Obwohl in den Meeren bereits riesige Mengen an Plastik driften und ständig neues Mikroplastik in die Ozeane gelangt, sind die Konzentrationen von Mikroplastik in der Oberflächenschicht geringer als erwartet. Forschende des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel, des Kieler Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ und des Helmholtz-Zentrums Geesthacht haben jetzt experimentell nachgewiesen, dass Mikroplastik im Meerwasser mit natürlich vorkommenden Partikeln interagiert und Aggregate bildet. Diese Aggregatbildung könnte erklären, wie Mikroplastik von der Oberfläche in tiefere Wasserschichten absinkt. Die Ergebnisse wurden heute in Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht.
In den Ozeanen existiert eine Vielzahl von Partikeln biologischen Ursprungs, zu denen beispielsweise lebende und abgestorbene Planktonorganismen und deren Ausscheidungen gehören. Diese sogenannten biogenen Partikel interagieren miteinander und bilden häufig in tiefere Wasserschichten absinkende Klumpen oder wissenschaftlich korrekt: Aggregate. Neben den natürlichen Partikeln befindet sich seit einiger Zeit eine große Menge von Plastikpartikeln mit einer Größe von weniger als fünf Millimetern, also Mikroplastik, in den Ozeanen.
Obwohl zurzeit ständig neues Mikroplastik in die Ozeane gelangt und einige Plastikarten eine relativ geringe Dichte aufweisen und deshalb an der Wasseroberfläche driften, sind die Konzentrationen an der Oberfläche der Ozeane oft geringer als erwartet. Außerdem wurde in den vergangenen Jahren mehrfach Mikroplastik in Tiefseesedimenten gefunden. Was geschieht mit dem Mikroplastik in der Oberflächenschicht? Wie gelangt es in große Wassertiefen? „Unsere Hypothese lautete, dass Mikroplastik gemeinsam mit den biogenen Partikeln im Meerwasser Aggregate bildet, in denen es dann möglicherweise in tiefere Wasserschichten absinkt“, erläutert Dr. Jan Michels, Mitglied im Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ und Erstautor der Studie, die heute in der internationalen Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B veröffentlicht wurde.
Um diese Hypothese zu überprüfen, führten die Forschenden Laborexperimente mit 700 bis 900 Mikrometer großen Kügelchen aus Polystyrol durch. Dabei verglichen die Beteiligten, welches Verhalten die Kügelchen bei Anwesenheit oder Abwesenheit von biogenen Partikeln zeigen. Die Experimente lieferten ein eindeutiges Ergebnis: „Das Vorhandensein von biogenen Partikeln war entscheidend für die Aggregatbildung. Während Mikroplastikpartikel alleine nur wenig aggregierten, bildeten sie zusammen mit biogenen Partikeln innerhalb weniger Tage ziemlich ausgeprägte und stabile Aggregate“, beschreibt Prof. Dr. Anja Engel, Leiterin der Arbeitsgruppe am GEOMAR, in der die Studie durchgeführt wurde. Nach zwölf Tagen befanden sich im Durchschnitt 73 Prozent des Mikroplastiks in Aggregaten.
„Zusätzlich vermuteten wir, dass Biofilme, die sich auf der Oberfläche des Mikroplastiks befinden, eine Rolle bei der Aggregatbildung spielen“, erklärt Michels, der die Untersuchungen während seiner Zeit im GEOMAR leitete und inzwischen an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel tätig ist. Solche Biofilme werden von Mikroorganismen, vor allem von Bakterien und einzelligen Algen, gebildet, und sind relativ klebrig. Um ihren Einfluss auf die Aggregation zu untersuchen, wurden vergleichende Experimente mit gereinigten Plastikkügelchen und solchen, die mit einem Biofilm überzogen waren, durchgeführt. „Das von einem Biofilm überzogene Mikroplastik bildete zusammen mit biogenen Partikeln bereits nach wenigen Stunden erste Aggregate, deutlich früher und schneller als das zu Beginn der Experimente gereinigte Mikroplastik“, beschreibt Michels. Im Durchschnitt 91 Prozent des mit Biofilm überzogenen Mikroplastiks waren nach drei Tagen in die Aggregate integriert.
„Ist Mikroplastik mit einem Biofilm überzogen und sind gleichzeitig biogene Partikel vorhanden, bilden sich im Labor also sehr schnell stabile Aggregate aus Mikroplastik und biogenen Partikeln“, fasst Michels zusammen. In vielen Regionen der Ozeane ist das Vorhandensein von zahlreichen biogenen Partikeln und von Biofilmen auf dem Mikroplastik vermutlich eine typische Situation. „Deshalb spricht vieles dafür, dass die Aggregationsprozesse, die wir in unseren Laborexperimenten beobachtet haben, auch in den Ozeanen stattfinden und dort großen Einfluss auf den Transport und die Verteilung von Mikroplastik nehmen“, erklärt Prof. Dr. Kai Wirtz, der im Helmholtz-Zentrum Geesthacht arbeitet und an dem Projekt beteiligt war. Dies könnte in Zukunft durch das gezielte Sammeln von Aggregaten in den Ozeanen und eine anschließende systematische Suche nach Mikroplastik weiter überprüft werden.
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