Viele Worte und wenig Taten: UN-Nachhaltigkeitsziele könnten scheitern

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Der Anstieg des Meeresspiegels, Treibhausgasemissionen, Dürren und extreme Niederschläge haben im vergangenen Jahr alle Rekorde gebrochen (Foto: noaa.gov)
Datum: 19. Juni 2019
Uhrzeit: 20:20 Uhr
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Autor: Redaktion
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2015 hat sich die Staatengemeinschaft verpflichtet, bis 2030 gemeinsam zu einer besseren ökonomischen, ökologischen und sozialen Entwicklung beizutragen. Diesen September kommen die Staats- und Regierungschefs erstmals wieder in New York zusammen, um Zwischenbilanz zu ziehen. Der aktuelle SDG-Report zeigt, dass die Weltgemeinschaft zwar viel über die Nachhaltigkeitsziele redet, aber zu wenig in ihre Umsetzung investiert. Was als historischer Gipfel begann, könnte als reines Lippenbekenntnis enden. Vor vier Jahren haben sich 193 Staaten auf die Umsetzung der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) geeinigt. Die Bekämpfung von Armut und Hunger gehört ebenso dazu wie die Verpflichtung zu mehr Klimaschutz oder besseren Bildungschancen. Dieses Jahr wollen die Staats- und Regierungschefs erstmals für eine Zwischenbilanz zusammenkommen. Die Ergebnisse dürften ernüchternd ausfallen: Die aktuelle Ausgabe des SDG-Reports zeigt, dass kein Land auf dem Weg ist, alle Ziele bis 2030 zu erfüllen. Die Industrieländer spielen bei der Umsetzung eine zwiespältige Rolle: Einerseits kommen sie der Erfüllung der Ziele am nächsten. Andererseits verursachen sie durch Konsumvorlieben und Lebensstandards hohe ökologische und wirtschaftliche Kosten für Drittländer. Das sind die Ergebnisse des aktuellen Sustainable Development Reports, herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung und dem Sustainable Development Solutions Network (SDSN). Mit dem Report messen die Autoren seit 2015, wo die Weltgemeinschaft bei der Umsetzung der Ziele steht.

Schweden, Dänemark und Finnland erreichen mit rund 83 Punkten die höchsten Platzierungen im Ländervergleich. Das heißt, sie erfüllen schon jetzt die Vorgaben der UN-Ziele zu fast drei Vierteln. Den größten Aufholbedarf sehen die Autoren bei den Indikatoren rund um den Klimaschutz und nachhaltigen Konsum. Hier schneiden alle OECD-Staaten insgesamt am schlechtesten ab. Ein weiterer Schwachpunkt ist die Landwirtschaft: Ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen geht auf das Konto der Bodenbewirtschaftung. Hinzu kommt die Bodenbelastung: Mehr als drei Viertel (78 Prozent) aller untersuchten Länder rangieren bei der Nitratbelastung, ausgelöst durch Dünger und Pestizide, im roten Bereich und schneiden mangelhaft ab. Dazu kritisieren die Autoren das Missverhältnis zwischen Mangelernährung und einer Überproduktion an Lebensmitteln: Ein Drittel der Lebensmittel weltweit landet in Mülltonnen oder wird ungenutzt entsorgt, obwohl über 800 Millionen Menschen als unterernährt gelten, so die Autoren.

Schlechte Vorbilder: Die reichsten Staaten unternehmen zu wenig

„Den historischen Versprechen sind kaum Taten gefolgt. Wir müssen die UN-Ziele mit Leben füllen und in konkrete Maßnahmen überführen. Armut und ungleiche Bildungschancen verschwinden nicht durch Lippenbekenntnisse, sondern nur durch Taten“, sagt Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Auf struktureller Ebene kritisieren die Autoren vor allem die Rolle der G20-Staaten. Abgesehen von den Zielen „Keine Armut“ und „Hochwertige Bildung“ sind die G20-Länder laut Autoren insgesamt für rund die Hälfte der globalen Umsetzungslücken zur Erreichung der Ziele verantwortlich. Allein auf die bevölkerungsreichen Länder Brasilien, China, Indien, Indonesien und USA entfallen jeweils rund zwei Prozent dieses Negativ-Gewichts. „Die G20-Länder haben es maßgeblich in der Hand, die UN-Ziele zum Erfolg zu führen. Dazu gehört auch finanzielle Unterstützung zum Beispiel durch Gelder für die Entwicklungshilfe. Doch aus dem G20-Club geben bisher nur wenige Staaten die von den UN geforderten 0,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Entwicklungshilfe aus“, so Christian Kroll, Mitautor der Studie von der Bertelsmann Stiftung.

Konsumvorlieben in G20-Staaten verursachen Kosten im Ausland

Wesentliche Kritik an den G20- und OECD-Ländern gilt auch ihre Rolle als Kostenverursacher: „Lebensstandards und Konsumvorlieben in den Industrieländern verursachen häufig externe Kosten in Drittländern“, so Christian Kroll. Beispiele für solche negativen Externalitäten sind die hohe Nachfrage nach Palmöl in Industriestaaten, wodurch die Waldrodung in den Tropen befeuert wird, oder die Unterstützung von Steueroasen und geheimen Konten, die auch zur Veruntreuung von Staatsgeldern oder Entwicklungsfonds beitragen können; Geld, das in Entwicklungsländern dringend benötigt wird. Angeführt wird die Liste der Kostenverursacher von kleinen, international vernetzten Industriestaaten wie Luxemburg, Singapur und der Schweiz. Dazu kommen fehlende Budgetzusagen zur Umsetzung der UN-Ziele. Nur in 18 von 43 befragten G20- und Schwellenländern sind die Nachhaltigkeitsziele in nationalen Budget-Plänen überhaupt genannt. Lediglich in Indien und Bangladesch wurden, laut einer Umfrage für den SDG-Report, überhaupt Abfragen zu Finanzierungsbedarfen der Nachhaltigkeitsziele durchgeführt.

Deutschland unter Top Ten, aber mit Nachholbedarf

Deutschland liegt im internationalen Vergleich auf dem sechsten Platz und ist neben Frankreich (vierter Platz) das einzige Land der G7-Gruppe unter den Top Ten. Insgesamt steht Deutschland symptomatisch für das Abschneiden der Industriestaaten: „Deutschland ist bei einigen UN-Zielen auf einem guten Weg, doch wir werden die Nachhaltigkeitsagenda verfehlen, wenn wir politisch in zentralen Bereichen nicht umsteuern“, so Christian Kroll. Nachholbedarf bescheinigt der Index den Deutschen, wie auch den meisten anderen OECD-Staaten, zum Beispiel in den Bereichen „Klimaschutz“ sowie „nachhaltiger Konsum und Produktion“. Auch Deutschland zahlt noch nicht die geforderten 0,7 Prozent des BIP an Entwicklungshilfe und hat mit einer hohen Nitratbelastung im Boden und Grundwasser zu kämpfen. Ein weiteres Negativbeispiel ist die Müllproduktion: So produzieren die Deutschen jährlich pro Kopf rund 22 Kilogramm Elektroschrott – fast dreimal so viel wie in der Türkei oder Mexiko und rund genauso viel wie in den USA.

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