Wegen der chronischen Versorgungskrise fehlt es in Venezuela an Grundnahrungsmitteln und Medikamenten. In ihrer Not überquerten am Sonntag (10.) bis zu 50.000 Venezolaner die Grenze zum Nachbarland Kolumbien, eine „menschliche Flut“ ergoss sich über die prall gefüllten Regale der Supermärkte in der Grenzstadt Cúcuta. Die hauptsächlich durch das Missmanagement der Regierung verursache Hungersnot führt auch dazu, dass immer mehr notleidende venezolanische Bürger auf ihrer Suche nach Lebensmitteln die Grenze nach Brasilien überqueren. Die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas befindet sich in einer tiefen Rezession, die Krise in Venezuela beschert der Grenzregion allerdings einen regelrechten Boom. In Pacaraima (Bundesstaat Roraima) sind viele seit Monaten geschlossene Geschäfte im Hinblick auf die hohe Nachfrage im Nachbarland neu eröffnet worden. Der kommerzielle Sektor wurde wiederbelebt, Reis, Weizenmehl, Zahnpasta, Seife – fast alles – wird den Händlern regelrecht aus der Hand gerissen. Wegen der hohen Nachfrage sind selbst die Gehwege rund um die Geschäfte mit Verkaufswaren gepflastert, Venezolaner kommen aus allen Regionen des Landes.
Lokale Zeitungen berichten, dass die Kunden aus Venezuela selbst mehr als 1.000 Kilometer lange „Versorgungsfahrten“ auf sich nehmen. Obwohl viele Lebensmittel hinsichtlich des Wechselkurses teurer sind, sind sie immer noch wesentlich billiger als auf dem Schwarzmarkt und vor allem in schier unglaublichen Mengen vorrätig. Händler in Pacaraima, die einst Fachgeschäfte für Kleidung führten, haben ihre Läden umgerüstet und verkaufen ausschließlich Lebensmittel. „Was wir hören, ist, dass es in Venezuela nichts zu essen gibt und die Venezolaner ziehen es vor, statt zu verhungern nach Brasilien zu kommen“, so der Geschäftsmann José França da Silva. Der Umsatz der Einzelhändler, der in der Vergangenheit einen starken Rückgang zu verbuchen hatte, wuchs durch die Hamsterkäufe der Venezolaner alleine im letzten Monat um 90 Prozent. Viele Ladenbesitzer haben zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, die Region profitiert von der Not im Nachbarland.
Allerdings wird befürchtet, dass Venezuelas Präsident die Grenze in Kürze schließen könnte. „Wir sind froh darüber, dass wir gewaltige Mengen verkaufen können und zugleich sehr traurig. Wir wissen, dass die Venezolaner wegen ihrer Not zu uns kommen“, berichtet der Verkäufer Ismael Feliciano da Cruz. Sein Laden, ursprünglich ein Schuhgeschäft, ändert permanent sein Angebot. „Wir sind flexibel und reagieren auf die Kunden aus Venezuela. Zuerst verkauften wir Schuhe, danach Reifen und jetzt eben Lebensmittel“. Viele Bürger aus dem Nachbarland kommen aber nicht nur zum Einkaufen. Laut Angaben der Polizei stieg der Anteil der Delikte Raub und Diebstahl, in die Banden und Einzelpersonen aus Venezuela verwickelt sind.
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