Pflanzen sind vielseitig in der Abwehr ihrer Fressfeinde. So manche harmlos aussehenden Pflanzen sind giftig, andere dornig oder haben schmerzhaft brennende Härchen. Der Kontakt mit ihnen kann auch für Menschen schmerzhaft oder im schlimmsten Fall sogar tödlich sein. Das Wissen über diese Bedrohung ist für das Leben in westlichen Industrienationen jedoch nicht mehr von großer Bedeutung. Denn dort verbringt man den Großteil seines Lebens in Gebäuden, ohne viel direkten Kontakt mit der Pflanzenwelt. In der bisherigen menschlichen Evolution war das jedoch anders und das Wissen um die Gefahren von Pflanzen überlebensnotwendig.
Wissenschaftlerinnen der Max-Planck-Forschungsgruppe „Naturalistische soziale Kognition“ untersuchen, ob und wie evolutionäre Vorprägungen das Verhalten von Menschen gegenüber Pflanzen beeinflussen. Um dies herauszufinden, beobachtet die Forschungsgruppe das Verhalten von Kleinkindern.
Im Fokus der aktuellen Studie stand die Frage: Besitzen Kleinkinder Verhaltensstrategien, um die von Pflanzen ausgehenden Gefahren zu vermeiden? Und zeigen sie Unterschiede im Verhalten, wenn eine Pflanze offensichtlich erkennbar eine Gefahr darstellt, wie zum Beispiel durch Dornen? Dafür zeigten die Wissenschaftlerinnen insgesamt 42 Kleinkindern im Alter von 8 bis 18 Monaten Pflanzen, unbekannte Artefakte mit pflanzenähnlichen Merkmalen sowie Alltagsgegenstände. Die Hälfte der Objekte war mit dornenähnlichen Elementen ausgestattet. Um sicherzustellen, dass sich die Kinder nicht an der Reaktion ihrer Eltern orientieren, saßen sie während des Versuchs mit dem Rücken zu ihren Eltern gewandt auf deren Schoß. In dieser Position präsentierte die Versuchsleiterin den Kindern die Pflanzen und anderen Objekte. Gleichzeitig wurden die Eltern gebeten, die Augen geschlossen zu halten, sodass sie nicht wussten, welches Objekt ihrem Kind gerade gezeigt wurde.
Die Ergebnisse bestätigen bisherige Studien, die zeigen, dass Kinder generell zögern, bis sie Pflanzen anfassen. Interessanterweise zögerten sie jedoch gleichermaßen bei allen gezeigten Pflanzen, unabhängig davon, ob sie Dornen hatten oder nicht. Die dornigen Elemente der Pflanzen berührten sie aber nur selten. Das legt nahe, dass Kleinkinder Pflanzen generell als gefährlich betrachten. „Es zeigte sich sehr deutlich, dass die Kleinkinder Unterschiede zwischen den dornigen Pflanzen und dornigen Objekten machten. Sie fassten dornige Pflanzen viel weniger häufig an als die anderen dornigen Objekte“, sagt Aleksandra Włodarczyk, Doktorandin in der Max-Planck-Forschungsgruppe „Naturalistische soziale Kognition“ am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.
Die Forscherinnen interpretieren dieses Verhalten als Vermeidungsstrategie, die Kleinkinder davor schützt, durch Pflanzenkontakt verletzt zu werden. Und das, obwohl die Kleinkinder, die in der Studie mitwirkten, aus dem großstädtischen Raum Berlins kommen und somit in ihrer alltäglichen Umgebung eher wenig Kontakt mit Pflanzen haben. „Bisher haben wir das Verhalten von deutschen und US-amerikanischen Kleinkindern untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kleinkinder in beiden Ländern zurückhaltend reagieren, wenn es darum geht, Pflanzen anzufassen. Interessant ist nun der Vergleich zu Kleinkindern, die in der Natur aufwachsen. Dies untersuchen wir gegenwärtig am Beispiel von kleinen Kindern, die im Dschungel von Ecuador leben“, sagt Annie Wertz, Leiterin der Max-Planck-Forschungsgruppe „Naturalistische soziale Kognition“.
Leider kein Kommentar vorhanden!