1492, im Jahr der Eroberung Granadas und dem Abschluss der Reconquista, entdeckt Christoph Kolumbus für Spanien die Neue Welt. Er landet an der Nordküste der heutigen Dominikanischen Republik. Im folgenden entsteht Puerto Plata. Bis heute wird gemunkelt, die mächtigen Tempelritter hätten auch da ihre Hände im Spiel gehabt – die Stadt lässt dies kalt. Erst Handelshafen für die Kolonie im Verkehr mit dem Mutterland, dann verrufenes Piratennest, zerstört, verlassen, wieder aufgebaut. Heute ist Puerto Plata eine ganz normale karibische Hafenstadt. Zu ihrem Guten. Und das ist ihre Geschichte.
Auá-chha-tééé, Auá-chha-tééé – fast singend, preist der junge Haïtianer schon früh morgens in den leeren Strassen von Torre Alta, ein besseres Viertel von Puerto Plata, seine Avocados zum Verkauf an. Und dies Tag für Tag – denn auch er muss zum kargen Einkommen seiner Familie beitragen. Sie hat ihr Land nach dem letzten fürchterlichen Erdbeben von 2010 verlassen, der nie enden wollenden Armut wegen ein besseres Leben in der benachbarten Dominikanischen Republik gesucht. Dabei hat es der Junge noch gut getroffen, mit seinem Kleinhandel an Früchten. Immigranten aus Haïti sind hier fast rechtlos, schuften nach wie vor in der Zuckerrohrernte, auf dem Bau, als Putzhilfen und Kindermädchen. Als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt gefürchtet, hegen die Einheimischen zudem bis heute den Groll, da auch das frankophone Haïti und erste „schwarze“ Republik der Welt, einst in die Dominikanische Republik einmarschierte. Zudem finden viele Dominikaner, dass wohl etwas gar viele Nachbarn aus dem Westen hier eine Arbeit und ein neues Leben suchen…
Haïtianer sind nicht die Einzigen, die seit nunmehr über 500 Jahren mit zum ethnischen Schmelztiegel dieser dominikanischen Hafenstadt beitragen. Waren es zunächst, Taínos, karibische Ureinwohner, kommt die grosse Wende 1492 – dem Jahr, da Christoph Kolumbus die Spanier ins Land führt, erst tröpfchenweise, dann immer mehr. Kurz darauf kommen Schwarze aus West-Afrika, die als Sklaven in den Minen den Traum des sagenumwobenen Eldorados in die Realität umsetzen müssen. Ihnen folgen je nach der politischen Grosswetterlage auf dem alten Kontinent abwechselnd Engländer, Holländer, Franzosen und immer wieder Galizier, Basken, Andalusier. Es kamen Nordamerikaner, jüdische Emigranten aus dem Deutschland der 30er Jahre, Händlerfamilien aus China, Korea, dem Libanon, Matrosen aus Griechenland. Und heute sind es nicht wenige, die als Feriengäste beschließen für immer hier zu bleiben oder Stadt und Region als Alterssitz wählen: Kanadier, Amerikaner, aber auch Deutsche, Schweizer, Italiener, Russen. Und mit ihnen allen erfand sich die Stadt immer wieder neu. Ausdauernd, unprätentiös, ein kleines Juwel geschmiegt an die Hänge der „Loma Isabel de Torres“, wie Kolumbus den Hausberg der Stadt in Ehrerbietung an „seine“ Königin nannte, und vor sich die Weiten des Atlantik.
Heute leben 120‘000 Einwohner in San Felipe de Puerto Plata, wie die Stadt richtig heisst. Ein Name, der genaue Rückschlüsse auf deren Gründung erlaubt. Schon auf seiner ersten Entdeckungsfahrt segelt Kolumbus der Nordküste der Insel „Quisqueya“ entlang, dem „Guten Land“ wie es von den einheimischen Kariben genannt wird, und nennt sie „La Isla Española“. Ein Name, den die Engländer im kolonialen Wettstreit zu „Hispaniola“ – Klein Spanien – verballhornen. Die erste befestigte Siedlung in der Neuen Welt nennt Kolumbus La Navidad, gezimmert aus den Resten der Santa Maria, die zweite Siedlung La Isabela – beide nur unweit von Puerto Plata entfernt.
Da, an einem kühleren Wintertag, im Januar 1493, taucht ein Spiel aus Sonne und Wolken, Wind und Tageszeit den undurchdringlichen Küstendschungel in ein magisches, silbernes Licht. Kolumbus, mit seinem untrüglichen Sinn für die große Geste, nennt den Ort Puerto Plata, Silberhafen. Es ist hier, wo 1502 der dritte Gouverneur der Kolonie, Nicolás de Ovando, den Auftrag seiner Krone ausführt und die Kolonie mit einem hochseetüchtigen Hafen versieht – Puerto Plata. Rund 40 Jahre später, erfolgt der Bau des noch bestehenden Forts San Felipe. Das Ziel, die Anlage militärisch zu sichern. Damit ist die Sinnstiftung gegeben und es folgt eine erste Phase des Aufbaus, wenn auch Hunger, Krankheiten und Kämpfe dominieren.
Mit der Eroberung weiterer Gebiete in der Neuen Welt verlieren die Spanier fürs erste das Interesse an „ihrer“ Insel. Wie sich zeigt, eine falsche Strategie. Alsbald nutzen holländische, französische und vor allem britische Freibeuter, vulgo Piraten, Hafen und Stadt. Als Schlupfloch und Ausgangsort für Kaperfahrten auf schwer beladenen spanischen Galeonen, deren Route heim nach Spanien nahe der Küste vorbeiführt. Die Plage ist derart verheerend (vergleichbar mit jener am Horn von Afrika in unserer Zeit), dass Spaniens Krone 1606 Gouverneur Antonio de Osorio beauftragt, Puerto Plata zu zerstören. Das Treiben soll ein für alle Mal ein Ende haben. Von da an fällt der Ort in einen langen Dornröschenschlaf, aus dem er erst 1740 wieder erwacht, als erneut spanische Siedler, diesmal Landwirte und Fischer von den Kanaren, sich in und um Puerto Plata niederlassen. Landwirtschaft, Viehzucht, etwas Fischerei prägen ab nun die Stadt. Und die mausert sich zu einem regionalen Zentrum, wird in den Wirren von Freiheitskampf und nachfolgenden Revolutionen für kurze Zeit auch Hauptstadt des Landes.
Ab 1970 entdecken Amerikaner und Kanadier die nahen, atemberaubenden Strände der Nordküste, das scheinbar unbekümmerte Lebensgefühl der karibischen Menschen, die günstigen Lebenshaltungskosten und nicht zuletzt die unvergleichliche Grazie der Kreolinnen. Ihnen folgen Charter-Touristen aus halb Europa auf dem Fuss und Puerto Plata erlebt für eine kurze Zeit eine neue Blüte als Ferien-Destination für Sonnenanbeter und solche, die gleich zum Überwintern bleiben. Leider erneut für nicht all zulange. Versierte Tourismus-Manager erfinden das All-Inclusive-Konzept. Sie lotsen ab Anfang der achtziger Jahre die Massen in gewaltige Hotelüberbauungen den Küsten der gesamten Insel entlang: Sosúa, Cabarete, Las Terrenas, Cabrera, Samaná, Bavaro, Punta Cana, im Süden am karibischen Meer Juan Dolio, La Romana, Boca Chica sind die Tourismus-Magnete heute – während Puerto Plata in stoischer Gelassenheit und karibischer Lebensfreude zugleich, einmal mehr den Bedeutungsverlust erträgt.
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