Immer mehr Tiere und Pflanzen werden durch den Menschen aus ihrem Verbreitungsgebiet verschleppt – ob bewusst oder unbewusst. Allein in Deutschland sind rund 2.000 nicht-heimische Tier- und über 12.000 Pflanzenarten registriert. Die meisten können sich in Deutschland nicht fortpflanzen oder überleben den Winter nicht, aber über 260 Tiere (Neozoen) haben sich fest etabliert. Rotfeuerfische werden in der Karibik zum hungrigen Problemfisch, außerhalb ihres natürlichen Lebensraums im Indischen Ozean, Pazifik und dem Roten Meer werden die gefräßigen Fische rasch zum Problem. Eingeschleppte Ameisenarten wie die Feuerameise (Solenopsis invicta), die Argentinische (Iridomyrmex humilis) oder die Gelbe Spinnerameise (Anoplolepis gracilipes) gehören zu den besonders invasiven Insekten und gelten vielerorts als ausgemachte Plagen. Nun wurde die tropische Hyalomma-Zecke wieder in Deutschland gesichtet.
Sie ist wieder da: In den letzten Tagen sind gleich sechs Exemplare der tropischen Hyalomma-Zecke in Deutschland aufgetaucht. Und dieses Jahr ist die Art einen wesentlichen Schritt weiter auf dem Weg sich hier zu etablieren. Denn die Zeckenforscher der Universität Hohenheim in Stuttgart und des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr sind davon überzeugt, dass die Tiere – im Gegensatz zu den Exemplaren des Vorjahres – in hiesigen Gefilden überwintert haben. Die auffälligen Tiere mit den geringelten Beinen sind doppelt bis dreimal so groß wie ihre europäischen Verwandten.
Fünf Zecken in einem Pferdehof in Nordrhein-Westfalen, eine auf einem Pferd in Niedersachsen: „Wir haben die ersten Nachweise dieses Jahres von Hyalomma-Zecken in Deutschland“, meldet Prof. Dr. Ute Mackenstedt von der Universität Hohenheim. „Und diesmal müssen wir davon ausgehen, dass diese Tiere bei uns in Deutschland überwintern konnten.“ Letztes Jahr wiesen die Zeckenforscher erstmals Tiere der Gattung Hyalomma in größerer Menge nach. Daraufhin hatte Prof. Dr. Mackenstedt gemeinsam mit PD Dr. Gerhard Dobler und Dr. Lidia Chitimia-Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München im Februar die Bevölkerung gebeten, mögliche Funde von Hyalomma-Zecken einzusenden. Jetzt wurden sie fündig. „Beide Funde sind in den letzten Tagen erfolgt, also praktisch zeitgleich“, erklärt PD Dr. Dobler. „Wir gehen deshalb davon aus, dass die drei heißen Tage dafür verantwortlich waren, dass die wärmeliebenden Hyalomma-Zecken jetzt ziemlich gleichzeitig an unterschiedlichen Orten aktiv wurden.“
Hyalomma-Zecken können in Deutschland überwintern
Doch während die Exemplare letztes Jahr höchstwahrscheinlich noch mit Zugvögeln eingeschleppt wurden, dürfte das diesmal nicht der Fall sein. „Die Jugendstadien der Zecken, die Larven und Nymphen, sind oft an Zugvögeln zu finden“, erläutert Prof. Dr. Mackenstedt. „Sie lassen sich dann einfach abfallen.“ Doch die jetzt gefundenen Tiere seien relativ früh im Jahr aufgetaucht. „Wenn man den Entwicklungszyklus zurückrechnet, hätten sie also zu einem Zeitpunkt eingeschleppt werden müssen, als die Zugvögel noch gar nicht da waren.“
Letztes Jahr konnten zwei Hyalomma-Arten nachgewiesen werden, H. marginatum und H. rufipes. Bei den diesjährigen Zecken steht die genaue Artbestimmung teilweise noch aus, „doch wir vermuten, dass es sich bei allen um H. marginatum handelt“, so Dr. Lidia Chitimia-Dobler. „Die Art stammt vorwiegend aus der Türkei und Osteuropa, weshalb sie unserem Klima eher angepasst ist als H. rufipes aus Afrika.“
Forscher beobachten, ob sich Arten in Deutschland etablieren
Doch Überwintern heiße nicht notwendigerweise, dass Hyalomma in Deutschland bereits heimisch geworden ist. „Damit sich eine Population entwickeln kann, müssten sich Männchen und Weibchen finden“, erklärt Prof. Dr. Mackenstedt. „Das ist bei geringer Populationsgröße schwierig. Zudem müssten sich Larven und Nymphen entwickeln, die Vögel oder auch Hasen als Wirt benötigen. Ob und wie das hier funktioniert, wissen wir noch nicht. Das müssen wir weiter beobachten.“
Allerdings lege der Fund von fünf Hyalomma-Zecken in einem einzelnen Pferdehof nahe, dass dort mehrere Individuen gleichzeitig vorhanden waren und somit die Möglichkeit einer Paarung und des Entstehens einer eigenständigen Population bestehe.
Auch andere tropische Zecken hat die Forscherin deshalb genau im Visier. Beispielsweise die Braune Hundezecke Rhipicephalus sanguineus: „Sie ist ursprünglich in Afrika beheimatet. Doch wir gehen davon aus, dass diese Zecke mit Hunden nach Deutschland transportiert werden. Es wurden auch bereits Exemplare an Hunden gefunden, die ihren Hof nie verlassen hatten“, berichtet sie. „Damit konnten sie kein unbeabsichtigtes Urlaubsmitbringsel sein – ein Hinweis darauf, dass sich die Art hier möglicherweise bereits entwickeln kann.“
Steckbrief Zecken-Gattung Hyalomma
Hyalomma marginatum und Hyalomma rufipes sind ursprünglich in den Trocken- und Halbtrockengebieten Afrikas, Asiens und Südeuropas beheimatet. In Mittel- und Nordeuropa kamen sie bisher nicht vor. Mit ihren gestreiften Beinen sind sie eine auffällige Erscheinung, viel größer als der normale Holzbock. Im eurasischen Raum gelten beide Arten als wichtige Überträger des Virus des Krim-Kongo Hämorrhagischen-Fiebers und des Arabisch Hämorrhagischen Fiebers (Alkhumra-Virus). Auch das Bakterium Rickettsia aeschlimannii, das eine Form des Zecken-Fleckfiebers auslöst, kann durch diese Zecken übertragen werden. Die erwachsenen Zecken saugen Blut vor allem an großen Tieren. Die Zecken können sich aktiv auf ihren Wirt zubewegen und legen dabei eine Strecke von bis zu 100 Metern zurück. Auch der Mensch ist ein potenzieller Wirt der Tiere. Larven und Nymphen dagegen sind vor allem an Vögeln und Kleinsäugetieren zu finden. Sie bleiben bis zu 28 Tage auf ihrem Wirt und können so mit Zugvögeln nach Deutschland eingeschleppt werden.
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