Lateinamerika: Menschen und Umwelt auf Brasiliens Orangenplantagen

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Massive Umwelt- und Gesundheitsschäden sind ein massives Problem auf Brasiliens Orangensaftplantagen (Fotos: Flick/Global 2000)
Datum: 11. Oktober 2015
Uhrzeit: 14:53 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Redaktion
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Im Rahmen des Projekt „Supply Cha!nge – Make Supermarkets Fair“ und einem Lokalaugenschein in Brasilien haben GLOBAL 2000 und Südwind recherchiert, wie Orangen, genauer gesagt Orangensaftkonzentrat, im größten Land Lateinamerikas produziert und anschließend in Europa verkauft wird. 80 Prozent des in Europa konsumierten Orangensaftkonzentrats wird aus der Region São Paulo importiert, wo die Zitrusfrüchte auf riesigen Plantagen angebaut werden. Jährlich werden elf Liter Orangensaft pro Kopf konsumiert. Damit zählt Orangensaft zu der wichtigsten Fruchtsaftsorte in Europa. Deswegen klärten ExpertInnen von GLOBAL 2000 und Südwind in einer Pressekonferenz in Wien über die Zustände, wie Menschen und Umwelt auf Brasiliens Orangenplantagen ausgebeutet und unter Druck gesetzt werden, auf.

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Alles andere als rosig: die erschreckende Realität auf Brasiliens Orangenplantagen

Laut der im Rahmen des Projekts neu erstellten Studie „Ausgepresst: Hinter den Kulissen der Orangensaftproduktion“ ist eines der Hauptprobleme die Marktkonzentration. Nur drei multinationale Unternehmen, nämlich Citrosuco, Cutrale und Luis Dreyfus Commodities, verkaufen 50 Prozent des weltweit produzierten Orangensaftkonzentrats an große Saftabfüll- und Verpackungsunternehmen. Zusätzlich bestimmen EU-weit meistens nur drei bis vier Supermarktketten pro Land etwa 80 – 90% des gesamten Lebensmittelhandels und bauen über Eigenmarken ihre große Marktmacht bei den Preisverhandlungen mit ProduzentInnen noch weiter aus. Mit allen Mitteln, auch Ausbeutung mit Hungerlöhnen und einem verantwortungslosen Umgang mit der Umwelt, streben sie danach, die Gewinne in der Orangensaft-Produktion zu maximieren. „Die Niedrigpreise des Saftkartells gehen auf Kosten der Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Orangenplantagen und –fabriken. Jeder und jede einzelne von ihnen erntet pro Tag im Durchschnitt 1,5 Tonnen Orangen! Und das unter hohem Zeitdruck: 10 bis 11 Stunden täglich und gesundheitsgefährdenden Bedingungen, zum Beispiel durch instabile Leitern oder das Schleppen von 30kg schweren Körben. Dafür werden sie mit Hungerlöhnen von 10 Euro pro Tag abgespeist“, so Regina Webhofer von Südwind. „Europäische und österreichische Supermarktketten müssen endlich ihre Verantwortung entlang der Zulieferketten wahrnehmen und faire Preise für die Produkte bezahlen“, fordert Webhofer.

Einer, der Tag für Tag mit den Missständen in Brasilien konfrontiert wird, ist Alcimir Antonio do Carmo, Gewerkschafter aus Brasilien. Im Rahmen von „Supply Cha!nge – Make Supermarkets fair“ reiste der Brasilianer durch das Baltikum und Österreich, um auf die verheerenden Zustände in seinem Land aufmerksam zu machen. „Die Gesundheit von Landarbeiterinnen und Landarbeitern und die Arbeitsbedingungen auf Orangenplantagen in Brasilien werden mit Füßen getreten. Konsumentinnen und Konsumenten in Europa können mit ihren Kaufentscheidungen zur Verbesserung dieses Systems beitragen“, so Carmo.

Nicht nur die ArbeiterInnen, auch die Umwelt ist betroffen

Auch die massiven Umwelt- und Gesundheitsschäden, die durch den extremen Pestizideinsatz entstehen, sind ein massives Problem auf Brasiliens Orangensaftplantagen. Aufgrund von unzureichender Schutzbekleidung wurde die Anzahl der gemeldeten Pestizid-Vergiftungen seit 2007 auf 4537 Fälle verdoppelt. Auch Arbeitsunfälle im Zusammenhang mit Pestiziden sind in diesem Zeitraum um 67 Prozent angestiegen – ebenso die Zahl der gemeldeten Todesfälle (von 132 auf 206 Menschen). Die Dunkelziffern sind jedoch noch weitaus höher.

Vor allem die Wildbienen, die zur Bestäubung der Orangenblüten essentiell sind, sind betroffen. „Seit die aus Asien stammende Orangenbaum-Krankheit „Greening“ aufgetaucht ist, ist der Pestizideinsatz vor allem von bienengefährlichen Mittel explodiert“, erklärt Martin Wildenberg, Experte der österreichischen Umweltorganisation Global 2000, der kürzlich vor Ort in Brasilien recherchiert hat. Durch die bienengefährlichen Neonicotinoid-Insektizide versucht man den Überträger dieser bakteriellen Krankheit, eine Blattlaus-Art, zu vernichten – ein scheinbar aussichtsloser Kampf. Zwischen 2008 und 2010 wurde aufgrund von Insektiziden der Verlust von 10.000 Bienenstöcken in São Paulo, einer der Haupt-Orangen-Anbauregionen, gemeldet. Einige der im Orangenanbau verwendeten Mittel sind in der EU gar nicht mehr, viele nur mit erheblichen Einschränkungen zugelassen.

Größtes Problem: Unfaire Handelspraktiken

Als „Unfair Trading Practices“ werden Marktmechanismen bezeichnet, die Menschen- und Arbeitsrechtverstöße, aber auch massive und langfristige Umweltprobleme verursachen. Durch eine ausschließlich profitorientierte Agrarindustrie, wie man sie in Brasilien findet, werden natürliche Ressourcen langfristig geschädigt und im schlimmsten Fall sogar zerstört. „Die Bezahlung liegt weit unter dem, was ein Mensch zum Leben in Würde braucht“, so Hartwig Kirner, Geschäftsführer von FAIRTRADE Österreich. „Wir von Fairtrade kämpfen für menschenwürdige Standards entlang der gesamten Orangensaft-Wertschöpfungskette. Kleinbauernfamilien erhalten Unterstützung, zum Beispiel durch eine Erhöhung der Absatzmöglichkeiten, verbesserten Zugang zu finanziellen Ressourcen oder Unterstützung gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels“, so Kirner weiter.

„Es kann nicht sein, dass es im 21. Jahrhundert noch immer Menschen gibt, die unter solchen Bedingungen leben und arbeiten. Jetzt müssen wir alle an einem Strang ziehen, nicht nur für eine faire Bezahlung und faire Supermärkte, sondern für ein faires, menschenwürdiges Leben, egal, wo wer arbeitet“, so Wildenberg und Webhofer abschließend.

Das Projekt „Supply Change – Make Supermarkets Fair!“ wird mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Kommission und der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt. Die darin vertretenen Standpunkte geben die Ansicht von Südwind und GLOBAL 2000 wieder und stellen somit in keiner Weise die offizielle Meinung der Europäischen Union dar. Unsere Welt, unsere Würde, unsere Zukunft: Unter dem Motto des Europäischen Jahres für Entwicklung macht 2015 auch Österreich auf die vielseitigen Effekte von Entwicklungszusammenarbeit aufmerksam. Die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit informiert gemeinsam mit ihren Partnern – unterstützt durch die Europäische Kommission – über Entwicklungspolitik und fordert zum Mitmachen auf.

Studie

Mehr über das Projekt „Supply Cha!nge – Make Supermarkets Fair!“

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  1. 1
    Peter

    Wusste gar nicht das in Brasilien Löhne in Euro gezahlt werden, das es dort einen Mindestlohn gibt sollte sich inzwischen herum gesprochen haben und ein Gewerkschafter sollte nicht in Europa herumreisen sondern sich vor Ort um die Arbeitsbedingungen kümmern, das ist ein brasilianisches Problem.

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