Wie wird Erfolg im Fußball messbar? Mit der heute verfügbaren Menge an Positionsdaten im Fußball scheint diese Frage vor einer Weltmeisterschaft besonders interessant. Trainingswissenschaftler Dr. Daniel Link von der Technischen Universität München (TUM) hat ein Modell entwickelt, mit dem sich die Torgefährlichkeit einer Mannschaft messen lässt. Tore lassen im Fußball nur bedingt eine Aussage über die Leistung einer Mannschaft und die Qualität ihrer Spieler zu: Sie fallen selten, manchmal durch eine einzige Unaufmerksamkeit oder einer hochdominanten Mannschaft fehlt das Quäntchen Glück.
Indikatoren wie Torschüsse, erfolgreiche Pässe, Zweikämpfe, Ballbesitz und zurückgelegte Distanzen sind insbesondere in den Medien weit verbreitet, jedoch auch ihr Nutzen ist als Maßeinheit für Leistung zu hinterfragen. Im Halbfinale der letzten Weltmeisterschaft 2014 beispielsweise hatte Deutschland weniger Torschüsse als Brasilien (im Verhältnis 14:18), aber kaum ein Zuschauer würde an der Überlegenheit Deutschlands in diesem Spiel (7:1 Tore) zweifeln.
Für das Buch „Data Analytics in Professional Soccer“ von Dr. Daniel Link sind Situationen, in denen die Möglichkeit besteht ein Tor zu erzielen, zentrales Kriterium für die „Leistung“ im Fußball. „Im Fußball kommt es primär darauf an, dass eine Mannschaft mit dem Ball in den torgefährlichen Bereich um das Tor kommt und den Gegner umgekehrt daran hindert“, sagt der Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der TUM. In dem gerade veröffentlichten Werk präsentiert er sechs Einzelstudien mit innovativen mathematischen Ansätzen zur Spielanalyse und Spielerbewertung im Profifußball.
Echtzeit-Analyse mithilfe von optischem Tracking
Der Trainingswissenschaftler stellt in dem ursprünglich in „PLOS One“ veröffentlichten Kapitel 3 objektive Kriterien vor, um in Echtzeit die Mannschaftsleistung mit einem eigens dafür entwickelten Algorithmus festzustellen. Mit seinem Verfahren ermittelt er für jeden Zeitpunkt, zu dem ein Spieler im Ballbesitz ist, eine quantitative Darstellung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Tor erzielt wird – „ich bezeichne dies als Dangerousity“, sagt Link. Die Berechnung dieser Metrik basiert auf der räumlichen Konstellation von Spieler und Ball und besteht aus den vier Komponenten Druck, Dichte, Ballkontrolle und Spielfeldzone. Der englische Begriff Dangerousity wird in der Sportdaten-Community inzwischen weltweit referenziert.
Mit diesem Ansatz hat der Autor in Zusammenarbeit mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) 64 Bundesligaspiele ausgewertet. Die Positionsdaten der Spieler und des Balls wurden über ein optisches Tracking-System erfasst. Außerdem wurde die automatische Bewertung durch Links Algorithmus mit Bewertungen durch semi-professionelle Fußballtrainer bei hundert Spielszenarien verglichen. Hierbei zeigte sich eine hohe Übereinstimmung zwischen der Einschätzung der Szenen zwischen der Maschine und dem Menschen. Die Auswertung erfolgte mit Unterstützung des DFL-Tochterunternehmens Sportec Solutions (STS).
„Aus der Gefährlichkeit lassen sich weitere Metriken ableiten, mit denen Fragen zur Analyse des Spiels beantwortet werden können“, erklärt der Sportwissenschaftler seinen neuen Ansatz. „Wir verwenden diese Metriken, um einzelne Aktionen in einem Spiel zu analysieren, Spielpassagen zu beschreiben und die Leistung als auch Effizienz von Teams über die Saison zu charakterisieren.“ Für zukünftige Studien würden sie ein zufalls- und ergebnisunabhängiges Kriterium darstellen, um den Einfluss von zentralen Ereignissen in einem Fußballspiel, verschiedenen Spielsystemen oder taktischen Gruppenkonzepten auf den Erfolg hin zu untersuchen.
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