Die Regierung Piñera sitzt in einer juristischen Falle: die Mapuche berufen sich nun auf die UN-Dekklaration über die Grundrechte der Indigenen Völker vom Juni 2006. Deren Artikel 3 sichert ausdrücklich jedem indigenen Volk „das Recht auf Selbstbestimmung-„, und Artikel 26, Abs.1 „…das Recht auf Land, Territorien und Ressourcen zu, die sie traditionsgemäss besessen-, oder in anderer Form genutzt oder zugestanden bekommen haben“.
Den Schutz dieser Rechte hatte Napoleon-Freund, Orélie Antoine de Tounens, – zugereister französischer Abenteurer, von Nebenberuf Anwalt – den Mapuche bereits 1860 zugeflüstert und mit ihren Stammesfürsten, allen voran Lonko Quilapán, das närrische Königtum Araukanien & Patagonien gegründet, an das sich jedoch so mancher Mapuche-Führer der Gegenwart gern erinnert. Daß aber seinerzeit von der Staatsmacht in Santiago als Indiz für „Ausländer-Infiltration“ und „Separatismus“ interpretiert und als erhärtender Anlass für die illegale Invasion der Mapuche-Urheimat benutzt wurde. Ironie der Geschichte: europäische Siedler und die Regierung in Santiago verbreiten seit Jahren die Mähr, die Mapuche würden von der ETA, und sogar den kolumbianischen FARC „ausgebildet“. Die lächerliche, infame Unterstellung wurde niemals bewiesen.
Selbstverständlich, haben einige Mapuche-Führer und Gelehrte in den vergangenen Jahren intensive Reiseaktivität entwickelt, die von den chilenischen Sicherheitsdiensten mit Arglist beobachtet wird: nach Irland, Katalunien und Kanada, aber auch in die skandinavischen Länder und die Südsee – immer dort, wo demokratische Staaten regionale Autonomie-Bewegungen oder Territorial-und Selbsbestimmungsansprüche indigener Völker grosszügig in geltendes, eventuell in Chile anwendbares Staatsrecht umsetzten.
Diese Hoffnung vereinigt royalistische, vom chilenischen Staat teils kooptierte und linke Mapuche-Führer, wie Aucán Huilcamán – Vorsitzender des „Consejo de Todas las Tierras – Rat für alle Territorien“ – der vor einigen Jahren auf der Grundlage des immer noch in Kraft befindlichen „Anti-Terror“-Gesetzes aus der Feder des Diktators Augusto Pinochet, verurteilt wurde und hinter Gittern saß. Notabene: es war nicht die konservative Piñera-Administration, sondern waren ausgerechnet die Mittelinks-Regierungen Ricardo Lagos und Michelle Bachelet die Pinochets „Terroristen“-Gesetze gegen militante Mapuche anwendeten. Diese Kopflosigkeit hat das einst gemeinsame Quell zwischen den Erben Salvador Allendes und den Mapuche endgültig vergiftet.
Zunächst beeilte sich die Regierung mit einer Absage an ihre ausdrücklich von den Organisatoren erwünschte Beteiligung, und sprach den Initiatoren ihre Representativität ab. Von 13 regionalen Mapuche-Führern (siehe Namensliste als Fussnote – darunter der respektable Eric Vargas, von der Grenze zu Patagonien) aufgerufen und zahlreichen Mapuche-Künstlern und Autoren –– darunter der renommierte Journalist Pedro Cayuqueo – unterstützt, ist das Gipfeltreffen keineswegs „unterräpresentiert“, wie von Ultrakonservativen in Regierung und Presse und neiderfüllten Mapuche-Splittergruppen und deren Internet-Seiten behauptet wird. Am Vorabend des Gipfels änderte die Regierung jedoch, wie so oft, ihren Kurs und delegierte zwei linientreue Gouverneure als „Beobachter“ zu den „Wilden“.
In Parallelgesprächen Innenminister Andrés Chadwicks mit gemässigten Mapuche-Bürgermeistern in Araukanien, verlangte die Regierung eine klare Verurteilung des „Terrorismus“, sprich die Brandanschläge der vergangenen Tage, die dem Schweizer abstammenden Grundbesitzer Werner Luchsinger und Ehefrau Myriam Mackay das Leben kosteten, doch wurde die Regierung selbst hier in eine Sackgasse manövriert, denn die Alcaldes sehen wenig Sinn in den immer uneffektiven, weil folgenlosen „Rundtischen“ mit der Regierung im fernen Santiago, und fordern obendrein den Abzug der rüden, bis an die Zähne bewaffneten Carabineros, die momentan Araukanien besetzen.
Artikel 1 der Gipfel-Plattform fordert ebenso die “Entmilitatiserung“ der Gegend, vor allem aber „die Anwendung und Erfüllung der [historischen Territorial]-Verträge“. Die stolzen Indianer wollen kein high noon, doch könnte dieser Gipfel der countdown für den langersehnten Autonomie-Status der Mapuche einläuten.
Das einzelne Staatsoberhäupter der EU, während dem bevorstehenden EU-LAC-Gipfel vom kommenden 26. Januar in Santiago de Chile, Piñera nach diesem Status auf den Zahn fühlen und die Grundrechte von 1,0 Mio Menschen, also 8 Prozent der Bevölkerung Chiles, nicht als „Polizeisache“ zu behandeln empfehlen werden, das ahnen die Mapuche. Doch diesen „Opportunismus“ will ihnen die Regierung nicht vergeben.
Die Initiatoren des Mapuche-Gipfels:
Pascual Pichun Paillalao Lonko de Temuclemu
Jorge Huenchullan Werken Temucuicui Autónomo
Aucan Huilcaman Paillama Consejo de Todas las Tierras
José Santos Millao Presidente Nacional Ad-Mapu
Manuel Painiqueo Comunidades Mapuche de Lumaco
Eric Vargas Quinchaman Lonko Willimapu de Puerto Montt
Ricardo Nahulepi Comunidad Mapuche de Pantano
Victorino Antilef Presidente Asociación Kallfulican
Cristian Chiguay Lonko de Quellon
Victor Marilao Mariqueo Lonko Huichawe
Patricio Antilao Comunidad Mapuche Curaco- Galvarino
Eduardo Callupe Unión de Comunidades Mapuche de Lumaco
Javier Painiqueo Unión de Comunidades Mapuche de Lumaco.
Über den Autor
Frederico Füllgraf wuchs als Sohn deutscher Einwanderer in südbrasilianischen Curitiba, einst Metropole der südamerikanischen Kaffeeprodukion, auf. Er studierte Publizistik, Politische Wissenschaften und Lateinamerikanistik an der Freien Universität Berlin. Füllgraf ist auch als Regisseur zahlreicher Dok- und Industriefilme über Umweltmanagement (u.a Siemens, Osram) und nachhaltige Enwicklung bekannt.
Als Rundfunkautor und Produzent und wegen seiner Sprachkenntnisse in Portugiesisch und Spanisch, wurde er im Auftrag der ARD (v.a. des WDR, Köln) öfter in politische Krisengebiete, darunter Portugal, Angola, Argentinien und Chile entsandt.
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