Die Sonderversammlung der Bischofssynode zur Lage im Amazonas-Gebiet im Oktober 2019 in Rom wirft bereits jetzt ihre Schatten voraus. Jüngst ist ein Vorbereitungsdokument erschienen, geschrieben von Menschen, die den Pulsschlag Amazoniens kennen. Es führt ausführlich in die komplexe Problemlage der genannten Region ein, und mit ihm sollen Kräfte und Ideen für einen erfolgreichen Verlauf der Amazonas-Synode gebündelt werden. Es lädt zum Dialog ein und will Antworten nicht vorwegnehmen. „Amazonien: Neue Wege für die Kirche und eine ganzheitliche Ökologie“, lautet der Titel des Papiers. MISEREOR ist seit seiner Gründung mit 3500 Projekten in Amazonien präsent.
Das Amazonas-Becken gehört zu den artenreichsten Gebieten der Erde, umfasst 20 Prozent der globalen Süßwasser-Reserven und mehr als ein Drittel aller Urwälder. Amazonien ist 21 Mal so groß wie Deutschland und hat eine Größe von mehr als 7,5 Quadratkilometern, die unter neun Ländern aufgeteilt sind. In diesen Ländern lebt eine indigene Bevölkerung von annähernd drei Millionen Menschen, zusammengesetzt aus etwa 390 verschiedenen Völkern und Nationalitäten. Darunter befinden sich bis zu 130 indigene Völker in „freiwilliger Isolation“.
„Mit hörendem Herz“
Papst Franziskus hat dazu aufgerufen, den Menschen im Amazonas-Raum mit offenen Augen und einem „hörenden Herz“ zu begegnen. Im Januar dieses Jahres traf das Kirchenoberhaupt zur Vorbereitung der Synode mit Vertretern verschiedener Völker Amazoniens zusammen, um sich ein Bild von der Situation in der Region zu machen. Anschließend sagte er: „Wahrscheinlich waren die autochthonen Völker Amazoniens in ihren Territorien nie derart bedroht, wie sie es heute sind.“
MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel greift diesen Gedanken auf: „Mit den Völkern Amazoniens sind wir alle bedroht: die Armen und die Anderen, die Natur und die ganze Schöpfung. Wenn Amazonien die Lunge des Planeten Erde ist, dann leiden dieser Planet und seine Bewohner heute an einer akuten Lungenentzündung. In absehbarer Zeit könnte uns allen die Luft ausgehen.“
Massive ökonomische Interessen
Durch die Amazonassynode wolle der Papst uns wachrütteln, Verantwortung für das Leben aller zu übernehmen und durch Umkehr nach neuen Wegen für einen umfassenden sozialen und ökologischen Wandel zu suchen, sagt der MISEREOR-Chef. Die Synode sei eine unmittelbare Konsequenz aus Forderungen der Enzyklika „Laudato Sí“.
Das Vorbereitungsdokument, das unter dem bekannten Dreiklang „Sehen, Urteilen, Handeln“ zu einer Auseinandersetzung mit verschiedensten Fragen aufruft, sei geeignet, deutlich zu machen, „wie nahe in unserer globalisierten Welt viele Probleme und pastoralen Nöte der Ortskirchen Amazoniens auch unsere deutsch-sprechenden Ortskirchen berühren, und wie Solidarität mit Amazonien das ‚gute Leben‘ von uns allen betrifft“, betont Spiegel.
Während indigene Völker in Einklang mit den vielen Ressourcen ihres Lebensraums umgehen, ist der Reichtum der Wälder und Flüsse Amazoniens durch massive ökonomische Interessen bedroht, heißt es in dem Papier. Genannt werden unter anderem die willkürliche Abholzung des Waldes sowie die Belastung von Gewässern und Mitwelt durch Pflanzenschutzmittel, Erdöl, Gas, Monokulturen, Straßenbauprojekte, Rohstoffförderung, Drogenanbau und die Errichtung von Groß-Staudämmen. „Die herrschende Konsum- und Wegwerfkultur verwandelt den Planeten in einen Müllabladeplatz“, so die Analyse in dem Dokument. „Der Papst verurteilt dieses anonyme und erstickende Entwicklungsmodell. Es ist besessen vom Wahn des Konsums und seinen Idolen Macht und Geld.“ Spiegel bringt es auf den Punkt: „Wir werden zum Zeugen eines neuen Kolonialismus unter der Maske des Fortschritts.“
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