Lateinamerika: Deutsch-Chilenische Beziehungen

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Datum: 10. Oktober 2014
Uhrzeit: 19:19 Uhr
Ressorts: Leserberichte
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Benjamin Alvarez (Leser)
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Mehr als 12.500 Kilometer und der Atlantische Ozean trennen sie. Nichtsdestotrotz haben beide Länder sehr viel mehr Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick vermuten könnte: ein Blick in die Deutsch-Chilenischen Beziehungen.

Nach der Unabhängigkeit Chiles von Spanien im Jahr 1818 erlaubte und unterstützte die Regierung die Besiedlung des Südens durch die Europäer. Mit der aktiven Unterstützung des deutschen Paläontologen Rudolph Philippi kamen die ersten deutschen Familien, die Siedlungen mit Schulen, Vereinen und den ersten freiwilligen Feuerwehren gründeten.

Für die Modernisierung des Heeres wurden deutsche Militärberater zu Rate gezogen. Der preußische Hauptmann Emilio Körner wurde der erste Generalinspekteur und führte sofort die Wehrmacht ein. Die charakteristischen Pickelhauben werden vom Ejército (Armee) zu bestimmten Anlässen immer noch getragen. Während des Zweiten Weltkrieges kamen ca. 15.000 deutsche Juden und nach diesen waren es dann viele Nationalsozialisten, die in Chile (sowie in weiteren lateinamerikanischen Staaten) Zuflucht fanden.

Einer der wohl bekanntesten Deutschen, die ausgewanderten, ist Erich Honecker, der mit seiner Frau nach einer Flucht in die chilenische Botschaft in Moskau ausreisen konnte. Nachdem das Verfahren und der Haftbefehl gegen ihn aufgehoben wurden, reiste er 1993 zu seiner Frau in die Haupstadt Santiago, wo er ein Jahr später starb. Margot Honecker, die damals Ministerin für Volksbildung in der DDR war, lebt weiterhin dort, engagiert sich ab und zu bei Aktivitäten der Kommunistischen Partei und wurde oft auf Feiern anlässlich des Geburtstages des DDR-Regimes gesehen.

Ein schwarzer Moment der bilateralen Beziehungen war die Gründung der „Colonia Dignidad“, die von dem in Deutschland gesuchten Sektenführer Paul Schäfer gegründet wurde. Die Sekte bestand aus ca. 300, meist aus Deutschland stammenden, Personen und wurde in der Nähe der Stadt Parral im Süden des Landes gegründet. Arbeitsverweigerung und keine totale Unterwerfung wurden mit drakonischen Strafen bestraft. Sexuelle Missbräuche an Jungs von Seiten Schäfers waren auch an der Tagesordnung. Außerdem führte die sogenannte „Kolonie der Würde“ eine enge Zusammenarbeit mit dem Pinochet-Regime. Trotz der Zeugenberichte geflohener Mitglieder und immer neueren ans Licht gekommenen Fakten, wurden von beiden Regierungen keine juristischen Schritte durchgeführt. Erst 44 Jahre später wurde ein Prozess gegen den Sektengründer eingeleitet. Der Sektenarzt und rechte Hand Schäfers Hartmut Hopp entfloh 2011 der chilenischen Justiz und wohnt heute, trotz Erscheinen auf der Interpol-Fahndungsliste, unbehelligt in Krefeld (NRW).

Heutige Beziehungen

Deutschland stellt für Chile den stärksten Handelspartner in Europa da. Nicht nur starke Import-und Exportbeziehungen, wie die unten stehende Grafik belegt, sondern auch eine enge Zusammenarbeit im Bereich des Bergbaus, der Berufsbildung, der Astronomie oder der erneuerbaren Energien kennzeichnen die bilateralen Beziehungen.

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Im Bereich der Bildung werden von der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) 27 deutschen Schulen betreut, die größte Anzahl an deutschen Schulen im Ausland. An manchen, wie z.B an der Deutschen Schule Santiago, kann seit 2 Jahren sogar das Abitur abgelegt werden, aber es besteht auch die Möglichkeit sich mit der Hochschulprüfung PSU und einem absolvierten Sprachdiplom direkt für ein Studium in Deutschland zu bewerben.

Viele Abkommen wurden in den letzten Jahren unterzeichnet, um den Studierenden in beiden Ländern zu ermöglichen, Studienabschlüsse im anderen Land anrechnen zu lassen oder Austauschsemester zu absolvieren. Seit Februar dieses Jahres wurde zudem ein “Working Holiday Programm” unterzeichnet, dank dem 18- bis 30-Jährige ein Visum erhalten, um ein Jahr temporäre Arbeiten im jeweils anderen Land durchführen zu können.

Institutionen wie das Goethe Institut, die Deutsch-Chilenische Handelskammer CAMCHAL und das Exportförderungsbüro ProChile sowie der Deutsch Akademische Austauschdienst DAAD fördern die Sprache, die kommerziellen Beziehungen und die Bildungsaustauschmöglichkeiten. Das Fraunhofer Institut für angewandte Forschung, sowie das Ausbildungszentrum der Universität Heidelberg runden das Angebot ab. Im Bereich des kulturellen Austausches setzt sich die „Liga Chileno Alemana“ DCB ein.

Aufgrund des wagen Begriffs der “Deutsch-Chilenen” gibt es keine offiziellen Einwohnerdaten, aber es wird davon ausgegangen, dass ca. 35.000 Einwohner, 0,2% der Bevölkerung, die deutsche Sprache täglich benutzen. Worte wie Kuchen sowie Kinder(garten) wurden in die Landessprache integriert.

Die sehr guten kommerziellen Beziehungen spiegeln sich natürlich auch im politischen Bereich wider. Zahlreiche Staatsbesuche wurden in den letzten Jahren abgehalten und gut angenommen (abgesehen vom Eintrag des damaligen Präsidenten Sebastian Piñera, dessen versehentlicher „Deutschland über alles“-Eintrag im Gästebuch der Bundesrepublik nicht ganz so gut ankam).

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Angela Merkel und die heutige Präsidentin Michelle Bachelet haben sogar mehr Ähnlichkeiten als nur das Aussehen und die Ideen einer Frau an der Spitze eines Landes. Bachelet hat im Exil während des Pinochet-Regimes in der DDR Medizin studiert und ihre Deutschkenntnisse sind auch noch vorhanden.

Bald startet sie eine Europatour und wird von der Bundeskanzlerin noch in diesem Monat in Berlin empfangen. Später reist sie nach Köln, um als Ehrengast beim Lateinamerika-Tag Treffen mit Unternehmern abzuhalten. Sie hofft, dass die Deutsch-Chilenischen Beziehungen sich in Zukunft weiter ausbauen lassen.

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  1. 1
    Herbert Merkelbach

    Es ist schon äußerst schlimm genug, dass die Person Margot Honecker ungestraft davon kam. Auch ein gewisses Alter schützt nicht vor Strafe.
    Ihrer Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland hätte man nur in ein Land zustimmen sollen: Nordkorea.
    Mir gehen noch die Bilder durch den Kopf, als die wütende Menge auf das Dach des Autos schlug, in dem sie als auch ihr Erich sassen, als beide die Unterkunft des ev. Pfarrers verließen.
    In meinen Augen haben beide nur das Schafott verdient.

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