Venezuela: Nur Mangel gibt es noch im Überfluss

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Die Veränderung der Lebensqualität der Venezolaner war noch nie so brutal gewesen (Foto: Alex Proimos)
Datum: 26. April 2017
Uhrzeit: 07:46 Uhr
Leserecho: 5 Kommentare
Autor: Redaktion
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Hyperinflation, Versorgungsnotstand, Gewalt: Während sich die politische Krise Venezuelas in Straßenschlachten und Massendemonstrationen entlädt, hungern immer mehr Menschen. Doch selbst für Hilfsorganisationen wie die SOS-Kinderdörfer weltweit wird es immer schwieriger, die verarmten Menschen zu unterstützen. „Wir sind seit 1979 in Venezuela, aber eine derartige Geschwindigkeit an Verarmung haben wir in all den Jahren nicht gesehen“, sagt Louay Yassin, Pressesprecher der SOS-Kinderdörfer. „Das beginnt bei der Beschaffung der Lebensmittel für die Familien und Kinder, die in unserer Obhut sind.“ Denn in den staatlichen Supermärkten sind die Regale meist gähnend leer. Und wenn es ausnahmsweise einmal etwas gibt, bilden sich vor diesen Märkten lange Schlangen.

Außerdem nimmt die Kriminalität stetig zu, schon heute hat die Hauptstadt Caracas die höchste Mordrate der Welt. „Plünderungen und Überfälle auf die wenigen Lebensmitteltransporte sind an der Tagesordnung“, sagt Yassin. „Nach 18 Uhr traut sich keiner mehr auf die Straße, außer den Kriminellen.“ Viele Eltern trauten sich nicht mehr ihre Kinder in die Schule zu schicken, weil es lebensgefährlich geworden sei auf die Straße zu gehen. Für die Kinder schwinde damit jede Chance auf ein besseres Leben.

Abgeschreckt durch die Situation, suchten inzwischen viele Fachkräfte ihr Glück im Ausland. „Denn selbst unsere Mitarbeiter mit ihren vergleichsweise guten Gehältern wissen nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen“, sagt Yassin. Besonders massiv trifft der Mangel die Kinder: „Wir wissen von Ärzten, die Kinder abweisen müssen, die dringend operiert werden müssten, weil OP-Besteck, Verbandszeug und Desinfektionsmittel fehlen“, sagt Yassin. Selbst todkranke Kinder blieben oft ohne Medizin.

Venezuela befindet sich im Notstand. Die Wirtschaft in dem Staat, der eines der reichsten Ölvorkommen auf der ganzen Welt besitzt, kollabiert. Die Inflationsrate lag im Februar bei rund 740 Prozent, bei anhaltender politischer Instabilität könnte sie bis zum Ende des Jahres auf 1600 Prozent anwachsen. Die SOS-Kinderdörfer schätzen, dass schon jetzt mehr als die Hälfte der Venezolaner mit weniger als drei Mahlzeiten am Tag auskommen muss. Rund 85 Prozent aller Medikamente seien nicht mehr erhältlich.

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  1. 1
    Der Bettler

    Nicht zu vergessen,daß es kaum noch Wasser gibt,und die Seuchengefahr auch immer höher wird.
    Alle anderen Dramen gibt es schon seit 2015.Es wird halt von Tag zu Tag schlimmer,und kein Ende in Sicht.Ich werde die Besserung nicht mehr erleben,und das ist traurig,weil ich 21 Jahre meines Lebens in diesem Land vergeudet habe,immer in der Hoffnung auf Besserung.Verdammter Sozialismus,verfluchte Diktatur.

  2. I weiß nicht, wie Experten Inflationsraten berechnen. Ich meine, wenn etwas heute das Doppelte kostet wie zum gleichen Zeitpunkt des letzten Jahres, dann sind das 100% Inflation. Und wenn es das Zehnfache kostet, dann sind das Eintausend Prozent Inflation. Oder seh ich das falsch?

    Gerade hatte ich eine Hotelrechnung von 2005 in der Hand, über eine Übernachtung zu 60.000 Bolivares. Das waren noch die alten Bolivares. Demnach nur 60 BsF der aktuellen Währung. Im selben Haus kostet das gleiche Zimmer heute zufällig fast den gleichen Preis, nur in Bolivares FUERTES, knapp 60.000 BsF. Das sind 1.000 mal mehr. Also beträgt die Inflation für diese Leistungskategorie in 12 Jahren 100.000%. In Worten: EINHUNDERTTAUSEND PROZENT. Teilt man dies durch 12 (was nur die Größenordnung aufzeigen soll, keine exakte Berechnung der jährlichen Inflatiosrate), dann ergibt dies 8.333% pro Jahr, ACHTTAUSENDDREIHUNDERT DREIUNDDREISSIG PROZENT.

    Hab ich da irgendwo einen fundamentalen Fehler im Verständnis oder Rechenprozess, oder kommt ihr zu dem gleichen Ergebnis?

  3. 3
    Mango

    Hr. Bauer. Du siehst das schon fast richtig nur eine Null zuviel. Beim alten Bolivar wurden 2 Nullen gestrichen. Also 60.000 bolo viejo waren 600 bolo fuerte x 10.000% ergibt 60.000 bsf fuerte, geteilt durch 12 Jahre, ergibt 833%. Bei den Basisprodukte die in Venezuela noch angebaut werden, komme ich fast zum gleichen Ergebniss. Zum Beispiel: am 05. 01. 2013 bezahlte ich 50 Kg. Mais 200 bsf fuerte. Am 21. 04. 2017 für die gleiche Menge 55.000 bsf. Das sind in 4 Jahren und 4 Monate 27.500%. Oder am 22. 03. 2017 für 50 Kg. 32.000 bsf und am 21. 04. 2017 – 55.000. ergibt monatlich 72 % Inflation, mal 12 Monate ergibt 864 %. Jedoch bei den gesamten importierten Waren liegen wir um das doppelte höher, und so müsste die oben angegebene Prognose in etwa richtig sein. Saludos de Venezuela

    • Hallo Mango, das deckt sich leider gar nicht mit meiner Erinnerung and die Einführung des Bolivar Feuerte. Und um ganz sicher zu gehen, daß die Sonne nicht die dafür zuständigen Hirnzellen aufgeweicht hat, habe ich in Wikipedia nachgeschaut. Hier das, zumindest mich, beruhigende Ergebnis:
      „Am 1. Januar 2008 bekam der Bolívar einen neuen Namen, Bolívar Fuerte. Gegenüber dem alten Nominalwert wurden drei Nullen gestrichen. Das Umtauschverhältnis betrug also 1000 Bs zu 1 BsF. “

      Bei den Mais Preisen kann ich leider nicht mitreden.

      • 3.1.1
        Mango

        Ja hast Recht. Habe noch mal nachgedacht und mich erinnert, dass sie hier noch lang Zeit gesagt haben z.B.:gib mir für mill bolo oder cincomill das eine oder andere. Das heist ein bolo war der Gegenwert von tausend alten bolivar.

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