Bettgeflüster von Messerfischen in freier Wildbahn belauscht

fisch

Ein junger Brauner Messerfisch (Apteronotus leptorhynchus). Guy l'Heureux
Datum: 28. Mai 2018
Uhrzeit: 20:53 Uhr
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Redaktion
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Die nachtaktiven Messerfische nutzen elektrische Impulse, um sich zu orientieren und zu kommunizieren. Mithilfe eines eigens entwickelten Elektrodengitters haben Neurobiologen Interaktionen der scheuen Messerfische (Apteronotus leptorhynchus) erstmals in freier Wildbahn über einen längeren Zeitraum beobachtet. Im Urwald von Panama konnten sie insbesondere das Paarungsverhalten der Tiere dokumentieren. Bislang wurden die Tiere fast ausschließlich in Laboren untersucht; Professor Jan Benda und Dr. Jörg Henninger von der Arbeitsgruppe Neuroethologie haben die Fische gemeinsam mit Forschern der Humboldt Universität zu Berlin erstmals in ihrer natürlichen Umgebung und über einen längeren Zeitraum untersucht. Die Ergebnisse der Studie wurden im Journal of Neuroscience veröffentlicht.

In den tropischen Gewässern Lateinamerikas sind die Messerfische zu Hause, kleine Verwandte des Zitteraals, die mit einem speziellen Organ schwache elektrische Entladungen produzieren. Mit Elektrorezeptoren, die auf der ganzen Hautoberfläche der Fische verteilt sind, können sie in tiefster Dunkelheit kleinste Veränderungen in der Umgebung wahrnehmen, z.B. Pflanzen, Steine, Beutetiere oder Artgenossen. Der sechste Sinn dient den Fischen aber auch zur Kommunikation untereinander.

Seit der Entdeckung dieses elektrischen Sinns in den 1950er Jahren wurden diese Fische sehr intensiv in Laboren untersucht. Insbesondere wurde an ihnen erforscht, wie Nervenzellen sensorische Information verarbeiten und diese dann in zielgerichtetes Verhalten umsetzen. Viele Gehirnstrukturen der Fische sind denen des Säugetiergehirns ähnlich. „Wenn wir deren Funktionsweise im Fisch verstehen, haben wir schon einiges über das Säugetiergehirn verstanden“, erklärt Jan Benda. Trotzdem sei so gut wie nichts über das natürliche Leben dieser Fische bekannt: „Sie sind nachtaktiv und halten sich tagsüber versteckt in Wurzelbärten oder zwischen Steinen. Zu sehen bekommt man sie nur sehr selten.“

Um das Verhalten der Fische im Freiland beobachten zu können, haben Professor Jan Benda und Jörg Henninger an der Universität Tübingen ein Elektrodengitter entwickelt, mit dem auf etwa vier Quadratmetern Fläche die elektrischen Aktivitäten aller sich dort befindlichen elektrischen Fische unbemerkt aufgezeichnet werden können. Im Zusammenarbeit mit Professor Rüdiger Krahe von der Humboldt Universität zu Berlin und Mitarbeitern des Smithsonian Tropical Research Institute in Panama wurde das Elektrodengitter zum ersten Mal in einem kleinen Bach im Urwald von Panama eingesetzt.

Jörg Henninger hat in seiner Doktorarbeit die einzelnen Fische anhand ihrer elektrischen Felder identifiziert, ihre Bewegungen rekonstruiert und ihre elektrischen Kommunikationssignale herausgefiltert. „Die Ergebnisse offenbaren eine aufregende und bisher völlig unbekannte Welt elektrischer Kommunikation“, erläutert Henninger seine Beobachtungen. Besonders beeindruckend seien viele Szenen von Balzverhalten. Ein Männchen versuche über mehrere Minuten mit hunderten sogenannter „Chirps“ ein Weibchen zur Ablage eines Eis zu überreden. Das Weibchen antworte schließlich und signalisiere die Eiablage mit einem besonders großen Chirp. Andere sich in der Nähe aufhaltende Männchen werden oft – aber nicht immer erfolgreich – von dem balzenden Männchen vertrieben.

Überraschenderweise sind die bei diesen Verhaltensweisen auftretenden elektrischen Signale so schwach, dass sie kaum die entsprechenden Elektrorezeptoren auf der Haut aktivieren können. In den bisherigen Studien an den Fischen wurde die neuronale Verarbeitung solcher relevanten Signale nicht untersucht. Künftige Untersuchungen müssen nun klären, mit welchen neuronalen Mechanismen diese schwachen Signale detektiert werden. Diese Forschung kann grundlegende Mechanismen aufdecken, wie es gelingt, schwache und mehrdeutige Signale zu detektieren und klassifizieren. „Die Ergebnisse der Studie zeigen, wie wichtig das Wissen über natürliche Sinnesreize ist, um die Funktionen und Funktionsweisen des Gehirns zu verstehen“, betont Henninger.

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