Tobago verweist uns in unsere Grenzen

Pferdeweide1

Datum: 12. Januar 2010
Uhrzeit: 14:54 Uhr
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Ein Problem brachte uns fast jede Nacht um unseren Schlaf. Die  Bambuseinzäunung der Weide war nicht so stabil, wie es uns von den Einheimischen erzählt wurde, und  wir es erhofft hatten. Nach kürzester Zeit wurde das Holz nämlich durch die extreme Sonneneinwirkung trocken und splitterte, oder zerbrach bei der kleinsten Gewalteinwirkung wie Streichholz. Dies hatten unsere Pferde sehr schnell herausgefunden. Fast jede Nacht wurden wir geweckt, weil einer unserer Nachbarn brüllte: “A horse is outside!“ Das bedeutete für uns dann jedes mal, schnell hohe Stiefel anziehen wegen der Schlangen und dem Ungeziefer, Taschenlampe und einen Strick greifen.

So ausgerüstet rannten wir nach draußen in den Busch, um die Pferde wieder einzufangen. Hatten wir sie entdeckt, waren sie natürlich noch lange nicht eingefangen. Die Pferde hatten nämlich ihren Spaß an diesen kleinen Abenteuern. Waren sie glücklich wieder alle drei auf der Koppel, galt es als nächstes, das Loch im Zaun zu finden. Dies war bei der Länge des Zaunes und totaler Finsternis oft ganz schön schwierig. Nicht selten passierte es, dass die Pferde uns zuvorkamen. Bis wir nämlich in der Lage waren, wenigstens provisorisch den Zaun wieder zu flicken, hatten die Pferde die Flucht zum zweiten Mal ergriffen. Das waren manchmal sehr bewegte Nächte! Wir nahmen uns vor, bald einen Offenstall zu bauen, um die Pferde bei Nacht im Stall unterbringen zu können. Bis dahin würden wir eben des Öfteren noch Nachtschicht einlegen müssen.

Aber auch am Tag sorgten unsere Pferde für Aufregung. Apollo, unser Lausbub, war ausgerissen. Er hatte sich durch den Fluss einen Weg gebahnt, ausgerechnet zum Grundstück eines Nachbarn, dessen Mutter dort ein Maisfeld angelegt hatte. Die jungen Maispflanzen, die gerade Mal 30-40 cm hoch waren, bedeuteten für ihn natürlich einen zarten Leckerbissen. Als wir ihn einfangen wollten, spielte er mit uns Fangen, und zertrampelte dabei noch mehr von dem Feld. Man darf sich die Größe des Ackers nun nicht so vorstellen wie wir es von Europa her kennen. Nein, es war ein größeres Gartenstück und der Mais wurde nur zum Eigenbedarf angepflanzt. Bevor wir unseren Ausreißer eingefangen hatten, kam mit fürchterlichem Gezeter die Mutter des Nachbarn an. Sie zählte doch tatsächlich sorgfältig die herausgerissenen Maispflanzen ab und verlangte dann von mir pro Korn einen unglaublichen Betrag. Zum Glück kam ihr Sohn, ein Rasta hinzu. Jeder wusste, dass er mit Drogen handelte, sie auch anbaute und deshalb schon mehrfach im Gefängnis gesessen hatte. Ich entschuldigte mich für die Verwüstung, die mein Pferd angerichtet hatte und versicherte ihm, für den Schaden aufzukommen. Er schaute mich sehr lange und durchdringend mit seinen schwarzen Augen an, so dass mir schon angst und bange wurde. Ich hielt jedoch tapfer seinem Blick stand und tat ganz furchtlos. Das musste ihm imponiert haben, denn plötzlich streckte er mir die geballte Faust entgegen und sagte „respect man“. Das bedeutete für ihn wohl so viel wie „Friede“.

Aber unsere Pferde bereiteten uns auch sehr viel Freude. Wir hatten mit ihnen bereits ein paar wunderschöne Ausritte unternommen. Da wir direkt am Rande des Regenwaldes wohnten, stießen wir gleich hinter unserem Haus auf einsame Wege, die in den Dschungel führten. Natürlich waren diese Ausritte immer etwas abenteuerlich. Es konnte vorkommen, dass entweder ein riesiger umgestürzter Baum oder sogar ein angebundener Ochse den Weg versperrte, und wir uns dann Umwege durch den Busch erkämpfen mussten. Es konnte auch passieren, dass ein Schwarm Papageien, aufgeschreckt durch unser Auftauchen, plötzlich davon flog, und unsere Pferde deshalb im Galopp  mit uns durchgingen. Bei einem unserer Ausritte entdeckten wir einen wunderschönen Weg. Er führte in Serpentinen bis zur Spitze eines Berges. Von dort oben hatte man eine gigantische Aussicht. Unter uns lag auf der einen Seite die Karibik mit ihrem türkisfarbenen Wasser, während sich auf der anderen Seite das etwas dunkler scheinende Wasser des Atlantiks erstreckte. Dieser Ausblick war unglaublich, fast kitschig schön.

Einmal blieb ich beim Ausreiten mit dem Arm an einer Dornenhecke hängen. Die Dornen rissen mir die Haut ein wenig auf. Es war nichts Schlimmes, eben ein paar Kratzer. Bis ich zu Hause ankam hatte ich jedoch Schmerzen im ganzen Arm, und auf den Kratzern hatten sich rote Blasen gebildet. Mit Hilfe unserer Hausapotheke bekam ich das Ganze wieder in den Griff. Danach war ich jedoch vorsichtiger, denn im Dschungel gab es Pflanzen, die wir anscheinend überhaupt nicht kannten, und deren Wirkung wir nicht einschätzen konnten.

Immer wieder wurden wir durch solche Ereignisse in unsere Grenzen verwiesen.

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In „Abenteuer auf Tobago“ erzählt Solveigh Köllner von all den Abenteuern und Gefahren, aber auch von der einzigartigen Natur der Insel im karibischen Meer und den faszinierenden Eindrücken einer fremden Kultur.

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