Haiti und Dominikanische Republik: Die gierige Seuche hört nicht auf

cholera

Datum: 02. Januar 2011
Uhrzeit: 14:32 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
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Die gierige Seuche hört nicht auf, Terrain zu erkämpfen. Sie rafft Tag für Tag neue Leben dahin. Nach der letzten Bilanz des Gesundheitsministeriums waren es am Jahresende 3.333 Tote und 148.000 offiziell registrierte Cholerakranke, und man weiß ja, was in diesem Land von Registrationen zu halten ist. Noch schlimmer in der Dominikanischen Republik. Da soll es 139 Erkrankte geben, gestorben sei noch niemand. Wer dieses Volk kennt, weiß was er von den Lügengeschichten der haitianischen Nachbarn zu halten hat. Wie viele cholerakrank sind, ohne es zu wissen, oder aus Angst nie zu einem Arzt gingen, bleibt unbekannt. Man schätzt, dass es in Wirklichkeit weit über 150.000 sind, die Hälfte der Todesopfer vom 12. Januar.

Am stärksten betroffen ist das Departement l’Artibonite im Norden des Landes, wo die Seuche Mitte Oktober auch ausgebrochen ist. Es gab dort bereits 828 Tote, nach offiziellen Angaben. In der Hauptstadt werden 281 Todesopfer gemeldet, und jeden Tag steigen die schrecklichen Zahlen.

Die Herkunft der Krankheit bleibt immer noch im Dunkeln. Lange waren die nepalesischen UNO-Soldaten die Schwarzen, man kann hier wohl sagen die Blauen Peter. Tatsächlich wurde bekannt, dass die 11 Gruben, in denen die Fäkalien der Verdächtigten entsorgt worden waren, von „wildernden“ Schweinen wieder ausgescharrt worden und die Tiere in der Folge gestorben seien. Nach Verzehr des kontaminierten Fleisches hätte es mit der Seuche begonnen. Und die Untersuchungskommission der UNO beginnt jetzt ihre Arbeit.

Durch den auf Neujahr ebenfalls aufgekommenen Unglauben, die Voudou-Priesterzauberer, Houngans und Mambos, hätten die Seuche mittels eines ausgeblasenen Zauberpulvers verbreitet, wurde die UNO weitgehend entlastet. Man darf gespannt sein, was die Untersucher der Weltbehörde dazu rausfinden und verlauten werden. Jedenfalls hatte sich das Vorgängergerücht schon so stark eingewurzelt, dass ein Volksdruck auf die Blauhelme und Helfer besteht, das Land zu verlassen, und aus streunenden Schweinen wurde pickelharte Weltpolitik.

Natürlich dementiert die UNO kategorisch die Beschuldigung ihrer Blauhelme. Ban Ban Ki-moon hat eine Untersuchungskommission eingesetzt, die morgen ihre Arbeit aufnehmen wird. Die Weltgemeinschaft ist beunruhigt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass bis in einem Jahr 400’000 Cholera-Fälle beklagt werden könnten. Das Klima der Verunsicherung im Verein mit dem Schlamassel der immer noch laufenden Wahlen behindert die Arbeit der Organisationen vor Ort maßgeblich, und vor allem mit Blick auf die Millionen immer noch obdachlosen Opfer.

Am meisten beunruhigt ist das Volk. Denn außer den tatsächlichen Bedrohungen zirkulieren Ängste und Gespinste aus Aberglauben, Mystizismus, Unwissenheit und Magie. So zirkuliert auch die Schauermär über geplante Genozidaktionen, mittels denen interessierte Staaten das lästige Volk ausrotten wollen, wie sie ja auch nach dem Goudou-goudou vom 12. Januar zirkulierten (tektonische Geheimwaffen und so … ). Sie wurden – meines Wissens – lediglich noch nicht medienkundig. Offenbar kümmern sich manchmal selbst die Medien um einige Plausibilität.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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