Nach einer insgesamt fast 50-stündigen Marathon-Sitzung hat das Abgeordnetenhaus in Brasilien am Sonntagabend (17.) Ortszeit namentlich über eine Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff abgestimmt. Nachdem sich mit 367 Abgeordneten eine schon zu Beginn der Abstimmung abzeichnende und mehr als ausreichende Zweidrittelmehrheit (342) für eine Fortsetzung des laufenden und in der Verfassung des südamerikanischen Landes verankerten Verfahrens ausgesprochen hat, wird sich bereits in der kommenden Woche der Senat mit dem Antrag befassen. Nach letzten Umfragen hat dieser mit 46-Ja-Stimmen eine mehr als ausreichende Mehrheit. Sollte das Impeachment wie erwartet bereits mit einfacher Mehrheit genehmigt werden, wird Rousseff für zunächst 180 Tage suspendiert und Vizepräsident Michel Temer übernimmt die Amtsgeschäfte. Die Regierungspartei hatte bis zuletzt alles versucht, dem Amtsenthebungsverfahren zu entgehen. Das Oberste Gericht (STF) lehnte in den letzten Stunden vor der Abstimmung insgesamt drei Anträge auf Aussetzung der Abstimmung ab. Nach Bekanntgabe der Abstimmung kam es im Parlament und in fast allen Bundesstaaten zu volksfestartigen politischen Manifestationen, die Bevölkerung und die Abgeordneten feiern den „überwältigenden Sieg der Demokratie“.
Die Links-Partei von Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff hat ihre deutliche Niederlage bei der Abstimmung bereits eingeräumt und sprach systembedingt von einem Staatsstreich. Dass die Anhänger der Regierung lediglich 137 Stimmen von 513 verbuchen konnten, spricht Bände über die Realität in Brasilien. Beide Seiten hatten sich vor der Abstimmung siegessicher gezeigt, die Niederlage der Regierungspartei zeichnete sich allerdings bereits am Freitagabend (Ortszeit) ab. In den nächsten Stunden werden in fast allen Bundesstaaten Millionen Regierungsgegner und Befürworter zu Protestkundgebungen durch die Straßen ziehen, ein großes Polizeiaufgebot sichert die Gegend in den Innenstädten und um das Kongressgebäude ab. Auch wenn das aktuelle Staatsoberhaupt nicht als Siegerin der Abstimmung hervorgegangen ist, wird dies wohl keine Ruhe bringen. Analysten sehen Neuwahlen als einzigen Ausweg aus der Misere der noch größten Volkswirtschaft Lateinamerikas.
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