Pantanal: Exotisches tropisches Paradies in Brasilien

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Datum: 22. Februar 2010
Uhrzeit: 11:26 Uhr
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Autor: Klaus Schenck
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Es ist ein exotisches tropisches Paradies und eine moderne Arche Noah für Jaguare, Papageien und Kaimane: Das Pantanal im Dreiländereck Brasilien, Paraguay und Bolivien gehört zu den letzten Naturwundern auf der Erde. Was die riesige Ebene inmitten des südamerikanischen Kontinents so einzigartig macht, ist die ungewöhnliche Mischung an Lebensräumen, die hier nebeneinander existieren: Vom Dschungel, über Trockenwälder, Savannen, Steppen bis hin zu Seen und mächtigen Flüssen.

Zwischen Juli und September ist das größte Feuchtgebiet der Welt warm, trocken und manchmal sogar richtig staubig. In der Ära der Dinosaurier war die rund 230.000 Quadratkilometer große Ebene noch Teil eines gewaltigen Binnenmeeres. Heute dagegen gibt es hier riesige Graslandschaften, auf denen teilweise Rinder weiden. In den verbliebenen Wäldern leben noch Jaguare, Pekaris, Ameisenbären und viele verschiedene Vogelarten, die von den vielen Wasserlöchern und Tümpeln angelockt werden, um zu trinken oder nach Beute zu jagen.

Szenenwechsel: Nur wenige Monate später, von November bis März. In der Regenzeit verändert sich das Aussehen des Pantanals völlig. Die Flüsse können die Wassermassen, die dort und in den umliegenden Bergketten fallen, nicht mehr bändigen und sind über die Ufer getreten. Bis auf 60 Kilometer Breite dehnen sie sich aus. Auch metertiefe Seen, Sümpfe und Lagunen überziehen jetzt rund zwei Drittel des Gebietes und verwandeln das Pantanal in ein überdimensionales Aquarium. Heraus ragen nur grüne und gelbe Hügellandschaften, höher gelegene Wälder und die auf Warften gebauten Farmhäuser der Einheimischen.

Fische schwimmen über ehemals trockenen Boden, und Wasserhyazinthen breiten sich explosionsartig aus. Die Landtiere haben sich in höhere Regionen gerettet oder sind in den Wassermassen umgekommen. So wie 1988, als die Überschwemmung besonders drastisch ausfiel und rund 800.000 Rinder in den Fluten ertranken.

Die Tier- und Pflanzenwelt des Pantanals hat sich im Laufe der Evolution perfekt an die regelmäßigen Überflutungen angepasst. Die Natur schöpft daraus sogar neue „Energie“, denn jährlich werden durch die Wassermassen viele Millionen Tonnen an nährstoffreichen Sedimenten in der Region abgelagert. Sie dienen als Dünger für die Pflanzen oder als Beute für die zahlreichen Fische und wirbellosen Tiere in den Gewässern. Einer der Gründe, warum das Pantanal Jahr für Jahr zu einer einzigartigen Wasserwelt wird, ist das geringe Gefälle des einzigen Flusses, des Paraguay, der das Feuchtgebiet Richtung Süden verlässt.

El Dorado für Tiere und Pflanzen

In dem gewaltigen Feuchtgebiet gibt es sie noch: die „Auslaufmodelle“ der Evolution, die durch den menschlichen Einfluss, die Wilderei und die Beschneidung ihres Lebensraumes anderswo auf der Welt längst an den Rand der Ausrottung gebracht worden sind. Weit über 600 Vogelarten, 265 Fischarten, 123 Säugetierspezies, dazu unzählige Reptilien und Amphibien sowie fast 2.000 Pflanzenarten beherbergt das Pantanal. Jaguar und Puma durchstreifen auf der Suche nach Beute die Wälder und Savannen. In den Baumwipfeln tummeln sich Scharen von seltenen Vögeln. Brüllund Kapuzineraffen turnen von Ast zu Ast und Brillenkaimane lauern in den Sümpfen und Lagunen auf Opfer oder halten ein Nickerchen.

Rund 3,5 Millionen Exemplare dieser Urzeitechsen gibt es im Pantanal – so viele wie nirgendwo sonst auf der Welt. Dazu kommen Anakondas – mit bis zu zehn Meter Länge die größten Würgeschlangen der Welt – Wasserschweine, Pekaris, Riesenotter, Piranhas, bunt schillernde Schmetterlinge und faustgroße Libellen, die alle dort ein letztes Rückzugsgebiet gefunden haben.

Zahlreiche Pflanzen- und Tierarten sind in den letzten Jahrzehnten allerdings dramatisch in ihrem Bestand reduziert worden. Die Lebensräume des Jaguars, der größten Wildkatze Amerikas, sind ebenso wie die Futter-, Nist- und Brutplätze der raren Hyazinth-Aras durch die Ausdehnung von landwirtschaftlich genutzten Flächen stark zurückgegangen. Von den Hyazinth-Aras mit ihren blauen Gefiedern existiert nur noch eine kleine von Ausrottung bedrohte Population. Der Rückgang der Acuriund Bocajuvapalmen, deren Nüsse die einzige Futtergrundlage dieser größten Papageienart der Welt sind, könnte in naher Zukunft das Verschwinden der Vögel in der Natur bedeuten. Verstärkt wird die Gefährdung durch den illegalen Schmuggel der geschützten Tiere. Skrupellose „Vogelliebhaber“ in Nordamerika bezahlen bis zu 100.000 Dollar für ein Paar.

Pantanal in akuter Gefahr

Umweltschützer befürchten, dass das Pantanal bereits in 50 Jahren vollständig verschwunden sein könnte. „Im Einzugsgebiet wird immer mehr Soja und Ethanol für die Märkte in Europa und Nordamerika produziert – auf Kosten unserer einzigartigen Natur“, so Adalberto Eberhard, Gründer der brasilianischen Naturschutzorganisation ECOTROPICA. „Abholzung, Erosion und Vergiftung unserer Flüsse und Seen im Pantanal sind die Folge der erweiterten Anbauflächen für Soja und Zuckerrohr. Durch ihre jüngste Genehmigung für den Bau von Ethanolfabriken erweist sich die Regierung von Mato Grosso do Sul als Totengräber des Pantanals“.

Durch die Ethanol-Destillen im Einzugsbereich des Pantanals gelangen ungeklärte Abwässer in das weit verzweigte Flusssystem des Feuchtgebietes. Gleichzeitig müssen Lebensräume seltener und von Ausrottung bedrohter Arten neuen Zuckerrohrplantagen weichen. Infolge der wachsenden Nachfrage nach „Bio“treibstoffen in den USA und in Europa will Brasilien seine auf Zuckerrohr basierende Ethanolproduktion von 17,4 Milliarden Liter (Ernte 2006) bis auf 35,4 Milliarden Liter steigern. Auch der Anbau von Soja soll ausweitet werden. Neben der Verwendung als Futtermittel eignet sich die Nutzpflanze als „Bio“treibstoff. Brasilien ist mit 50 Millionen Tonnen der zweitgrößte Sojaproduzent der Welt. Bereits heute dehnen sich riesige Sojaund Zuckerrohrfelder in ursprünglich bewaldeten, höchst artenreichen Savannenlandschaften, dem Cerrado, aus. Ein intakter Hochland-Cerrado ist jedoch von wesentlicher Bedeutung für den natürlichen Wasserhaushalt des tiefer gelegenen Pantanal-Überschwemmungslandes. Rodung und Bodenverdichtung durch den Einsatz schwerer Landmaschinen führen zu Erosion und Veränderung des Wassersystems. Die eingesetzten Kunstdünger und Pestizide werden ausgeschwemmt und verschlechtern die Wasserqualität der ins Pantanal fließenden Flüsse.

Abholzung und ihre Folgen

Doch nicht nur Umweltgifte machen Wissenschaftlern und Umweltschützern Sorgen, denn durch die Zerstörung des Cerrado ist noch ein weiteres Schreckgespenst aufgetaucht: die Bodenerosion. Wie gefährlich sie für das Pantanal ist, haben schon in den 90er Jahren Wissenschaftler des deutsch-brasilianischen Pantanal-Ökologie-Projektes untersucht. Bereits damals Jahren konnten sie in ihren Studien einen dramatischen Anstieg der Sedimentlast in den Flüssen nachweisen.

Die stark sandhaltigen Böden sind nach dem Abholzen der Wälder nahezu schutzlos der abtragenden Wirkung von Wind, Regen und Sonne ausgesetzt. So entstehen entlang von neu angelegten Erdstraßen in den Landwirtschaftszentren vor allem bei schweren Regenfällen immer wieder metertiefe Erosionsrinnen. Sturzbäche aus Wasser und Sand ergießen sich dann in die Flüsse und verstopfen sie regelrecht. „Es ist extrem wichtig, die Gebiete rund um die Pantanalebene zu schützen, denn diese sind die Quellregionen für die Flüsse, die das Feuchtgebiet ausmachen“, fordert Sandro Menezes, der Leiter des Pantanal Programms von Conservation International do Brasil.

Eine Studie der Umweltorganisation aus 2006 zeichnet ein verheerendes Bild von der Situation im Pantanal und seinem Umland. Nach den Ergebnissen der Umweltschützer ist durch die immer stärker wachsende Landund Viehwirtschaft im Einzugsgebiet des Paraguay-Flusses bereits nahezu die Hälfte der natürlichen Vegetation verloren gegangen. Betroffen von den dramatischen Veränderungen sind zwar vor allem die Gebiete um das Pantanal herum, aber auch das Feuchtgebiet selbst hat bereits 17 Prozent seines natürlichen Bewuchses eingebüßt.

Ist die Gegenwart schon trüb, sieht Conservation International do Brasil für die Zukunft sogar schwarz: Denn die Studie der Umweltschützer kommt zu dem Schluss, dass die natürliche Pflanzenwelt des Pantanals schon im Jahr 2050 komplett ausgelöscht sein könnte, wenn die Zerstörung im gleichen Tempo weiter geht wie bisher.

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