Am 22. Juli 2012 kommt Oswaldo Payá, Kubas führender Dissident, „Staatsfeind Nr.1“ und 2002 mit dem Sacharow-Menschenrechtspreises des Europäischen Parlaments geehrt, bei einem Autounfall ums Leben. Mit ihm stirbt Harold Cepero, ein junger hoffnungsvoller Oppositioneller aus Payás Bewegung. Am Steuer saß der damals 26jährige Spanier Ángel Carromero.
„Sie bringen mich in ein Krankenhaus, wo ich als erstes aussage, dass wir von einem anderen Auto von der Straße abgedrängt worden seien und ein Zusammenstoß provoziert wurde. Sie schlagen mich, das Hospital füllt sich mit Uniformierten; es gelingt mir, eine Nachricht nach Spanien zu schicken, in der ich sage ‚verdammt, ich bin von Militärs umzingelt’, und dann haben sie mich gezwungen, meine Aussage zu ändern“, zitiert Ángel Carromero aus seinem Buch „Muerte bajo sospecha – Toda la verdad sobre el caso Ángel Carromero“ (frei übers.: Tod unter Verdacht – Die ganze Wahrheit über den Fall Ángel Carromero), das der Verlag Oberon am 25. März auf einer Pressekonferenz in Madrid präsentierte.
Seine Erklärung sei damals in einem Video aufgezeichnet worden, das ihn zeige wie einen Al Quaida Terroristen mit verprügeltem Gesicht; man merke, dass es ihm schwer falle zu sprechen, und es sei nicht zu übersehen, dass er ablese. „Was hätte ich machen sollen, isoliert in einem Kerker in einer gottverlassenen Kaserne von Bayamo, ohne Kontakt zu meinen Anwälten, einem Konsul oder sonst jemanden, von den Militärs unter Druck gesetzt? Ich hatte keine Wahl“. An Carromeros Seite während der Pressekonferenz: Ofelica Acevedo, die Witwe des Mannes, dessen Tod er verschuldet haben soll.
Am 22. Juli 2012 sind Oswaldo Payá und Harold Cepero in Begleitung von Jens Aron Modig, einem Jung-Liberalen aus Schweden, und Ángel Carromero, Jugendfunktionär der spanischen Regierungspartei Partido Popular (PP), unterwegs zu einem Oppositionellentreffen in Bayamo. Der Spanier am Steuer, Paya als Beifahrer, hinter ihm Cepero neben dem Schweden. Zwischen Las Tunas und Bayamo, etwa 120 km von ihrem Ziel entfernt, verliert Carromero die Kontrolle über den Wagen und prallt gegen einen Baum.Payá und Cepero überleben den Unfall nicht, Carromero und Modig sind fast unverletzt.
Die kubanische Polizei stellt fest, dass Carromero zu schnell gefahren sei und die Gewalt über das Fahrzeug verloren haben soll. Als Beweis werden Fotos vom Unfallort zu den Akten gelegt. Die seien plumpe Manipulation, widerruft nun Carromero sein anfängliches Geständnis. Auf einigen Fotos sei das Auto neben einem Bach aufgenommen worden, dann wieder an der Straße, andere Male mitten im Wald. Einige Fotos zeigten eine unbeschädigte Stoßstange, andere eine abgefallene. Genau so sei es mit der Radkappe an der Seite des Aufpralls; manche Fotos zeigen sie kaputt, andere wiederum nicht. Außerdem, so behauptet Carromero, Paya und Cepero hätten am Unfallort noch gelebt.
Ofelia Acevedo vermutet von Anfang an ein gezieltes Attentat auf ihren Mann, zumal es einige Wochen zuvor einen ebenso mysteriösen Zwischenfall in Havanna gegeben hatte. Payás VW Bus war von einem Sammeltaxi gerammt worden, der Bus stürzte um, Payá kam mit Verletzungen ins Krankenhaus. Im Namen ihrer und der Familie von Harold Cepero fordert sie eine unabhängige Untersuchung. Dazu ist es bis heute nicht gekommen.
Carromeros Aussage vor Polizei und Gericht dürfte dabei wohl das wesentliche Hindernis gewesen sein. Zumal Jens Aron Modig, der unmittelbar nach dem Unfall von seiner Regierung frei’gehandelt’ wurde, aussagt (und dabei bis heute geblieben ist), er habe zum Zeitpunkt des Geschehens geschlafen und nichts bemerkt. Carromero sitzt in der Falle. Die kubanische Justiz verurteilt ihn zu vier Jahren Gefängnis wegen fahrlässiger Tötung.
Zwei Monate verbringt der junge Spanier auf Kuba hinter Gittern, eine Zeit, die er als die schlimmste Erfahrung seines Lebens bezeichnet. Dann wird er in seine Heimat entlassen, nach fieberhaften Verhandlungen zwischen der kubanischen und spanischen Regierung. Was dabei hinter den Kulissen ablief, darüber wird bis heute spekuliert. Jedenfalls musste er in Spanien nicht noch mal ins Gefängnis, sondern durfte, mit einer elektronischen Gelenkfessel versehen, seine Arbeit im Rathaus von Madrid wieder aufnehmen.
Obwohl zum Schweigen verurteilt, beginnt er vorsichtig zu sprechen, macht in vereinzelten Interviews Andeutungen und kündigt schließlich an, in einem Buch die ‚ganze Wahrheit über den Fall Ángel Carromero’ zu berichten. Nun ist es da und wirft erneut ernste Fragen auf, die Kubas Regierung in Erklärungsnot bringen könnten.
Das ist genau die selbe Methode, die hier in Venezuela angewandt wird. Zahllose Gefolterte und Angehörige von Mordopfern wurden und werden durch schieren Terror, Folter und Morddrohungen davon abgebracht, korrekt auszusagen. Manchmal werden sie auch einfach umgebracht.