Ureinwohner von Peru kämpfen um ihr Überleben

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Datum: 19. Dezember 2009
Uhrzeit: 17:36 Uhr
Ressorts: Natur & Umwelt, Peru
Leserecho: 0 Kommentare
Autor: Klaus Schenck
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Seit Anfang April protestieren 30.000 der peruanischen Indianer gegen ein Paket von Gesetzesinitiativen, mit denen die peruanische Regierung und allen voran Präsident Alan Garcia ausländische Investitionen in dem südamerikanischen Land befeuern will. Es geht um den Abbau von Rohstoffen im Regenwald.

Drohend stehen die Awajun-Indianer mit ihren Lanzen aus Palmenholz vor den riesigen Öltanks der staatlichen Erdölgesellschaft PetroPeru. „Für uns Ureinwohner ist der Regenwald ein lebendiges Wesen: Der Wald atmet, in den Stämmen der Urwaldriesen wohnen Geister, in den Tieren die Seelen Verstorbener, die Wasserfälle sind Sitz der Götter. Wir leben in Frieden und Einklang mit der Natur, wir verteidigen unseren Wald. Eure Ölgesellschaften, Holzfäller und Plantagenfirmen wollen wir hier nicht“, erklärt einer der Awajun-Führer.

Peru soll sich ausländischen Investoren und Konzernen öffnen, so sieht es das Freihandelsabkommen vor, das Peru mit den USA abgeschlossen hat. Spekulanten und internationale Konzerne fallen über die reichen Rohstoffvorkommen des Landes her. Der Urwald ist für die neuen Besitzer in Ölblöcke, Holzeinschlagslizenzen und Plantagenflächen aufgeteilt. 72 % des peruanischen Amazonasregenwalds sind bereits in der Hand von Ölfirmen. Dabei werden die Rechte der Ureinwohner mit Füßen getreten und der Schutz der Umwelt systematisch ausgehebelt.

Ureinwohner unter Druck

Das auf diese Weise ins Land gespülte Geld kommt aber keineswegs der breiten Bevölkerung zugute. Im Gegenteil: Die Ausbeutung der Rohstoffe raubt den Menschen ihre Existenzgrundlagen. Im Regenwald leben 65 eingeborene Völker, darunter sogar einige Stämme, die sich bewusst gegen jeden Kontakt zur Zivilisation ausgesprochen haben und in die verbliebenen Urwaldgebiete geflüchtet sind. Für sie bedeutet der Kontakt mit der Außenwelt den Tod, weil sie keinen Immunschutz gegen Krankheiten haben.

Die Indianer ziehen durch die Stadt Bagua in den Anden. Ziel ist die Landstraße, die hinunter in den dampfenden Amazonasdschungel führt. Seit Wochen wird die wichtige Verkehrsader von den Indianern blockiert. Sie ist das Einfallstor der westlichen Raubritter, die mit Laptop, Bohrgestänge und Motorsäge dem Regenwald zu Leibe rücken.
Die Natur wird in Einheiten wie Ölfässern, Kubikmetern, Hektar und US-Dollar vermessen. Hundertjährige Urwaldbäume enden als Sperrholzplatte oder Bauholz. Für die internationalen Öl- und Bergbaukonzerne ist der Regenwald nichts weiter als grüne Hölle, die dem Abbau der Bodenschätze im Wege steht.

Sturmgewehre gegen Lanzen

„Diese Menschen haben keine Krone, sie sind nicht Bürger erster Klasse,“ pöbelte Perus Präsident Alan Garcia vor laufenden Kameras. 400.000 Eingeborene hätten nicht das Recht, den 28 Millionen Peruanern den Zugang zu ihrem Land im Amazonasgebiet zu verbieten. Dies sei irrational und ein Rückschritt in die Primitivität, so der Staatslenker. Am 9. Mai erklärte die Regierung den Notstand in sieben Provinzen des Amazonasgebietes.

Der Konflikt eskalierte, so wie am 5. Juni an der Straßenblockade nahe Bagua. Wie im Krieg wollte eine mit geladenen Sturmgewehren und Granaten bewaffnete Polizeieinheit die etwa 2.500 Demonstranten im Morgengrauen überraschen und die Blockade räumen. Was dann folgte, bezeichnet die Menschenrechtsorganisation Survival International als den „Tienanmen Platz“ Perus. Bei stundenlangen Gefechten verloren nach Regierungsangaben 24 Ordnungshüter und 10 Demonstranten ihr Leben. Indianische Quellen sprachen von bis zu fünfzig toten Zivilisten und klagen, die Regierung hätte Leichen mit Hubschraubern weggeschafft, um das Ausmaß des Massakers zu vertuschen.

Längst sind die Proteste der Ureinwohner aus dem Regenwald über die Anden bis in die Hauptstadt Lima übergeschwappt. Tausende Bürger ziehen durch die Straßen der Siebenmillionenstadt am Pazifik und solidarisieren sich mit den Indianern. Garcia, der bereits in seiner ersten Amtszeit von 1985 bis 1990 den wirtschaftlichen Zusammenbruch Perus und eine Inflationsrate von 7.600 % in seinem letzten Amtsjahr verursacht hatte, sieht das Heil des Landes in einem weiteren Freihandelsabkommen, dieses Mal mit der Europäischen Union. Trotz des blutigen Konflikts verhandeln Bundesregierung und Europäische Union (EU) weiter seelenruhig mit den peruanischen Machthabern über den Vertrag. Gefeilscht wird über Absatzmärkte, Patentrechte und einen gehörigen Anteil an den Rohstoffen. Aus Peru importieren Deutschland und die EU Kupfer und Metallerze, Kaffee sowie Fischmehl als Tierfutter. Noch vor Ende des Jahres soll eine Einigung erzielt werden.

Rohstofflager und Absatzmarkt

Nun hat der peruanische Kongress zwei der umstrittenen Gesetze ausgesetzt, aber nur für drei Monate. Die Inter-ethnische Vereinigung für die Entwicklung des peruanischen Urwaldes (AIDESEP) besteht auf der kompletten Rücknahme der Dekrete. Ihr Führer, Alberto Pizango, hat derweil Zuflucht in Nicaragua gesucht und Asyl beantragt. Pizango hatte der Regierung Genozid vorgeworfen, Letztere seine Verhaftung wegen Rebellion und Aufruhr angeordnet. Die katholischen Bischöfe in Peru veröffentlichten eine Erklärung, in der sie die Kritik der Indios als gerechtfertigt bezeichneten. Im Zusammenhang mit den Massakern kündigte Premierminister Yehude Simon seinen baldigen Rücktritt an und Präsident Garcia gestand Fehler ein. Rettet den Regenwald fordert, die Rechte der Einwohner zu schützen sowie die Massaker restlos aufzuklären. Anstatt über die Ausbeutung des Regenwalds sollte die EU mit Peru über dessen Erhalt verhandeln.

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