Forscher von weltweit 159 Universitäten und Forschungsinstituten haben erstmals systematisch untersucht, wie die tropischen Wälder der Erde evolutionsgeschichtlich miteinander verwandt sind. Mit Untersuchungen zu Waldgebieten in Ostafrika, insbesondere am Kilimanjaro, war auch Dr. Andreas Hemp von der Universität Bayreuth an diesem Großprojekt beteiligt. Die phylogenetischen Analysen ergaben, dass sich zwei Weltregionen unterscheiden lassen, in denen die Wälder einen besonders hohen Verwandtschaftsgrad aufweisen: der amerikanisch-afrikanische Raum und der indo-pazifische Raum. Im Wissenschaftsmagazin PNAS werden die Ergebnisse vorgestellt.
Weshalb sind die südamerikanischen Tropenwälder mit afrikanischen Tropenwäldern verwandt, die sich vom Kongo in Zentralafrika bis nach Guinea in Westafrika erstrecken? Die Wissenschaftler sehen die Ursache in der Erdgeschichte: Vor rund 100 Millionen Jahren hat sich Südamerika aus dem südlichen Großkontinent Gondwana herausgelöst und ist nach Westen gedriftet, während aus dem Restkontinent unter anderem das heutige Afrika entstanden ist. Im Verlauf der weiteren Evolution haben sich in beiden Kontinenten zwar eigene Pflanzenarten und Vegetationen herausgebildet. Doch die Tropenwälder haben sich zumindest auf der Ebene der Baumgattungen nicht sehr weit auseinanderentwickelt, so dass man heute in phylogenetischer Hinsicht von einem amerikanisch-afrikanischen Cluster sprechen kann. Dabei gibt es vor allem in den afrikanischen Wäldern vom Kongo bis nach Guinea auffallend geringe Unterschiede hinsichtlich der Artenzusammensetzung. Diese ungewöhnliche Einheitlichkeit könnte nach Einschätzung der Forscher mit den wiederholten Eiszeiten und den damit einhergehenden Trockenperioden zusammenhängen, denen die Wälder in diesem Großraum ausgesetzt waren.
Auf der anderen Seite weisen die Tropenwälder in Ostafrika, Madagaskar, Indien, Südostasien, Australien und auf den pazifischen Inseln trotz großer räumlicher Entfernungen eine ausgeprägte evolutionsgeschichtliche Verwandtschaft auf. Eine Ursache dafür könnte die gemeinsame erdgeschichtliche Herkunft aus dem östlichen Gondwana sein. Darüber hinaus haben Biologen in den letzten zwei Jahrzehnten nachgewiesen, dass es im Großraum rund um den heutigen Indischen Ozean mehrmals einen signifikanten biologischen Austausch von Pflanzenarten gegeben hat. Die Forscher vermuten, dass auch die Tropenwälder an diesen Wechselbeziehungen teilhatten, so dass sie heute ein weiträumiges indo-pazifisches Cluster bilden. Selbst die Wälder auf Madagaskar und Neuguinea gehören, auch wenn sie sich hinsichtlich ihrer Artenzusammensetzung deutlich unterscheiden, diesem evolutionsgeschichtlichen Cluster an. „Unsere in enger internationaler Zusammenarbeit gewonnenen Analysen haben es erstmals möglich gemacht, eine biogeographische Gliederung der Tropenwälder zu entwickeln, die sich allein auf die Evolutionsgeschichte – genauer: auf phylogenetische Ähnlichkeiten der Wälder – stützt“, erklärt Dr. Andreas Hemp, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pflanzensystematik der Universität Bayreuth.
Mit seinen Untersuchungen zur Vegetation am Kilimanjaro und weiteren Regionen Ostafrikas hat er in den letzten Jahren dazu beigetragen, die Vielfalt und evolutionsgeschichtliche Entwicklung der Wälder in diesen Gebieten aufzuklären. Im Kontext der neuen Studie war er wesentlich an dem Nachweis beteiligt, dass diese Tropenwälder nicht dem amerikanisch-afrikanischen Großraum zuzuordnen sind, sondern einen westlichen Zipfel des indo-pazifischen Clusters bilden. „Phylogenetische Gemeinsamkeiten haben nachweislich einen Einfluss darauf, wie Tropenwälder beispielsweise auf Extremereignisse reagieren, die sich aus dem weltweiten Klimawandel ergeben. Daher können sie uns wichtige Hinweise geben, wie wahrscheinlich es ist, dass sich Veränderungen im globalen Klima langfristig auf weiträumige Waldregionen der Erde auswirken“, sagt der Bayreuther Pflanzensystematiker.
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