Eine neue wissenschaftliche Studie belegt, dass das Medikament Thalidomid in Brasilien noch immer Geburtsschäden verursacht. Im größten Land Lateinamerikas wird der Arzneistoff, der als Schlaf- und Beruhigungsmittel unter den Markennamen Contergan und Softenon bekannt ist, auch zur Linderung von Symptomen der Lepra eingesetzt. Laut einem Bericht von „BBC“ haben die medikamentierten Frauen mehrfach nichts nichts von den Risiken gewusst, die durch Einnahme während der Schwangerschaft auftreten können.
Thalidomid verursachte Ende der 1950er/Anfang der 1960er-Jahre zahlreiche schwere Schädigungen an ungeborenem Leben (Dysmelien, etc.) und wurde als „Contergan-Skandal“ bekannt. Seit dem Jahre 1998 wird Thalidomid in den USA zur Behandlung besonders schwerer Lepraformen und seit 2009 in Deutschland zur Behandlung des multiplen Myeloms unter Beachtung strenger Sicherheitsauflagen verwendet und wird von der Firma Celgene als Generikum angeboten.
Über 10.000 Thalidomid Babys wurden weltweit geboren, bis das Medikament in den frühen 1960er Jahren zurückgezogen wurde. In Brasilien wurde das Medikament im Jahr 1965 zur Behandlung von Hautveränderungen, eine der Komplikationen bei der Erkrankung mit Lepra, neu lizenziert. Die chronische Infektionskrankheit ist in Brasilien häufiger als in jedem anderen Land – mit Ausnahme von Indien. Mehr als 30.000 neue Fälle werden jährlich diagnostiziert – und Millionen von Thalidomid Pillen verteilt.
Aktuelle Forschungen belegen, dass 100 brasilianische Kinder an exakt den Sypmtomen leiden, wie sie von Thalidomid verursacht werden. „Es ist eine Tragödie und ein Syndrom, das völlig vermeidbar ist“, erklärt Dr.Lavinia Schuler-Faccini, Professor an der Universidade Federal do Rio Grande do Sul. Aktivisten, Ärzte und Leprakranke bescheinigen dem Medikament allerdings eine entscheidende Bedeutung im Kampf gegen den Aussatz und glauben, dass die Vorteile die Risiken überwiegen.
Schuler-Faccini und andere Forscher von der Universidade Federal do Rio Grande do Sul in Porto Alegre sichteten die Geburtsurkunden von 17,5 Millionen zwischen 2005 und 2010 geborenen Babys. „Wir haben alle Kinder mit Gliedmaßendefekte und mit den charakteristischen Defekten von Contergan untersucht“, so Schuler-Faccini. Dabei wurde die Verteilung der Thalidomid-Tabletten mit der Anzahl der Gliedmaßendefekte verglichen und dabei laut den Wissenschaftlern ein direkter Zusammenhang festgestellt.
Demnach wurden im Zeitraum 2005-2010 rund 5,8 Millionen Thalidomid-Pillen in ganz Brasilien verteilt. „Wir hatten etwa 100 Fälle in diesen sechs Jahren, die denen des Thalidomid-Syndroms ähneln“, lautet die Aussage des Forschungsteams um Dr. Fernanda Vianna. Nach ihren Worten gibt es zwar deutliche Warnhinweise auf Thalidomid-Paketen und die Ausgabe ist streng geregelt. Mangelnde Bildung bei den Patienten ist allerdings oft dafür verantwortlich, dass die Warnungen nicht verstanden werden und das Medikament unsachgemäß verwendet wird.
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