„Mejor en Bici“ – wie es funktioniert
Als das Programm im Dezember 2009 begann, nutzten lediglich 0,4 Prozent der Einwohner Buenos Aires´ das Rad als reguläres Fortbewegungsmittel, drei Jahre später sind es bereits 2,0 Prozent. Der Erfolg ist dreierlei strategischer Maßnahmen zu vedanken: Der Ausbau der Radwege, die Einführung eines kostenlosen öffentlichen Transportsystems mit dem Fahrrad und, drittens, nachdrückliche Werbung für dessen öffentliche und private Verbreitung.
Sehr entgegen kamen den Planern Geografie und klimatische Voraussetzungen der Hauptstadt, deren Großraum auf 2.680 km2 (Berlin: 892 Km2) flach ausgedehnt ist, nur selten von starken Niederschlägen betroffen wird und Wohnort zigtausender Studenten, Naturfreunden und Sportlern ist. In einem Wort: Buenos Aires ist eine Fahrrad-freundliche Weltstadt.
Diesem Atribut wollten die Stadtplaner gerecht werden und ihr Angebot mit Sicherheit und Komfort qualifizieren. Der erste Radweg-Abschnitt wurde sofort mit “Estacionamientos”, also Radgaragen ausgestattet, die in kommerziellen Parkunternehmen zu Niedrigkosten funktieren. Diese ergänzte die Stadt mit der Schaffung von Abstell-Auffangstellen für die ersten 1.000 Privaträder. Strategische Strukturmaßnahme ist der kontinuierliche Kontakt zu Privatunternehmen, Schulen und Universitäten, mit dem Ziel, diese in das Programm zu integrieren und zusätzliche Parkkapazitäten auszuloten und anzubieten (Programm „Empresas Amigas de la Movilidad Sustentable“).
Komfort mit Sicherheit
Auf den in zwei Jahren ausgebauten 95 Kilometern Radwegen in Buenos Aires (Berlin: 650 Kilometer, laut Berliner Senatsverwaltung für Verkehr und Stadtentwicklung) wurden zur Sicherheit der Radfahrer neue Radampeln installiert und die Strecke mit grün ausgemalten Sicherheitsstreifen an Kreuzungen ausgestattet. Als Pilotmaßnahme, werden an Plaza San Martín und Plaza Bernardo Houssay Radparkanlagen mit Video überwacht. Zielangabe des Programms ist, bis Ende 2013, die Radwegstrecke auf 130 Kilometer auszudehnen, 100 Entleihstationen einzurichten, 2.000 kostenlose Fahrräder anzubieten und das gesamte System mit zusätzlichen 1.000 Videokameras zu überwachen.
Doch mit der “Hardware” allein wäre nicht das Entscheidende für die Sicherheit getan. Die Programmleitung hat begriffen, dass die Bevölkerung insgesamt auf den neuen Akteur im Strassenverkehr aufmerksam und instruiert werden muss, weshalb kontinuierlich Aufklärungskurse für Bus- und Taxifahrer, Eltern von Schulkindern und Schulleitungen abgehalten werden, um den Schutz der Radfahrer im Strassenverkehr zu gewährleisten.
Nächster Schritt in der Planung ist die Anpassung von U-Bahn-und Fernzügen für das Mitnehmen des Fahrrads, wozu in den Bahnhöfen, neben den Treppen, neue Rampen und Serviceläden für Fahrradzubehör geschaffen werden sollen.
„Kulturwandel”
Andrés Fingeret, Sprecher des argentinischen Büros vom Institute for Transportation and Development Policy, mit Sitz in New York, spricht von einem „Kulturwandel“: War in der Vergangenheit das Radfahren mit Armut assoziiert, weil der einfache Mann von der Strasse sich nicht einmal ein Motorrad leisten konnte, so hat das Fahrrad jetzt „die soziale Hierarchie erklommen“.
Beispiel dieses Wandels in einer Welt, in der der Autobesitz, von der Oberen bis zur Armenschicht, als vorgeführtes Statusymbol gilt, ist Banco Ciudad. Sie rief eine Kampagne aus zur Finanzierung von Kleinkrediten für Fahrradanschaffung, mit einer Laufzeit von vier Jahren.
Ein anderer Aspekt des kulturellen Umdenkens ist die Integrierung der Hochschulen für die Innovationsschöpfung. An der öffentlichen UBA, der rennomierten Universidad de Buenos Aires, arbeiten Studenten im Fach Industriedesign an der Entwicklung eines Fahrradmodells für den städtischen Warentransport, der die z.B. in São Paulo bekannten, tausenden, umweltverseuchenden und unfallverursachenden Motorräder schrittweise ersetzen könnte. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: “Bambucicleta”, z. B. bringt mitlerweile „das nachhaltigste Fahrrad der Welt“ auf den Markt – ein komplettes Fahrrad aus Bambusstangen!
Von der Basis zum Nachhaltigtkeits-Kommerz
Der rasante Erfolg des Fahrrads in Buenos Aires ist im Grunde die Neuauflage ein altes Lehrstücks: Dort, wo Sicherheit einhergeht mit der Billigkeit, wird es für die Menschen attraktiv. Dort, „unten“, hatte die Fahrrad-Begeisterung einst begonnen, mit BIs wie „Masa Critica“ als Ort der Zusammenkunft und Werkstätten, wo der Radler nicht nur sein Rad kostenlos reparieren-, sondern auch Gebührenfreie Ausbildung zum Radreparateur bei „Fabricicleta“ besuchen durfte. Parallel dazu starteten kommerzielle Kleinunternehmen wie „La Bicicleta Naranja“, „Bike Tours“ und „Urban Biking“, die Einheimischen und Touristen qualifizierte und sichere Radtouren durch das weit ausgedehnte und beschauliche Buenos Aires anbieten. Aber keine Bange, Touristen die zu faul sind für den Tritt auf´s Pedal, bietet „Mejor en Bici“ für 15 US-Dollar Spazierfahrten auf 40 Fahrrädern mit Elektroantrieb an!
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