Wie Gaswolken zu Sonnen zerfallen

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Bild des massereichen Sternhaufens NGC 3603, aufgenommen mit dem Very Large Telescope. Bild: ESO
Datum: 25. Januar 2019
Uhrzeit: 08:00 Uhr
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Autor: Redaktion
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Mit dem ALMA-Observatorium in Chile hat eine Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Henrik Beuther vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg die bisher detailliertesten Beobachtungen dazu gemacht, wie eine riesige Gaswolke in dichtere Teilregionen zerfällt, die dann als Geburtsstätten von Sternen dienen. Die Astronomen fanden heraus, dass die Mechanismen der Fragmentierung vergleichsweise einfach sind und sich aus der Kombination von Druck und Schwerkraft der Wolke ergeben. Komplexere Phänomene wie Magnetfelder und Turbulenzen spielen eine geringere Rolle als bisher angenommen.

Sterne entstehen, wenn riesige Gaswolken und Staub kollabieren. Wann immer es dabei in einer Region der Wolke heiß und dicht genug wird, dass Wasserstofffusion einsetzen kann, wird ein Stern geboren. Für massereiche Sterne, also solche mit mehr als dem 8-Fachen der Masse der Sonne, ist das jedoch nur ein Teil des Bildes. Die größten Sterne im Universum werden nicht einzeln geboren. Sie entstehen aus massereichen Wolken aus molekularem Gas, die beim Kollaps in eine Kaskade von Fragmenten zerfallen. Aus vielen dieser Fragmente entsteht dann ein einzelner Stern oder ein Doppelsternsystem.

Bereits seit längerem wird diskutiert, ob diese Fragmentierung andere physikalische Mechanismen erfordert als der Wolkenkollaps bei Sternen mit geringerer Masse. Gibt es in den massereichen Wolken hinreichend starke turbulente Gasbewegungen, die destabilisierend wirken und so zu einem schnelleren Kollaps führen?

Der Kollaps, der die Entstehung massereicher Sterne auslöst, findet als Kaskade statt. Am oberen Ende der Größenskala stehen riesige Molekülwolken, die überwiegend aus Wasserstoffgas bestehen und die zwischen einigen Dutzend und mehr als hundert Lichtjahren groß sein können. Innerhalb dieser Wolken bilden sich verschiedene dichtere Regionen aus, typischerweise einige Lichtjahre im Durchmesser. Jede dieser Regionen enthält einen oder mehrere dichtere Kernregionen („cores“), die jeweils weniger als ein Fünftel eines Lichtjahres groß sind. Innerhalb jeder dieser Kernregionen führt der Kollaps zur Bildung entweder eines einzelnen Sterns oder mehrerer Sterne. Sterne, die gemeinsam innerhalb einer Kernregion entstehen, bilden anschließend einen Sternhaufen.

Verräterische Größenskalen

Wie diese Hierarchie der Fragmentierung entsteht, hängt von den beteiligten Mechanismen ab. Das einfachste Modell kommt mit Physik aus, wie man sie im Schulunterricht finden kann: Ein ideales Gas besitzt einen inneren Druck, der von seiner Temperatur und Dichte abhängt. In einem vereinfachten Modell der Gaswolke, das konstante Dichte annimmt, muss dieser Druck überall stark genug sein, um die Schwerkraft auszugleichen – auch im Zentrum der Wolke, wo der Druck am stärksten ist. Eine einfache Rechnung zeigt, dass eine solche Wolke mit konstanter Dichte nur bis zu einer bestimmten Maximalgröße stabil ist. Wird diese Größe, die sogenannte Jeanslänge, überschritten, dann zerfällt die Wolke in kleinere Fragmente.

Wird die Fragmentierung bei der Entstehung massereicher Sterne tatsächlich von diesen vergleichsweise einfachen Prozessen dominiert? Das muss nicht sein, und einige Astronomen haben deutlich komplexere Szenarien konstruiert, in denen turbulente Gasbewegungen und Magnetfelder eine wichtige Rolle spielen. In diesen Modellen ändern sich dann auch die kritischen Größen, die zur Fragmentierung führen.

Das heißt aber: Schaut man nach, welche Größen die verschiedenen Fragmente tatsächlich haben, dann kann man die Vorhersagen sowohl des einfacheren physikalischen Szenarios als auch der komplexeren Mitbewerber auf die Probe stellen. Genau das haben Henrik Beuther und seine Kollegen getan, indem sie die Sternbildungsregion G351.77-0.54 im südlichen Sternbild Scorpius (Skorpion) unter die Lupe nahmen. Frühere Beobachtungen hatten gezeigt, dass diese Region gerade einen solchen Fragmentierungsprozess mitmacht; auf der untersten Eben der Fragmente entstehen bereits die ersten Sterne. Aber die Kernregionen, aus denen dann tatsächlich die einzelnen Sterne entstehen, blieben dem Blick der Astronomen bisher verborgen.

Durchblick dank ALMA

Beuther und seine Kollegen konnten einen deutlich genaueren Blick auf die Region werfen als ihre Vorgänger. Ihr Schlüssel zu feineren Details war das ALMA-Observatorium in der Atacama-Wüste in Chile. ALMA kombiniert die gleichzeitigen Beobachtungen von bis zu 66 Radioteleskopen so, dass sich am Ende eine Winkelauflösung von 20 Millibogensekunden ergibt. Damit lassen sich Details erkennen, die mehr als zehnfach feiner als bei jedem bisherigen Radioteleskop sind – und das bei deutlich gesteigerter Empfindlichkeit der Beobachtungen. Diese Kombination hat bereits in einigen Bereichen der astronomischen Forschung zu beeindruckenden Durchbrüchen geführt.

Mit ALMA konnten die Astronomen jetzt das massereiche Sternentstehungsgebiet G351.77-0.54 bis hinunter zur Unterstruktur der kollabierenden Kernregionen untersuchen – bis zu Strukturen, die kleiner als 50 astronomische Einheiten sind (also kleiner als das 50-Fache der durchschnittlichen Entfernung zwischen Erde und Sonne). „ALMA ist ein Paradebeispiel dafür, wie Fortschritte in der Beobachtungstechnik die Forschung vorantreiben. Ohne die beispiellose räumliche Auflösung und Empfindlichkeit von ALMA hätten wir unsere Ergebnisse nicht erzielen können“, sagt Henrik Beuther.

Die Beobachtungen sowie frühere Studien derselben Wolke auf größeren Skalen deuten darauf hin, dass die einfachen Rechnungen zum Innendruck von Wolken zur Beschreibung der Fragmentierung tatsächlich ausreichen. Sowohl die dichteren Regionen, als auch die Kernregionen, in die sie zerfallen, und sogar einige der Unterstrukturen haben die erwartete Größe von ungefähr einer Jeanslänge, ohne dass weitere Zutaten benötigt werden. „Unsere Beobachtungen sprechen für eine einheitliche physikalische Beschreibung. Die Fragmentierung von den größten bis zu den kleinsten Größenskalen scheint von denselben physikalischen Prozessen bestimmt zu sein“, sagt Beuther.

Kleine Akkretionsscheiben als neue Herausforderung

Einfachheit ist bei wissenschaftlichen Beschreibungen ein großer Vorteil. Ein weiteres Ergebnis der Astronomen erweist sich dagegen als Herausforderung. Beuther und seine Kollegen hatten bei ihren Beobachtungen auch versucht, mehr über die Eigenschaften der gerade entstehenden Sterne („Protosterne“) in den Kernregionen herauszufinden. Ein solcher Protostern sollte von einer wirbelnden Gasscheibe umgeben sein, einer sogenannten Akkretionsscheibe. Vom inneren Scheibenrand fällt dabei Gas auf den Stern und erhöht dessen Masse. Eine kleine Menge an Gas wird bei solchen Scheiben allerdings auch mit hoher Geschwindigkeit ins All geschleudert. Dabei bilden sich sogenannte Jets – zwei eng gebündelten Teilchenströmen senkrecht zur Akkretionsscheibe, die durch die Wechselwirkung von ionisiertem Gas und Plasma entstehen.

Das Submillimeter-Licht aus der Umgebung der Protosterne enthält aufschlußreiche Informationen über die Bewegung des dortigen Gases. Auf diese Weise hatte das Team um Beuther gehofft, eindeutige Hinweise auf eine Akkretionsscheibe zu finden. Stattdessen fand es vor allem die Spuren der Jetmaterie, die sich einen Weg durch das umgebende Gas bahnt. Offensichtlich sind die Akkretionsscheiben massereicher Protosterne kleiner, als die Astronomen erwartet hatten – eine Herausforderung für zukünftige Beobachtungen mit noch höherer räumlicher Auflösung.

Die hier beschriebenen Untersuchungen wurden durchgeführt von Henrik Beuther, Aida Ahmadi, Joseph Mottram, Hendrik Linz, Thomas K. Henning und Rolf Kuiper (auch Universität Tübingen) in Zusammenarbeit mit Luke T. Maud (Leiden University und ESO), Andrew J. Walsh (Macquarie University), Katharine G. Johnston (University of Leeds) und Steve N. Longmore (Liverpool John Moores University).

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