Jedes Jahr im Juni wird die letzte noch in Betrieb befindliche Inka-Hängebrücke abgebrochen und eine neue über den Río Apurímac in der peruanischen Region Cusco errichtet. Die Q’eswachaka-Brücke wird vollständig aus von Hand geflochtenem Qoya-Gras (Qoya Ichu) gefertigt und ist seit mindestens 600 Jahren in Betrieb. Einst Teil des Netzwerks, das die wichtigsten Städte des Inka-Reiches miteinander verband, wurden das das Wissen, die Fertigkeiten und die Rituale um den jährlichen Wiederaufbau der Brücke in die UNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes aufgenommen.
Die Tradition wurde von Generation zu Generation weitergegeben und jeder Erwachsene in den umliegenden Gemeinden Hunchiri, Chaupibanda, Choccayhua und Ccollana Quehue versammelt sich, um dem Übergang neues Leben zu verleihen. Die Überlieferung schreibt vor, dass nur Männer an der Herstellung der Brücke selbst arbeiten dürfen. Frauen bleiben im oberen Teil der Schlucht und weben die kleineren Seile. Am ersten Tag des Wiederaufbaus versammeln sich Männer um die alte Brücke und verweben/verflechten die kleineren Seile in größere. Die Hauptstütze der Brücke besteht aus sechs großen dreilagigen Seilen mit einer Dicke von etwa dreißig Zentimetern, die jeweils etwa 120 der ursprünglich dünneren Seile enthalten.
Jede Familie trägt Teile eines doppellagigen Seils bei, das von Hand aus gewebt wurde. Um geschmeidiger zu werden, muss das Gras zuerst mit einem runden Stein geschlagen und dann in Wasser eingeweicht werden. Während alle beschäftigt sind kochen mehrere Dorfbewohner in Holzöfen, die zu diesem Anlass aus den Dörfern gebracht wurden, Hühnchen, Cuy (Meerschweinchen) und Forelle aus dem Apurimac, ebenfalls lokal angebaute Kartoffeln unterschiedlicher Formen und Farben. Die alte Brücke wird abgeschnitten und schwimmt flussabwärts , wo sie einfach wegfault, da sie aus Gras besteht. Vier der sechs Seile aus geflochtenem Gras bilden den Boden der Brücke und die anderen beiden die Handläufe. Alle sechs Seile sind auf beiden Seiten des Canyons fest mit großen Stützen aus bearbeitetem Stein verbunden. Es dauert fast den ganzen Tag, bis die Männer die Seile auf die richtige Spannung festgezogen haben.
Am dritten Tag geht eine Handvoll Männer ohne Höhenangst über das Gebilde und bindet kleine Seile von den Handläufen auf den Boden, so dass jeder die Brücke sicher überqueren kann. Beim Bau der Brücke werden keine modernen Materialien, Werkzeuge oder Maschinen verwendet – nur Gras und menschliche Kraft. Der Wiederaufbau von Q’eswachaka findet einmal im Jahr statt und endet mit einem Fest mit Essen und Musik am vierten Tag, das immer mit dem zweiten Sonntag im Juni zusammenfällt.
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