In der Regel bevorzugen die Voodoo Anhänger in Haiti für ihre Messen die Privatsphäre einer Wohnung. In einer selbst für Haiti ungewöhnlich öffentlichen Zeremonie sangen und beteten mehrere Hundert Voodoo-Praktizierende zu Ehren der Opfer des verheerenden Erdbebens vom 12. Januar 2010.
Am Sonntag marschierten hunderte ganz in weiß gekleidete Gläubige unter der heißen Sonne der Karibik zu einem Punkt in der Mitte der Hauptstadt von Port-au-Prince. Dort riefen sie die Geister ihrer Toten an. „Ohne uns gibt es kein Haiti,“ rief Voodoo-Priester Jean-Claude Bazil, – wir müssen Haiti retten“. Das verheerende Erdbeben vom 12. Januar, welches nach Schätzungen der Regierung bis zu 230.000 Todesopfer forderte, führt inzwischen immer mehr zu Spannungen zwischen den religiösen Gruppen in Haiti. Die Zeremonie einer Voodoo-Gruppe in einer verarmten Ortschaft wurde letzten Monat von einer Gruppe christlicher Gläubiger unterbrochen. Sie verhöhnten die Voodoo-Anhänger und bewarfen sie mit Steinen. Mehrere Verletzte mussten in Notlazarette eingeliefert werden.
Die Veranstalter der Messe wählten am Sonntag bewusst einen Punkt mitten in den Ruinen der Innenstadt. Die Veranstaltung wurde von einem starken Polizeiaufgebot überwacht und live im Radio übertragen. Die Polizei blieb wachsam, aber diesmal gab es keine Gewalt, sondern Gebete und Gesänge. „Voodoo ist kein Geheimnis, es gehört zu unserer Gesellschaft“, teilte Max Beauvoir, einer der Priester bei der Zeremonie mit. Die Religion Voodoo verbreitet sich weltweit immer stärker, besonders im Ursprungskontinent Afrika, da sich vor allem die schwarze Bevölkerung wieder an ihre Wurzeln erinnert. In Haiti gehören schätzungsweise etwa Dreiviertel der Menschen dem Voodoo an, gleichzeitig bekennen sich aber 90 Prozent auch zum katholischen Glauben.