Brasilien: Schmutziges Spiel um Suspendierung des Senatspräsidenten – Update

wech

Calheiros wird beschuldigt, öffentliche Gelder veruntreut haben (Foto: PalacioPlanalto)
Datum: 07. Dezember 2016
Uhrzeit: 13:27 Uhr
Leserecho: 1 Kommentar
Autor: Redaktion
Sprachkurs Portugiesisch (Brasilianisch)

Brasilien wird vom größten Korruptionsskandal in seiner Geschichte erschüttert. Im Gegensatz zur Marionetten-Justiz im Nachbarland Venezuela ermittelt der Oberste Gerichtshof ohne Rücksicht auf Rang und Namen, am Montagabend (5.) Ortszeit wurde Senatspräsident Renan Calheiros auf unbestimmte Zeit suspendiert. Calheiros wird beschuldigt, öffentliche Gelder veruntreut zu haben. Demnach soll er 2005 Geld aus Senatskassen genutzt haben, um damit über einen Strohmann bei einer Autofirma Unterhalt für eine uneheliche Tochter zu zahlen (außereheliche Affäre mit einer Journalistin). Das Verfahren gegen Calheiros stammt aus dem Jahr 2007. Er wurde als Führer des Senats zu der Zeit zum Rücktritt gezwungen, sechs Jahre später wiedergewählt und bestreitet ein Fehlverhalten. Der Minister/Richter des Bundesgerichts (STF) Marco Aurélio Mello hat den 61-Jährigen per einstweiliger Verfügung des Vorsitzes des Senats enthoben, sein Mandat behält der Beschuldigte. Mit der Entfernung aus dem Amt wird Senator Jorge Viana (PT-AC), der erste Vizepräsident des Senats, die Leitung des “ Ältestenrates“ übernehmen. Am Dienstagabend (6.) Ortszeit hat sich Calheiros der richterlichen Anordnung wiedersetzt.

Der Senatspräsident wurde nicht, wie in verschiedenen ausländischen Medien verbreitet, vom Obersten Gerichtshof vom Dienst suspendiert. Lediglich Richter Marco Aurélio Mello hatte in einer Einzelfall-Entscheidung einem vom Nachhaltigkeits-Netzwerk (Rede Sustentabilidade) eingebrachten Antrag auf Suspendierung stattgegeben. Gründerin des Netzwerks ist Marina Silva, bis 2009 Mitglied der linken Arbeiterpartei und mehrfache Präsidentschaftskandidatin (2010 und 2014) der Grünen Partei. Nach Meinung von unabhängigen Beobachtern ist offensichtlich, was nun für ein schmutziges Spiel gespielt werden soll. Viana hat bereits angekündigt, dass er Abstimmungen über wichtige Regierungsprojekte wie dringend erforderliche Haushaltseinsparungen (PEC-55) erst einmal aussetzen wolle. Dies will Calheiros verhindern, weist auf die Verfassung hin und teilt in einem Interview mit, dass er sein Amt solange fortsetzen wird, bis sämtliche Richter des Obersten Gerichtshofs am Mittwoch (7.) um 14:00 Uhr Ortszeit über die Suspendierung abstimmen/entscheiden. Im größten Land Lateinamerikas kann nur das Oberste Bundesgericht gegen Minister vorgehen. An den endgültigen Entscheidungen/Urteile müssen neun von elf Richtern beteiligt sein. Eine mögliche Alternative zur Lösung der institutionellen Krise wäre der Verlust der Präsidentschaft von Calheiros – bei gleichzeitiger Beibehaltung der Leitung des Senats.

Gegen den Senatspräsidenten sind noch mindestens acht Ermittlungen hinsichtlich der Operação Lava Jato anhängig. Bisher ist es zu keiner Anklage gekommen.

Update

Der Oberste Gerichtshof (STF) hat mit sechs gegen drei Stimmen entschieden, dass Senator Renan Calheiros (PMDB-AL) Präsident des Senats bleibt.

P.S.: Sind Sie bei Facebook? Dann werden Sie jetzt Fan von agência latinapress! Oder abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter und lassen sich täglich aktuell per Email informieren!

© 2009 - 2024 agência latinapress News & Media. Alle Rechte vorbehalten. Sämtliche Inhalte dieser Webseite sind urheberrechtlich geschützt. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung von IAP gestattet. Namentlich gekennzeichnete Artikel und Leser- berichte geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. Für Einsendungen und Rückmeldungen bitte das Kontaktformular verwenden.

Dies könnte Sie auch interessieren

Kommentarbereich

Hinweis: Dieser Kommentarbereich ist moderiert. Leser haben hier die Möglichkeit, Ihre Meinung zum entsprechenden Artikel abzugeben. Dieser Bereich ist nicht dafür gedacht, andere Personen zu beschimpfen oder zu beleidigen, seiner Wut Ausdruck zu verleihen oder ausschliesslich Links zu Videos, Sozialen Netzwerken und anderen Nachrichtenquellen zu posten. In solchen Fällen behalten wir uns das Recht vor, den Kommentar zu moderieren, zu löschen oder ggf. erst gar nicht zu veröffentlichen.
  1. 1
    Augsburger Allgemein

    Danke für diesen hervorragenden Artikel. Mit diesen Hintergrundinformationen erscheint die Lage in einem ganz anderen Bild!

Diese News ist älter als 14 Tage und kann nicht mehr kommentiert werden!