Eine internationale Arbeitsgruppe um die Kieler Geographen und Ökologen Professor Hans-Rudolf Bork, Dr. Svetlana Khamnueva, Dr. Andreas Mieth und Dr. Stefan Dreibrodt vom Institut für Ökosystemforschung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hat eine kürzlich auf der Osterinsel entdeckte prähistorische Werkstatt zur Pigmentherstellung untersucht und den Herstellungsprozess der Farbpigmente entschlüsselt. Den Forschenden gelang damit der erste Nachweis einer Pigmentproduktion in industriellem Maßstab auf der abgelegenen südpazifischen Insel. Beteiligt an den Untersuchungen war ein internationales Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Geoarchäologie, Paläoökogie, Mikromorphologie und Geochemie aus Deutschland, Dänemark und Spanien. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse jetzt in der neuesten Ausgabe des Spanish Journal of Soil Science.
Faszination Osterinsel
Die zu Chile gehörende Osterinsel gilt als abgelegenste von Menschen bewohnte Insel der Erde. Polynesier entdeckten sie vermutlich um das 8. oder 9. Jahrhundert nach Christus. Die von den Bewohnerinnen und Bewohnern über Jahrhunderte geschaffenen einzigartigen Steinskulpturen, die Moai, machten die Insel weltberühmt und sorgen heute für einen intensiven Kulturtourismus. Seit einem halben Jahrhundert wird die Insel archäologisch intensiv erforscht. Doch trotz umfangreicher Forschung gibt es immer wieder neue Entdeckungen. So fand die Kieler Arbeitsgruppe bei geoarchäologischen Grabungen in einem Tal am Hang des höchsten Inselvulkans (Maunga Terevaka) in einer Flussterrasse Hunderte von Gruben, die mit einem pudrigen rötlichen Pigment gefüllt sind. Umfangreiche Laboranalysen der Grubenfüllungen halfen dabei, den Herstellungsprozess der Pigmente zu entschlüsseln.
Aufwendige und innovative Farbproduktion
Die rote Farbe beruht nach Analysen des Geowissenschaftlers Stefan Dreibrodt auf dem Eisenoxid Hämatit, das die Rapanui in den Gruben durch Erhitzung von möglicherweise gemahlenem Gestein erzeugt haben. Belegt sind die Brände durch verkohltes Pflanzenmaterial, das in dunkel gefärbten Schichten das rötliche Pigment durchzieht. Mit der Radiocarbondatierung des verkohlten Materials konnte die Produktionszeit der Pigmente auf den Zeitraum des 15. bis 17. Jahrhunderts datiert werden. Als Brennmaterial für die Pigmentproduktion hatten den Rapanui große Mengen getrockneter Gräser gedient. Dies konnte durch die Analyse von Phytolithen, mikroskopisch kleinen Silikatpartikeln als Überbleibsel aus Pflanzenzellen, nachgewiesen werden. Die für bestimmte Pflanzengruppen charakteristischen Phytolithe analysierten Welmoed Out, Paläobotanikerin am Moesgaardmuseum, Aarhus, und Marco Madella von der Universität Pompeu Fabra, Barcelona. Holz als Brennmaterial war auf der Osterinsel zur Zeit der Pigmentproduktion kaum noch vorhanden, denn die Inselbewohner hatten die Wälder weitgehend gerodet, wie schon frühere Arbeiten der Kieler Arbeitsgruppe zeigten.
Die mikroskopische Untersuchung der Grubenfüllungen durch die Mikromorphologin Svetlana Khamnueva förderte ebenfalls Erstaunliches zutage: Die Grubenfüllungen sind fein geschichtet und verdeutlichen, dass der Prozess der Pigmentherstellung in zahlreichen abwechselnden Phasen des Einfüllens von mineralischen Rohstoffen und kurzen Bränden erfolgte – ein extrem aufwändiger Prozess, der zeigt, dass die Gesellschaft der Rapanui auch nach der Rodung der Wälder leistungsfähig und keineswegs dem Untergang geweiht war.
Eine Farbe für die Steinskulpturen?
Wofür die roten Pigmente verwendet wurden, ist noch nicht entschlüsselt. Fest steht aber, dass die Farbe Rot auf der Osterinsel einst heilig war. Sie stand für spirituelle Kraft, physische Stärke und Fruchtbarkeit. Die Forschenden vermuten, dass die neu entdeckten Pigmente für Hautbemalungen verwendet worden sein könnten, weil sie sich durch ihre feine Konsistenz gut auf die Haut auftragen lassen. Ein weiterer Verwendungszweck könnte das Dekorieren von Steinbildern oder das Bemalen der weltberühmten Moai gewesen sein. Über die Anwendungsmöglichkeiten der Pigmente möchte das Forschungsteam noch mehr herausfinden und auch darüber, wo auf der Insel der mineralische Rohstoff gewonnen wurde.
Die Feldarbeiten auf der Osterinsel erfolgten in Kooperation und mit Unterstützung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) in Bonn. Die Laboranalysen in Kiel, Aarhus und Barcelona wurden in den jeweiligen Instituten der Universitäten vorgenommen.
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