Am Dienstag (5.) startet eine zehntägige Recherchereise von 30 Menschenrechts-, Entwicklungs-, und LandexpertInnen in die brasilianische Region Matopiba, um die Auswirkungen großer Landinvestitionen auf die soziale, ökologische und menschenrechtliche Lage der Region zu dokumentieren. Hiermit soll Licht ins Dunkel der oft kriminellen Geschäfte mit Agrarland gebracht werden. FIAN Deutschland beteiligt sich an der Recherche, um speziell die Rolle deutscher Akteure zu untersuchen.
Seit der Finanz- und Nahrungsmittelpreiskrise 2008 hat sich Landgrabbing rapide ausgebreitet. Brasilien ist ein besonders attraktives Ziel der Investoren: bei der Produktion von Soja, Zucker, Mais, Baumwolle, Eukalyptus und Fleisch haben sich die Gewinne teilweise vervierfacht.
In der Region MATOPIBA im Nordosten Brasiliens, die Teile der Staaten Maranhãos, Tocantins, Piauís und Bahias umfasst, treten Landenteignungen gehäuft auf – oft nach demselben Schema: Zwischenhändler organisieren sich mit Hilfe von Einschüchterungen oder offener Gewalt Land, welches bislang von lokalen Gemeinden genutzt wurde. Sobald die Flächen freigeräumt und abgesteckt sind, werden mithilfe von Bestechung formale Besitzurkunden und Grundbucheinträge ausgestellt. Diese in Brasilien gängige Praxis wird grilagem genannt. So kann das Land an einen Investor verkauft werden, der dann erklären kann, nichts mit gewaltsamen Vertreibungen oder anderen Menschenrechtsverletzungen zu tun zu haben.
Marginalisierte Gruppen wie KleinbäuerInnen, Indigene oder Nachkommen ehemaliger Sklaven werden in Gebiete mit schlechten Böden oder wenig Wasser abgedrängt. Viele Betroffene wandern in die Städte ab, wo sie in Slums ihre Existenzen in prekären oder illegalen Verhältnissen zu sichern versuchen. Als Alternative bleibt meist nur die Arbeit unter sklavenähnlichen Bedingungen in den Agrarbetrieben, die nun ihr ehemaliges Land besetzen. Gleichzeitig führt der Kahlschlag zu einer massiven Vernichtung der Artenvielfalt.
FIAN Deutschland ist bei der Recherche dabei, um deutsche Beteiligungen an Landgeschäften in Brasilien zu untersuchen. So hat sich beispielsweise die Ärzteversorgung Westfalen-Lippe (ÄVWL) mit 100 Millionen US-Dollar an einem dort aktiven Investmentfonds beteiligt. Seit 2012 versucht FIAN, die ÄVWL zu einem Ausstieg zu bewegen – bislang ohne Erfolg. Auch die Bundesregierung sowie die NRW-Landesregierung, die für die Einhaltung der Menschenrechte bei Investitionen deutscher Akteure verantwortlich sind, sehen bislang keinen Handlungsbedarf. FIAN wird die Ergebnisse der Recherchen daher an die zuständigen Behörden weiterleiten. „Wir hoffen, mit dem Sammeln weiterer Fakten die deutsche Regierung endlich zum Handeln zu bewegen“, so Roman Herre, Agrar-Referent von FIAN Deutschland. „Aus unserer Sicht wäre es die Aufgabe der deutschen Regierung, eine solche Untersuchung selbst durchzuführen und damit auf die menschenrechtlichen Risiken zu reagieren, die mit solchen Investitionen einhergehen.“
Die Delegation wird betroffene Gemeinden besuchen, um aus einer Menschenrechtsperspektive heraus die strukturellen Auswirkungen von Landgrabbing zu dokumentieren und analysieren. Hierbei werden sowohl die Rolle des brasilianischen Staats als auch die extraterritorialen Menschenrechtsverpflichtungen anderer Staaten untersucht, aus denen Gelder und Konzerne stammen, die an Landgrabbing beteiligt sind.
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