Mit einem Festakt hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz am Dienstag (4.) die Ankunft von Alexander von Humboldts Amerikanischen Reisetagebüchern in der Staatsbibliothek zu Berlin gefeiert. Ende 2013 hatte sie die Tagebücher erworben. Nur die große Unterstützung öffentlicher und privater Förderer hatte den Ankauf ermöglicht. Im Rahmen des Festaktes waren die bedeutenden historischen Schriften erstmals für ein ausgewähltes Publikum zu bewundern.
Die Tagebücher
Alexander von Humboldts (1769-1859) Tagebücher sind, neben seinen Briefen, die bedeutendsten erhaltenen Originaldokumente seiner Reisen. Der Universalgelehrte notierte darin alles, was er gesehen, erarbeitet, gemessen und verglichen hatte und zu welchen Erkenntnissen er gekommen war. Diese Aufzeichnungen nutzte er bis an sein Lebensende für seine Veröffentlichungen. Bei den Amerikanischen Reisetagebüchern handelt es sich um knapp 4000 Seiten in neun ledergebundenen Bänden. Sie sind dicht beschrieben, teils in deutscher, teils in französischer Sprache, und mit eigenhändigen Skizzen Humboldts versehen. Die Aufzeichnungen entstanden während seiner großen Entdeckungsreise durch Mittel- und Südamerika in den Jahren 1799 bis 1804, enthalten jedoch auch einige ältere und jüngere Texte Humboldts. Bislang sind die Tagebücher nur sehr unvollständig ediert. Sie umfassen den gesamten Reiseverlauf der fünfjährigen Amerika-Expedition (unter anderem Venezuela, Kolumbien, Kuba, Ecuador) während die von Humboldt veröffentlichten Reiseberichte „Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent“ (Paris, 1805-1839) nur ein Drittel davon schildern.
Die Amerikanischen Reisetagebücher dokumentieren die jahrelange wissenschaftliche Auseinandersetzung Humboldts mit den in Amerika gewonnenen Erkenntnissen. Neben den unmittelbaren Reiseaufzeichnungen enthalten sie ausgearbeitete literarische Stücke, Hinzufügungen, Skizzen, Pläne, Erläuterungen, ausgeschnittene Berichte, Verweise sowie Briefe und Kopien von Briefen. Die Schriften erlauben tiefe Einblicke in die Prozesse, die zur Herausbildung einer Wissenschaft und Feldforschung im Zeichen der (europäischen) Moderne führten.
Aktuelles Forschungsprojekt
Die Universität Potsdam und die Staatsbibliothek zu Berlin führen innerhalb der nächsten drei Jahre zwei Projekte zur Erforschung Humboldts Amerikanischer Reisetagebücher durch. Die eng miteinander verbundenen Projekte werden vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Zum Einen erforscht unter der Leitung des international renommierten Humboldt-Experten Ottmar Ette der Lehrstuhl für französisch- und spanischsprachige Literatur der Universität Potsdam in enger Kooperation mit der Staatsbibliothek zu Berlin die Amerikanischen Reisetagebücher. Vor allem geologische, geographische, sprachwissenschaftliche und künstlerische Fragestellungen werden untersucht.
Zum Anderen werden die Reisetagebücher, ebenso wie der gesamte wissenschaftliche Nachlass Alexander von Humboldts, von der Staatsbibliothek zu Berlin konservatorisch gesichert, digitalisiert und elektronisch erschlossen. Nur im Zusammenhang mit dem Gesamtnachlass erschließt sich die Forschungsrelevanz der Tagebücher vollständig. Die Staatsbibliothek will in diese Arbeiten auch jenen Teil des Humboldt-Nachlasses einbeziehen, der sich kriegsbedingt in Krakau befindet.
Quellen zu Alexander von Humboldt in der Staatsbibliothek
Die Amerikanischen Reisetagebücher ergänzen hervorragend die bereits vorhandenen Bestände zu Alexander von Humboldt in der Staatsbibliothek zu Berlin. Diese bilden einzigartige Quellen zu den Forschungen und zur Arbeitsweise des Universalgelehrten. Unter den rund 1.600 in der Staatsbibliothek zu Berlin verwahrten Nachlässen ist jener von Alexander von Humboldt eine der wichtigsten Quellen zur europäischen Wissenschaftsgeschichte. Er enthält Dokumente aus Humboldts gesamtem Leben, vornehmlich aber aus der Zeit seit 1799. Etwa 50.000 Blätter sind in den Materialsammlungen Humboldts zu verschiedenen Themen enthalten. In der Humboldt’schen Ordnung belassen, spiegeln sie die weit gefächerten Interessensgebiete sowie die Vorgehensweise des Wissenschaftlers wider: Eigenhändig beschriftete Mappen enthalten Notizen, vollständige Manuskripte, Zeitungsausschnitte, Briefe und anderes Material zu Themen wie Sklaverei, Meeresströmungen, Naturgeschichte, Geschichte der Weltansicht, Mineralogie, Geographie der Pflanzen und Menschenrassen.
Humboldts Nachlass wurde ab 1868 nach und nach in die Staatsbibliothek aufgenommen. Er umfasst etwa die von Humboldt selbst noch testamentarisch für die Königliche Bibliothek bestimmten Papiere zur Statistik und Geographie Mexikos und Cubas, darüber hinaus die Manuskripte der „Ansichten der Natur“ sowie des „Kosmos“ und die sogenannten „Kollektaneen“, eine von Humboldt angelegte Sammlung eigener und fremder Dokumente. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Bestände der Staatsbibliothek zu ihrem Schutz an verschiedene Orte in ganz Deutschland ausgelagert. Die nach Südwestdeutschland ausgelagerten Kollektaneen kehrten wieder nach Berlin zurück. Andere Teile des Nachlasses hingegen wurden ins damalige Schlesien ausgelagert und liegen heute in der Jagiellonischen Bibliothek in Krakau. Neben dem Nachlass gibt es bedeutende weitere Dokumente von und über Humboldt in anderen Beständen der Staatsbibliothek, so etwa in den Nachlässen Alexander Mendelssohns oder Adelbert von Chamissos sowie in den umfangreichen Autographensammlungen.
Durch gezielte Ankäufe ergänzt die Staatsbibliothek den vorhandenen Bestand. So gelang ihr bereits 2011 mit Unterstützung der Wüstenrot Stiftung, der Berliner Niederlassung der Siemens AG und den Freunden der Staatsbibliothek zu Berlin e.V. die sensationelle Erwerbung des bis dahin als verschollen geltenden und der Wissenschaft gänzlich unbekannten Adressbuches des Forschers. Dieses enthält auf etwas über zweihundert Seiten rund 900 Namen von Personen, mit denen er korrespondierte, sowie eine Reihe von Notizen. Dieses Notizbuch wird von der Staatsbibliothek zu Berlin in Zusammenarbeit mit der Alexander-von-Humboldt-Forschungsstelle der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften ediert.
Erwerbung mit Hilfe öffentlicher und privater Förderer
Die Amerikanischen Reisetagebücher hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz von einem der Nachkommen Wilhelm von Humboldts erworben. Die Erwerbung erfolgte zum überwiegenden Teil aus öffentlichen Fördermitteln, die von dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und der Berliner Lottostiftung zur Verfügung gestellt wurden. Der Ankauf war jedoch nur durch das zusätzliche große Engagement weiterer Förderer möglich. Die Kulturstiftung der Länder, die Stiftung Würth Group, die Hermann Reemtsma Stiftung, die VolkswagenStiftung, die Deutsche Bank AG, die Robert Bosch Stiftung, die Gerda Henkel Stiftung und die Fritz Thyssen Stiftung stellten dafür finanzielle Mittel zur Verfügung.
Damit der Kaufpreis insgesamt im Jahr 2013 bezahlt werden konnte, hat sich die Ernst von Siemens Kunststiftung durch die Vorfinanzierung eines größeren Betrages ebenfalls beteiligt. Der Verkäufer wird den weit überwiegenden Teil des Erlöses aus dem Verkauf zur weiteren Erhaltung und Pflege des Schlosses Tegel, der Grabstätte und seines Parks verwenden. Zu diesem öffentlich zugänglichen Ensemble, einem geistesgeschichtlichen Dokument für das Leben und Wirken der Brüder Humboldt, gehört auch eine Forschungsbibliothek zu den Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt.
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