Brasilien wird vom größten Korruptionsskandal in seiner Geschichte erschüttert. Im Gegensatz zur Marionetten-Justiz im Nachbarland Venezuela ermittelt der Oberste Gerichtshof ohne Rücksicht auf Rang und Namen, am Montagabend (5.) Ortszeit wurde Senatspräsident Renan Calheiros auf unbestimmte Zeit suspendiert. Calheiros wird beschuldigt, öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Demnach soll er 2005 Geld aus Senatskassen genutzt haben, um damit über einen Strohmann bei einer Autofirma Unterhalt für eine uneheliche Tochter zu zahlen (außereheliche Affäre mit einer Journalistin). Das Verfahren gegen Calheiros stammt aus dem Jahr 2007. Er wurde als Führer des Senats zu der Zeit zum Rücktritt gezwungen, sechs Jahre später wiedergewählt und bestreitet ein Fehlverhalten. Der Minister/Richter des Bundesgerichts (STF) Marco Aurélio Mello hat den 61-Jährigen per einstweiliger Verfügung des Vorsitzes des Senats enthoben, sein Mandat behält der Beschuldigte. Mit der Entfernung aus dem Amt wird Senator Jorge Viana (PT-AC), der erste Vizepräsident des Senats, die Leitung des “ Ältestenrates“ übernehmen. Am Dienstagabend (6.) Ortszeit hat sich Calheiros der richterlichen Anordnung wiedersetzt.
Der Senatspräsident wurde nicht, wie in verschiedenen ausländischen Medien verbreitet, vom Obersten Gerichtshof vom Dienst suspendiert. Lediglich Richter Marco Aurélio Mello hatte in einer Einzelfall-Entscheidung einem vom Nachhaltigkeits-Netzwerk (Rede Sustentabilidade) eingebrachten Antrag auf Suspendierung stattgegeben. Gründerin des Netzwerks ist Marina Silva, bis 2009 Mitglied der linken Arbeiterpartei und mehrfache Präsidentschaftskandidatin (2010 und 2014) der Grünen Partei. Nach Meinung von unabhängigen Beobachtern ist offensichtlich, was nun für ein schmutziges Spiel gespielt werden soll. Viana hat bereits angekündigt, dass er Abstimmungen über wichtige Regierungsprojekte wie dringend erforderliche Haushaltseinsparungen (PEC-55) erst einmal aussetzen wolle. Dies will Calheiros verhindern, weist auf die Verfassung hin und teilt in einem Interview mit, dass er sein Amt solange fortsetzen wird, bis sämtliche Richter des Obersten Gerichtshofs am Mittwoch (7.) um 14:00 Uhr Ortszeit über die Suspendierung abstimmen/entscheiden. Im größten Land Lateinamerikas kann nur das Oberste Bundesgericht gegen Minister vorgehen. An den endgültigen Entscheidungen/Urteile müssen neun von elf Richtern beteiligt sein. Eine mögliche Alternative zur Lösung der institutionellen Krise wäre der Verlust der Präsidentschaft von Calheiros – bei gleichzeitiger Beibehaltung der Leitung des Senats.
Gegen den Senatspräsidenten sind noch mindestens acht Ermittlungen hinsichtlich der Operação Lava Jato anhängig. Bisher ist es zu keiner Anklage gekommen.
Update
Der Oberste Gerichtshof (STF) hat mit sechs gegen drei Stimmen entschieden, dass Senator Renan Calheiros (PMDB-AL) Präsident des Senats bleibt.
Danke für diesen hervorragenden Artikel. Mit diesen Hintergrundinformationen erscheint die Lage in einem ganz anderen Bild!