Hauptsache man ist verbunden

Telefonkabine-small

Datum: 07. Januar 2010
Uhrzeit: 21:56 Uhr
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Autor: Otto Hegnauer
Sprachkurs Spanisch (Südamerika)

Kommunikation ist Teilnehmen und Teilnehmen lassen, eine Sozialhandlung von Zellen und ganzen Lebewesen, nicht nur von Menschen, oder ein technischer Prozess von Geräten und Systemen. Kommunizieren heißt sich verbinden. Kommunikation ist Austausch von Information.

Zellen kommunizieren durch chemische und elektrische Signale, so auch ganze Pflanzen. Zellen und Pflanzen fühlen, haben bereits eine gewisse „Intelligenz“. Auch wenn dies oft als „sinnloses Psychologisieren der Natur“ abgetan wird.

Ameisen tauschen Informationen chemisch über vielerlei Duftstoffe und taktil durch das Betasten mit den Fühlern, Paviane „lausen“ in den Pelzen ihrer Partner, Tiere lecken sich gegenseitig, dies alles sind Formen der Kommunikation, sanfte Körperberührungen, die Zuneigung ausdrücken und über den Tastsinn der Haut wahrgenommen werden.

Glühwürmchen und Laternenfische senden Lichtsignale. Diese sind arttypisch und unterscheiden sich in Länge und Rhythmus. Sie dienen der Partnerwerbung und beim Zusammenhalt des Fischschwarms un dunkler Tiefe. Die Signale kann man bereits als primitive Sprache oder Software bezeichnen, die Leuchtorgane als Hardware. Wow, wenn wir unsere Handys gleich selbst erzeugen könnten, – sie wären uns dann schon von Geburt an angewachsen!!!

Murmeltiere pfeifen (eigentlich schreien), weil sie etwas Wahrgenommenes nicht verstehen. Ohne die andern warnen, ihnen etwas mitteilen zu wollen. Aber die andern haben gelernt, dass das Gefahr bedeutet, „machen Männchen“ um selbst nachzusehen, oder verschwinden direkt in ihre Erdlöcher.

Hunde kommunizieren mit Lauten, Gestik und Mimik, nachts singen sie oft um die Wette, Vögel zeigen durch Trillern und Zwitschern ihr Revier und halten Nebenbuhler auf Distanz, und Wale „sprechen“ mit ihren Partnern über tausende von Kilometern. Auch sie singen nachts über ganze Meere, ihre Liebeslieder finden die gesuchten Partner.

Auch die Menschen haben Kommunikationssysteme mit Klängen entwickelt, so wurden Informationen mit Natur- und Alphörnern, Naturjodeln oder Alpgebeten ausgetauscht. Auch wir Erdentüftler haben uns seit altersher mit Licht informiert, etwa die alten Chinesen mit Spiegeln, die Seebären mit Morsezeichen und die ersten Schweizer mit Höhenfeuern.

Rauchzeichen wurden von Indianerstämmen zum Austausch von Informationen eingesetzt. Sie setzten dem offenen Feuer nasses Gras zu, deckten anschließend die stark qualmende Feuerstelle mit einer Decke ab und setzten den sich sammelnden Rauch in bestimmten Abständen frei. Es ergab sich eine Zeichenfolge von „Rauch“ und „Nichtrauch“, ähnlich wie bei Morsezeichen.

Sogar Rauchen ist ein Kommunikationsmedium. Bei den Indianern kam die „Heilige Pfeife“ zum Einsatz, bei magischen Handlungen, Gottesdiensten, Friedensabschlüssen, zur Besiegelung von Freundschaften und während des Abschlusses von Geschäften. Während des Stopfens der Pfeife erzeugten die Männer Rauch durch Verbrennen von Süßgras und Salbei. Der Rauch sollte positive und negative Energien anziehen und böse Geister vertreiben. Die Pfeife wurde angezündet und die Häuptlinge rauchten vier Züge für die Großväter aller Himmelsrichtungen. Anschließend wurde die Pfeife in den Kreis der Versammelten gereicht.

Auch wir haben unsere „Sprachen ohne Mitteilungswert“, etwa das Lachen. Lachen als Kommunikation ist älter als die Sprache und kennt noch kein Babylon-Syndrom. A propos Mitteilungswert: ist denn etwa „Mir geht es gut“, „Ich bin erheitert“, „Ich lebe und freue mich“ und so fort keine Mitteilung? Kann die Interpretation durch den Empfänger noch eindeutiger sein?

Damit sind wir bei der „Sprache“. Das sind wir zwar schon längst, aber wir verkopften Menschen verstehen darunter nur eine aus Wörtern und Sätzen bestehende, also verbale Kommunikation und meinen damit die erfolgreichste, „höchste“ Kommunikationsform.

Kommunizieren muss man zielgruppengerecht. Das heißt „So rede wi eim de Schnabel gwachse-n-isch“ (pardon, mir ist er schweizerdeutsch gewachsen), oder einfach so, dass der Angeredete es einigermaßen versteht.

Es beginnt dort, wo man alle Fachfremden als Trottel anschaut. „Fachleute“ wollen oft zeigen, dass sie „studiert sind“. Sie heben mit der Sprache ab, auch das ist eine Mitteilung, aber nicht die die man zu machen vorgibt. Hinter Fremdwörtern versteckt sich Unkenntnis, Unsicherheit, oder Angst. Je weniger einer drauskommt, kann, und ist, desto komplizierter, unverständlicher drückt er sich aus. Je mehr einer weiß, kann, und ist, desto einfacher, verständlicher und spannender drückt er sich aus. Der Direktor eines Universitätsinstituts, ein berühmter Erfinder und Nobelpreisträger erzählte so, dass es jeder Laie zu verstehen glaubte, und verstand soweit es seine Vorbildung erlaubte. Zu meiner Zeit ging ich nur noch zu Vorlesungen der ganz Großen. Sie erzählten witzig, brillant, es war spannend, ihnen zuzuhören und schade, wenn die Zeit um war. Ihre Säle waren denn auch zum Bersten gefüllt, einige sprachen auf Tischen stehend über Mikro- oder Megaphone, die Saalzugänge wurden für Zuspätkommende verschlossen. Bei Assistenten, Assistenzprofessoren und anderen Emporkömmlingen war es umgekehrt, sie verbargen ihr Unverständnis hinter Fremdwortkotze und Pseudowissenschaftsfimmel, und sie sprachen jeder Didaktik Hohn. Ähnliches erlebt man im Militär, in der Wirtschaft, im Internet, „& more“.

Heute ist die Telefonitis ausgebrochen, zu einer Pandemie geworden, einer Volksseuche verkommen. Hier in Haiti können viele nicht lesen und schreiben, aber sie finden den Weg ins Internet und dann zueinander. Die einen aus einer Bidon-Bude, die andern ( die können gewöhnlich lesen und schreiben ) über das WIFI (Wireless Fidelity). Man ist mit dem Mobiltelefon Handy, Funktelefon, GSM-Telefon, Funker, Natel oder PDA (Handcomputer) unterwegs. Und zeigt jedermann, dass man verbunden ist.

Dieses Zeigen kann einen in Rage bringen. Während Aufführungen in Kinos, Theatern oder Opern und vor allem in Gotteshäusern oder auf Friedhöfen ist die Nutzung von Mobiltelefonen störend oder verboten. In Restaurants und Zügen stört das erzwungene Anhören fremder Privatprobleme ungemein, und vor allem hasse ich es zu jeder Nachtzeit geweckt zu werden, weil es für die Anrufer dann billiger ist. Ich schalte mein Telefon in dieser Zeit aus. Die Nutzung von Handys während der Fahrt ohne Freisprecheinrichtung ist Fahrzeugführern in Deutschland, Österreich und der Schweiz verboten. Auch In Krankenhäusern ist das Einschalten von Mobiltelefonen oft nicht erlaubt, da befürchtet wird, die elektromagnetischen Felder könnten die Funktion medizinischer Geräte beeinträchtigen. Hier in Haiti ist das Einschalten von Funktelefonen auch in Banken verboten. Der Gebrauch von Mobiltelefonen in Flugzeugen unterliegt Beschränkungen. Über Gesundheitsschäden durch die elektromagnetischen Wellen der Mobiltelefone und Antennenmasten wird eifrig diskutiert. Eine gesundheitliche Schädigung konnte bis jetzt nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Die Studien widersprechen sich allerdings in den Aussagen, sie wären ja sonst nicht wissenschaftlich.

Zum Schluss noch etwas über die Musik. Diese kann viel eingängiger sein als Sprache und hat andere Vorteile. Sie ist frei von den Komplikationen der Sprache und Sprachen. Wäre es möglich mit Worten so viele Menschen zum Tanzen, Springen und Schreien zu bringen wie an einem Open Air Festival oder an einem Rock- oder Rap-Konzert? Bei letzteren wie auch bei Liedern kommt alles zusammen: die Faszination der Musik, der Sprache und natürlich der Effekte und Shows. Über das Zusammenwirken von Musik und Sprache wussten im Mittelalter schon die Troubadours und Minnesänger Bescheid.

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Die exklusive Haiti-Kolumne im latina press Nachrichtenportal von Otto ‚Swissfot‘ Hegnauer. Der ehemalige Lehrer lebt seit mehreren Jahrzehnten auf Haiti und berichtet exklusiv von seinem täglichen Leben auf der Insel Hispaniola.

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