Haiti – “Baby Doc” Duvalier: Eine Ratte kehrt auf das sinkende Schiff zurück

babydoc

Datum: 18. Januar 2011
Uhrzeit: 09:19 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
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► Es ist das Schicksal der Menschen von Haiti zu leiden

Duvalier alias Baby Doc (heute 59) ist am Sonntagabend überraschend mit seiner Ehefrau Véronique Roy in der Prinzenstadt eingetroffen. Das fehlte gerade noch. „Laut Berichten lokaler Medien küsste Duvalier nach Verlassen der Maschine den Boden und sagte: „Mein Land Haiti, das Land der Dessalines“. Begeisterte Anhänger und ehemalige Beamte seines Regimes, darunter der einstige Außenminister und Chef der Präsidentengarde, empfingen ihn am Flughafen.“

Ein Gleichnis sagt, „Ratten verlassen ein sinkendes Schiff“. Nachdem der schrecklichste Tyrann aller Zeiten 1986 das Land verließ, begann Haiti auch rapide zu sinken. Er war nach blutigen Unruhen aus dem Land gejagt worden, soll Tausende von Menschenleben auf dem Gewissen haben und ließ politische Gegner foltern. Auf Kosten der Bevölkerung lebte er das Leben eines Jetset-Playboys. Ich hoffte, der Sinkgang des Staatsschiffes Haiti hätte 2010 den Tiefpunkt erreicht, denn wenn sich das Gleichnis umkehren lässt, würde das bedeuten, wenn Ratten auf ein Wrack zurückkehren, kann dies nur Wiederaufstieg bedeuten. Der Ex-Diktator ist inmitten der politischen Krise völlig überraschend in sein Heimatland zurückgekehrt. Noch ist völlig unklar, was der abgesetzte Despot mit seinem Besuch bezweckt.

Das Gerangel um die Präsidentschaft stottert immer noch, rangelt nun Baby mit und bringt es wieder auf Hochtouren? Wahlrat und Regierung sollen entmachtet sein, das wäre ja hilfreich. Was werden OEA und die UNO dazu sagen, ist denn der Sicherheitsrat auch entmachtet? Und die Botschafter der Großmächte, die NGOs bezw. großen Hilfswerke, und all die andern Mächte, Scheinmächte und Gespenster, die hier regieren?

In der Gerüchteküche brodelt es sehr schnell, das ist immer so. So glauben die Einheimischen zu wissen, dass es Präsident Préval persönlich sei, der das Schemen eingeladen habe. Er wolle wieder die Diktatur errichten und die Demokratie abschaffen, dazu brauche er eine erfahrene Beratung.

Jean-Claude Duvalier war Jurist- ausgerechnet- und folgte seinem Vater, dem Arzt François, genannt Papa Doc. Dieser hatte im Nachbarstaat zur Dominikanischen Republik bereits 1957 eine Familiendiktatur errichtet. Mit nur 19 Jahren war er der jüngste Präsident eines Landes überhaupt. Er stützte sich auf die Tontons Macoutes und auf Familienmitglieder als wichtigste Mitarbeiter. Sein Hauptverdienst stammte aus der Tabak-Administration, über die er das Tabakmonopol Haitis kontrollierte. Zu diesen steuerfreien Einnahmen kamen noch weitere Einnahmen aus staatlichen Unternehmen, die Duvalier kontrollierte. Seine Jahreseinnahmen lagen bei über 100 Millionen US-Dollar. Von ihm stammt das Zitat: „Es ist das Schicksal der Menschen von Haiti zu leiden.“

2007 habe Duvalier das haitianische Volk um Entschuldigung für die „während seiner Amtszeit begangenen Fehler“ gebeten. Präsident René Préval habe geantwortet, eine Entschuldigung sei nur möglich, wenn sich Duvalier der Justiz stelle. Wenn das stimmt und sich Baby einfindet um sich freiwillig zu stellen, vielleicht sogar vorgesehen am Jahrestag des Schreckensereignisses (mit leichter Verspätung), des Todestages der 300.000 (Baby Doc hatte es „nur“ auf 10% davon gebracht), dann würde das allerdings zu einem leichten Farbwechsel des Scheinwerferlichts berechtigen. Aber das wäre wohl wieder eines der berühmten haitianischen Wunder.

Im Moment logiert “Baby Doc” noch friedlich unter UN-Bewachung in einem Fünf-Sterne-Hotel, belagert von den Paparazzi, die sich natürlich über Nacht eingefunden haben. Man darf gespannt sein auf die versprochene Pressekonferenz.

Unterdessen forderten auch Anhänger von Ex-Präsident Jean-Bertrand Aristide dessen schnellstmögliche Rückkehr aus dem südafrikanischen Exil

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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