Der Künstler Felipe Cusicanqui kam vor drei Jahren aus Chile nach Berlin, und nun legt er er eine Auswahl seiner Werke vor, die seine künstlerische Entwicklung während dieser Zeit widerspiegeln. Der Titel der Schau, „Vorbei, verweht, nie wieder“ bezieht sich auf das gleichnamige Gedicht des Künstlers und Journalisten Kurt Tucholsky aus dem Jahre 1932. Tucholskys Poesie hat Cusicanqui dazu inspiriert, die Beziehung und Wechselwirkung zweier Welten zu ergründen: Stadt und Wald. Die Vernissage findet am Montag, 4. Juni, um 19 Uhr in den Räumen der Botschaft statt.
Welche Fragen und Themen beschäftigen Dich aktuell in Deiner Kunst?
Es sind Szenen aus meinem Leben und Alltag in Berlin aus den vergangenen drei Jahren. Bei meiner Arbeit hat mich die wiederholte Lektüre von Werken der deutschen Romantik inspiriert sowie deren Auswirkungen bis in die Gegenwart. Ein zentrales Thema ist daher die Landschaft. Ich habe in den Bildern Materialien verwendet, die ich in der Stadt gefunden habe, wie zum Beispiel gebrauchte Obstkisten, liegengelassene Bücher oder alte Kleidungsstücke, die irgendwo herumlagen. Ich möchte einen Dialog herstellen zwischen diesen Materialien und dem Bild, das durch sie erzeugt wird.
Wie hat die Zeit in Berlin Dich verändert, im Hinblick auf Deine Arbeit?
Das Leben hier hat mich vor allem aus meiner Komfortzone herausgeholt und mich in eine Situation gebracht, in der ich mich neu erfinden musste, so etwa im Hinblick auf meine bisherige Vorstellung von Identität. Auch was die deutsche Sprache, Landschaft und Geschichte betrifft haben die Erfahrungen in Berlin mein Spektrum erweitert – schon allein in punkto Experimentierfreude. Die neuen Eindrücke und Erfahrungen haben nach und nach meine Sichtweisen verändert und ich glaube, dass man es meinen Bildern ansieht.
Einerseits empfinde ich hin und wieder ein gewisse Melancholie, wegen der großen Entfernung zu meiner Heimat Chile. Andererseits gibt mir genau dies die notwendige Distanz, um diesen anderen Blickwinkel einnehmen zu können. Das hat mich dazu gebracht, mich langsam zu öffnen und mich in einer neuen Landschaft wieder zu erkennen.
In Deinem Lebenslauf ist der Titel „Inka-Prinz“ zu lesen. Ist das ein Künstlername?
Der „Inka-Prinz“ ist ein Dokumentarfilm, an dem ich auf Einladung mitgewirkt habe. Es handelt sich um den Bericht einer Reise auf den Spuren meines Großvaters und der Geschichten, die er mir über sein Geburtsland Bolivien und unsere indigenen Vorfahren erzählte. Leider gibt der Titel des Filmes nicht seinen Geist wieder, aber aus Marketinggründen entschied sich die Regisseurin für diesen Titel. Der Name bezieht sich auf Adelstitel, die die spanische Krone meiner Familie übertrug und sie als Nachfahren des Inkaherrschers Tupac Inca Yupanqui anerkannte. Diese Dokumente wurden aufgrund der Erbfolge an mich vererbt, als Erstgeborener bin ich damit betraut, diese Tradition fortzusetzen. Mein Großvater war sehr stolz auf seine Abstammung und sprach mir gegenüber immer davon, dass wir Prinzen wären, was eine Geschichte war, die zweifelsohne einen Teil meiner Identität und Vorstellungskraft formte.
Zu Deinem Selbstverständnis: Was bedeutet es für Dich, Künstler zu sein?
Es bedeutet, nach einer Vorstellung zu leben, in der Kunst und Leben ineinander verschmelzen, sich widersprechen, sich gegenseitig nähren und eine Welt der Fragestellungen und Gedanken über Realität und Wahrnehmung innerhalb der ästhetischen Erfahrung eröffnen.
Ein Blick in die Zukunft: Wo siehst Du Dich heute in fünf Jahren auf Deinem künstlerischen Weg?
Fünf Jahre sind eine lange Zeit, ich denke nicht in so langen Zeiträumen, aber ich darf hoffen, dass die Reife dieser fünf Jahre weiterhin Früchte tragen wird – süß und saftig. Was meinen Werdegang als hauptberuflicher Künstler angeht, so spüre ich in der Kunstszene sehr große Konkurrenz; ich empfinde dieses Streben, das sich an Erfolg, Ruhm und Anerkennung orientiert, als ein wenig oberflächlich. Mich interessieren vor allem die Erfahrungen und Erfolge in der Einsamkeit meines Ateliers, auf den Rest achte ich nicht so sehr, dies ist ein mir fremder Lebensstil, den ich auch nicht anstrebe.
Die Ausstellung läuft vom 5. Juni bis zum 24. August. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 11 bis 17 Uhr. Anmeldung telefonisch unter 030 / 7262035 oder E-Mail: cmedina@minrel.gob.cl
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