 2004.

Diese News ist älter als 14 Tage und kann nicht mehr kommentiert werden!