Anhand von Beobachtungen mit dem Atacama Large Millimeter/submillimeter Array (ALMA) haben Astronomen zum ersten Mal direkt den molekularen Staub und das Gas in Galaxien vermessen, die Gammastrahlenausbrüche (engl. Gamma Ray Bursts, kurz GRBs) beherbergen – die größten Explosionen im Universum. Völlig überraschend hat man dabei weniger Gas und entsprechend sehr viel mehr Staub beobachtet als erwartet, weshalb einige GRBs als „dunkle GRBs“ erscheinen. Diese Arbeit wird am 12. Juni 2014 in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht und enthält die bislang ersten veröffentlichten wissenschaftlichen Ergebnisse zu GRBs, die von ALMA geliefert wurden. Sie zeigen, welches Potenzial in ALMA steckt, dabei zu helfen diese Objekte besser zu verstehen.
Gammastrahlenausbrüche (engl. Gamma Ray Bursts, kurz GRBs) sind intensive Strahlungsblitze extrem hoher Energie, die in fernen Galaxien beobachtet werden. Es handelt sich dabei um die hellsten Explosionsphänomene im Universum. Blitze, die länger als einige Sekunden andauern, sind als langanhaltende Gammastrahlenblitze (LGRBs) bekannt und werden mit Supernova-Explosionen in Verbindung gebracht, mächtigen Detonationen am Lebensende massereicher Sterne.
In nur wenigen Sekunden setzt ein typischer Gammastrahlenausbruch so viel Energie frei, wie die Sonne in ihrem gesamten 10 Milliarden Jahre langen Leben. Der Blitz ist oft gefolgt von einer langsam schwächer werdenden Emission, die als Nachglühen bezeichnet wird und von der man annimmt, dass sie durch Kollisionen zwischen abgestoßenem Material und Gas in der nahen Umgebung verursacht wird.
Allerdings besitzen einige Gammastrahlenblitze rätselhafterweise kein Nachleuchten – sie werden als dunkle Blitze bezeichnet. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Staubwolken die Strahlung des Nachleuchtens absorbieren.
In den letzten Jahren haben Wissenschaftler versucht zu verstehen, wie sich GRBs bilden, indem sie ihre Ursprungsgalaxien untersucht haben. Man ging davon aus, dass die massereichen GRB-Vorläufersterne in aktiven Sternentstehungsgebieten zu finden wären, die von großen Mengen molekularen Gases umgeben sind, dem Grundbaustein der Sternentstehung. Es konnten jedoch keine Beobachtungen gemacht werden, die diese Theorie bestätigten, was die Forscher lange Zeit mit einem Rätsel zurückließ.
Zum ersten Mal hat nun eine japanische Gruppe von Astronomen, geleitet von Bunyo Hatsukade vom National Astronomical Observatory in Japan, mit ALMA Radioemission von molekularem Gas in zwei LGRB-Ursprungsgalaxien gemessen – GRB 020819B und GRB 051022 in Entfernungen von 4,3 Milliarden und 6,9 Milliarden Lichtjahren. Obwohl derartige Radiostrahlung bislang nie in GRB-Ursprungsgalaxien detektiert werden konnte, hat es ALMA nun mit seiner unerreichten hohen Empfindlichkeit möglich gemacht.
Kotaro Kohno, Professor an der Universität von Tokio und Mitglied der Forschungsgruppe erläutert: „Wir haben seit über zehn Jahren nach molekularem Gas in GRB-Ursprungsgalaxien mit verschiedenen Teleskopen auf der ganzen Welt gesucht. Als Ergebnis unserer harten Arbeit ist uns nun endlich mit ALMA ein beachtlicher Durchbruch gelungen. Wir sind sehr begeistert von dem, was wir erreicht haben.”
Eine weitere bemerkenswerte Errungenschaft, die durch das hohe Auflösungsvermögen von ALMA ermöglicht wurde, war die Bestimmung der Verteilung des molekulares Gas und des Staubs in den GRB-Ursprungsgalaxien. Beobachtungen von GRB 020819B offenbarten ein erstaunlich staubreiches Umfeld in den Randgebieten der Ursprungsgalaxien, wohingegen molekulares Gas nur im Zentrum gefunden wurde. Das ist das erste Mal, dass solch eine Verteilung in GRB-Ursprungsgalaxien entdeckt wurde.
„Wir haben nicht erwartet, dass GRBs in einem so staubigen Umfeld mit einem niedrigen Verhältnis von molekularem Gas zu Staub, auftreten würden. Das deutet darauf hin, dass der Gammastrahlenausbruch sich in einer Umgebung ereignet hat, die sich stark von einem typischen Sternentstehungsgebiet unterscheidet” , erklärt Hatsukade. Dies lässt darauf schließen, dass die massereichen Sterne, die als GRB starben, ihr Umfeld in ihrem Sternentstehungsgebiet verändert hatten, bevor sie explodierten.
Die Forschungsgruppe glaubt, dass eine Erklärung für den hohen Staubanteil verglichen mit der Menge an molekularem Gas am Ort des Gammastrahlenausbruchs in ihrer unterschiedlichen Reaktion auf ultraviolette Strahlung liegt. Da die Bindungen zwischen Atomen, aus denen Moleküle bestehen, leicht durch ultraviolette Strahlung aufgebrochen werden können, kann molekulares Gas nicht in einem Umfeld bestehen, das der starken ultravioletten Strahlung, die von einem heißen massereichen Stern in seinem Sternentstehungsgebiet ausgeht, ausgesetzt ist. Dies schließt Sterne ein, die letztendlich explodieren und als GRB beobachtet werden.Obwohl eine ähnliche Verteilung in GRB 051022 beobachtet wird, muss dies noch wegen mangelnder Auflösung bestätigt werden (der Ursprung von GRB 051022 liegt weiter entfernt als der Ursprung von GRB 020819B). Auf jeden Fall stützen diese Aufnahmen von ALMA die Vermutung, dass Staub in Galaxien die Strahlung des Nachglühens absorbiert und somit das Auftrete von dunklen Gammastrahlenblitzen verursacht.
„Die Ergebnisse, die wir dieses Mal erhalten haben, haben unsere Erwartungen übertroffen. Wir müssen weitere Beobachtungen für andere GRB-Ursprungsgalaxien durchführen, um zu sehen, ob es sich dabei um allgemeine Bedingungen im Umfeld eines GRB handelt. Wir freuen uns auf die zukünftige Forschung mit der verbesserten Leistungsfähigkeit von ALMA” , schließt Hatsukade.
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